Pflegers Schach med.

Ein buntes Ärzteleben

  • Freitag, 11. März 2016

Der Chirurg Dr. med. Wolfgang Weise ist ein umtriebiger Mann, auch im Alter. Fast zögere ich bei dem 77-jährigen mit diesem Wort, so lebendig und lebhaft ist er immer noch in vielen verschiedenen Bereichen unterwegs. Am besten gehen wir zu seinen Anfängen zurück und tasten uns in seinem wahrlich nicht nur auf die Medizin sich beschränkenden Lebenslauf langsam vorwärts, gelegentlich allerdings durchaus mit Sprüngen, zumal dies auch in Wolfgangs Naturell liegt.

Geboren 1938 in Breslau/Schlesien, kam er bald nach Niedersachsen und studierte Medizin an der Georg-August-Universität in Göttingen, mit Staatsexamen und Promotion dort 1965.

Wie es sich so traf, studierten in Göttingen auch etliche persische Medizinstudenten, mit denen er sich anfreundete und „natürlich“ auch Schach spielte.

Schließlich entstand das „Königliche Spiel“ vor etwa 1500 Jahren im persisch-indischen Raum und heißt wegen der Gleichsetzung von König und Schah bei uns „Schach“.

Als skurrile Fußnote sei angemerkt, dass wegen dieser etymologischen Gleichheit Khomeini nach der Vertreibung des Schahs das Schachspiel jahrelang verbieten ließ, bis irgendwann in Persien doch wieder Vernunft einkehrte. Dass gerade in diesen Tagen – ausgerechnet in Saudi-Arabien beim Erzfeind des Irans - der Mufti das Schachspiel als „Verschwendung von Zeit und Geld“, welches auch „Rivalität und Feindschaft verursache und reiche Leute arm und arme Leute reich mache“ verurteilte und verbot, ist freilich angesichts der Verhältnisse dort an grotesker Ironie kaum zu überbieten. Vielleicht behagte es ihm auch nicht, dass im benachbarten Katar, einem Gesinnungsbruder, das Schachspiel immer mehr aufblüht und bedeutende Turniere dort stattfinden.

Bei all dem sollten wir in unserem christlichen Abendland aber nicht vergessen, dass die Kirche im Mittelalter unserem Spiel teilweise sehr ambivalent gegenüberstand und zwischen Verdammung (übrigens ähnlich wie der Mufti wegen „Verschwendung von Zeit, die von der Gottesandacht ablenke“) und Lobpreisung, wenn anhand des Schachspiels moralische Glaubenslehren erläutert wurden, hin und her schwankte.

Zurück zu Wolfgang. Seit Studienzeiten ist er quasi ein „Perser honoris causa“, was sich nicht zuletzt bei den jährlichen Deutschen Ärzteschachmeisterschaften (die nächste ist übrigens vom 22.–24. April in Bad Neuenahr), bei denen die „persische Delegation“ ein in jedweder Weise belebender Farbtupfer ist, beobachten lässt.

Viele Jahre „verschlug“ ihn sein unternehmendes Gemüt ins Ausland, nach Jugoslawien (hat er diesem Aufenthalt seine serbische Frau zu verdanken?!), Tunesien und auch nach Nigeria.

Doch irgendwann werden Wanderer sesshaft, auf einmal war er hierzulande Chefarzt der Chirurgie in Uslar, dieser Zeit haben wir auch die heutige herrliche Schachkombination aus dem Jahre 1985 zu verdanken. Und weiter ging’s in bunter Folge, 1989 schließlich die Eröffnung einer chirurgischen Praxis in Burghausen am Inn, an der Grenze zu Österreich.

Doch, oh Wunder, 2003 ging er in Rente. Nun ja, nicht ganz.

Acht Jahre arbeitete er danach chirurgisch (die Süddeutsche Zeitung“ berichtete anschaulich darüber) für das BRK auf dem Oktoberfest, außerdem machte er ständige Vertretungen in chirurgischen Praxen in Oberbayern sowie Nacht- und Wochenenddienste in mehreren Krankenhäusern in Niederbayern. Schließlich sind studierende Töchter zwar in erster Linie eine Freude, in zweiter kosten sie aber auch Geld.

Tja, was sag’ ich, seit 2015 ließ sich Wolfgang mit 77 Jahren noch einmal als Chirurg mit Röntgenzulassung und ambulanten Operationen in einem MVZ im niederbayerischen Plattling nieder. Alle zehn Jahre will ich über seinen weiteren Werdegang dort oder anderswo berichten, zum 100. Geburtstag ist ein längerer Bericht geplant.

Natürlich kreuzten sich auch Wolfgangs und meine Wege mehrmals; zuerst 1957 bei der Deutschen Jugendmeisterschaft in Berlin, später sollte er mein Nachfolger als Verbandsarzt des Deutschen Schachbunds werden. Es konnte auch nicht ausbleiben, dass ich bereits über ihn im Deutschen Ärzteblatt schrieb (20. Oktober 2006 und 26. April 2013), als er beispielsweise schon im „Unruhestand“ zwei Mal sich als Pilger auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela begab (mit einem eindrucksvollen autobiographischen Bericht) und diese Wanderungen trotz aller Beschwerden, inneren und äußeren Schweinehunden trotzend, gut beendete.

Uploaded: 11.03.2016 09:20:02 by intern01

Jetzt aber Schach pur.

Diese Stellung stammt aus dem Jahr 1985, als Dr. Weise beim Mannschaftskampf für seinen Verein Uslar auf Fusenig (Bad Pyrmont) traf.

Wer möchte hier nicht, nach allseitigen Läufertäuschen und Rückgewinn des Bauern a7, auf ein Remis in dieser symmetrischen Stellung tippen?! In der Tat gewann aber Dr. Weise als Weißer am Zug in einer dreizügigen Kombination mit einem kuriosen dritten Zug. Wie kam’s?

Nach den Abtäuschen 1.Lxd7+ Kxd7 2.Lxb2 Txb2 eroberte Weiß, für seinen Gegner völlig überraschend, mit der langen Rochade 3.0-0-0+!! bei gleichzeitigem Schachgebot den Turm b2.

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