Mit starker Zughand
Im August-Blog berichtete ich über die Betriebsschachgruppe der Asklepios-Kliniken in Hamburg, die immer „Heimvorteil genießt“ beziehungsweise diesen zweifelhaften Vorteil nolens hinnehmen muss. Der Grund: Gespielt wird in der Forensischen Psychiatrie. Angeführt wird diese bunt gemischte Mannschaft aus Psychiatern, Psychologen, Pflegern und Patienten von Chefarzt Dr. Guntram Knecht und dem einzigen „externen“ Nervenarzt Dr. Franz-Jürgen Schell.
Bezugnehmend auf meinen März-Blog über Doping machte mir Dr. Schell darüber hinaus eine andere, zumindest für mich, überraschende Mitteilung. Seiner Meinung nach ist Bodybuilding in puncto Doping die fairste (!) Sportart.
Dr. Schell: „Denn im Gegensatz zu anderen Disziplinen, in denen es leider üblich ist, dass es einen gemischten Wettkampf gibt zwischen Gedopten und Nichtgedopten, und man nie weiß, wer zu welcher Gruppe gehört, ist das dort anders. Denn in den Wettbewerben mit den monströsen Muskeln haben alle Teilnehmer mit Steroiden und Ähnlichem nachgeholfen, ein Armumfang von mehr als 50 cm ist ohne Hilfsmittel schlicht nicht zu erreichen.
Aber es gibt auch sogenannte „Naturals“ – das sind Bodybuilder, die auch hart trainieren, aber keine Anabolika oder Steroide einsetzen. Und für diese gibt es eigene Wettbewerbe! Daher ist Bodybuilding die einzige Sportart, bei der es getrennte Wettbewerbe zwischen Gedopten und Nichtgedopten gibt.“
Nun will ich mich hier nicht nochmals über den höchst zweifelhaften Wert von Doping beim Schach auslassen, abgesehen vom sogenannten „Elektronischen Doping“, bei dem Schachspieler auf den verschiedensten Wegen Computerhilfe benutzen, sodass es heute leider bei wichtigen Wettkämpfen und Turnieren schärfere Kontrollen als am Flughafen geben muss.
Dr. Schell führt weiter aus, dass er mit Anfang 40 mit dem Bodybuilding angefangen hat: „Nicht um starke Arme zu bekommen, sondern weil ich an Typ-2-Diabetes litt und der übliche Rat, zu joggen und abzunehmen, nicht recht funktioniert hat“ (Anmerkung: Dabei muss ich an den Diabetes-Arzt Dr. Richard Berthold denken – ich berichtete bereits mehrmals über ihn –, der nicht nur bei den Ärzteschachturnieren gut aufspielt, sondern auch überall auf der Welt teilweise extreme Marathonrennen bestreitet und darüber hinaus mit seinen Patienten durch die Straßen des heimischen Neunkirchen im Saarland läuft, um diese so im Kampf gegen den Diabetes zu unterstützen).
„Denn beim Typ-2-Diabetes kommt es zur Insulinresistenz, aber nur gegen die blutzuckersenkende Wirkung, nicht gegen den leicht anabolen Effekt von Insulin. Zugleich wird mehr Insulin ausgeschüttet, um die geringere Wirkung auf den Blutzuckerspiegel zu kompensieren. Heute bin ich bei regelmäßigem Training (natürlich natural) immer noch zu schwer, aber mein Blutzucker ist durch den höheren Grundumsatz ausgezeichnet und auch das Körpergefühl ist hervorragend. Nachdem wir Ärzte Bodybuilding und Krafttraining jahrzehntelang als narzisstische Verirrung abgetan haben, stellt man immer mehr fest, dass es sogar sehr hilfreich sein kann.“
Soweit Dr. Schell – nicht nur in eigener Sache, sondern mit seinem bemerkenswerten Resümee weit darüber hinausgehend.
Zum Abschluss schickte er mir auch noch eine rein schachliche Episode vom letzten Ärzteturnier.

Diagramm
(wKg1, Dg4, Td1, Tg3, Sc3, Sf3, Ba2, b2, d4, e5, f4, g2, h3;
sKh8, Da5, Tc4, Tf8, Ld7, Le7, Ba6, b7, d5, e6, f7, g6, h7)
Dr. Gerhard Albert als Weißer hatte zuletzt seinen Springer von h2 nach f3 gezogen; grundsätzlich höchst plausibel, um den Springer via g5 in den Angriff gegen den schwarzen König einzubinden. Doch dummerweise entging dabei etwas seiner (zeitnotgetrübten?) Aufmerksamkeit, was Dr. Schell an das Thema „Aus- und Einsperren“ vom letzten Blog erinnerte.
Wie konnte Dr. Schell als Schwarzer – mit wachem Kopf und außerschachlich gestärkter Zughand – dies ausnützen?
Nach 1...h5! war die weiße Dame quasi mitten auf dem Brett gefangen, weil ihr die vorherige Rückzugsmöglichkeit nach f3 oder e2 nun durch den Springer verwehrt war.
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