Medizin

Wissenschaftler fordern koordiniertes Vorgehen in Europa zur Eindämmung der Pandemie

  • Donnerstag, 28. Januar 2021
/vchalup, stock.adobe.com
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Berlin – Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin und Wirtschaft haben einen Aktionsplan für eine europaweit konsequentere und effizientere Eindämmung der Coronapandemie vorgelegt. Die Fallzahlen müssten so schnell wie möglich verringert werden, denn dies habe große Vorteile für Gesell­schaft und Wirtschaft, hieß es bei der Vorstellung des Konzepts heute. Dabei sei ein koordiniertes Vorgehen wirkungsvoller als nationale Alleingänge.

Veröffentlicht wurde der vorgeschlagene Aktionsplan zuerst im britischen Fachjournal The Lancet (2021; DOI: 10.1016/S0140-6763(21)00150-1). Beteiligt sind aus Deutschland Viola Priesemann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sowie Clemens Fuest vom Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung.

„Der Leitgedanke ist, die Fallzahlen so schnell wie möglich zu reduzieren, da dies starke Vorteile für die Gesundheit, die Gesellschaft und die Wirtschaft hat“, heißt in dem gemeinsamen Papier. „Je niedriger die Fallzahlen, desto einfacher ist die Kontrolle, desto mehr Freiheit und mehr Kontakte kann jeder einzelne haben“, sagte Priesemann.

Dabei sei ein länderübergreifendes Vorgehen wichtig, denn „die Viren machen nicht an der Grenze halt“. Ein halbherziges Vorgehen bringe wenig, sinnvoller sei mehr Konsequenz für einen kürzeren Zeitraum.
Brink­mann wies Forderungen zurück, sich in der Pandemie auf den Schutz älterer Menschen zu konzen­trieren.

Zwar sei der Schutz vulnerabler Gruppen sehr wichtig, doch „das ist sehr schwierig, wenn das Infektions­geschehen insgesamt sehr hoch ist“. So wollten auch Ältere besucht werden und das Personal in Heimen habe auch „eine Familie, Kinder, die zur Schule gehen“, wodurch Infektionen eingeschleppt würden.

„Entschlossenes und koordiniertes europäisches Vorgehen gegen die Pandemie ist wegen der engen grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verflechtung in Europa auch aus ökonomischer Sicht erforder­lich“, betonte Peichl. „Die Vorstellung, man könne einfach die Wirtschaft öffnen, auch wenn ein gefähr­liches Virus grassiert, ist eine Illusion“, warnte ifo-Chef Clemens Fuest. Die Folgen der Pandemie selbst seien ökono­misch wesentlich schädlicher als der Lockdown.

Als Zielgröße nannte Brinkmann Inzidenzwerte möglichst in der Größenordnung von 10. Dies sei auch durchaus in überschaubarer Zeit erreichbar, wie Beispiele anderer Länder oder auch die niedrigen Inzi­denz­­werte in Deutschland im vergangenen Sommer zeigten. Angestrebt werden sollten zunächst „grüne Zonen“, in denen dann auch mehr Bewegungsfreiheit möglich sei.

Die Forscherinnen verwiesen auch auf die Gefahr der Virusmutanten, die sich gewissermaßen im Schatten der bekannten Virusform verbreiten könnten. Wenn dagegen keine Maßnahmen ergriffen würden, „werden die Fallzahlen und Krankenhauseinweisungen ansteigen“.

Eine Notwendigkeit für drastische zusätzliche Einschränkungen sehen die Forscherinnen und Forscher nicht, wohl aber für einen „klügeren und effizienteren Lockdown“, wie Priesemann sagte. Beispielsweise seien keine Grenzschließungen erforderlich, sofern die Reisenden vor und nach dem Grenzübertritt konse­quent getestet würden, sagte Brinkmann. Bei der Kontaktbeschränkung seien „kleine, stabile soziale Blasen“ weniger problematisch als ständig wechselnde Kontakte.

Generell sollten die Bedingungen für Homeoffice und Onlineunterricht verbessert werden, um Infek­tions­risiken zu mindern. Wo dies nicht gehe, sollten auch an Schulen und Arbeitsplätzen mehr kosten­lose Tests angeboten werden, um Ausbrüche frühzeitig zu erkennen.

afp

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