„1.000-Köpfe-Programm“: Vorschläge für eine künftige Hochschulpolitik
Berlin – Die Koalitions-Arbeitsgruppe (AG) Bildung, Forschung und Innovation hat Vorschläge für eine künftige Strategie einer möglichen schwarz-roten Regierung im Bildungs- und Wissenschaftsbereich vorgelegt.
Das Papier, das unter anderem eine generelle Richtung bezüglich Wissenschaftsfreiheit und -stärkung sowie Wissenschaftskommunikation skizziert, nimmt explizit auch die Universitätsmedizin und die Gesundheitsforschung als strategisches Forschungsfeld in den Fokus. Es liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Ganz klar spricht sich die mit Fachpolitikerinnen und -politikern aus Union und SPD besetzte Arbeitsgruppe für die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit und eine wissenschaftsbasierte Faktenvermittlung aus. Angesichts der globalen wissenschaftspolitischen Entwicklungen soll in Deutschland die Anwerbung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Ausland erleichtert werden. Geplant ist ein „1.000-Köpfe-Programm“.
„Wir erhalten Deutschland in Zeiten globaler Polarisierung als attraktives Zielland und sicheren Hafen der Wissenschaftsfreiheit für Forschende aus aller Welt“, heißt es in dem Papier der Koalitions-Arbeitsgruppe – ohne jedoch die USA, wo die Regierung von US-Präsident Donald Trump gerade die staatliche Forschungsförderung massiv kürzt und Forschungsbereiche einer Zensur unterwirft, explizit zu benennen.
Man wolle jedoch „in der Welt bedrohte Datenbestände“ sichern und zugänglich halten, heißt es. Bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen beraten werden und Förderentscheidungen wissenschaftsgeleiteten Kriterien folgen.
„Wissenschaftskommunikation muss fester Bestandteil von Wissenschaft und Forschungsförderung sein“, betont die AG ferner. Um diese in Deutschland zu stärken und zu fördern, soll eine unabhängige „Stiftung für Wissenschaftskommunikation und -journalismus“ gegründet werden.
Hierzulande sollen sich zudem die Arbeitsbedingungen für Forschende, Lehrende und Studierende nachhaltig verbessern und Karrierewege verlässlicher werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll bis Mitte 2026 novelliert werden. Die Programmpauschalen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sollen für Neuanträge auf 30 Prozent angehoben werden. Zudem soll der Anteil von Frauen an wissenschaftlichen Führungspositionen weiter erhöht werden.
Nach den Vorschlägen der Arbeitsgruppe soll die neue schwarz-rote Koalition ferner eine „Schnellbauinitiative von Bund und Ländern zur Modernisierung, energetischen Sanierung und digitalen Ertüchtigung“ von Hochschulen auflegen. Dabei werden auch die Universitätskliniken explizit genannt.
Einen besonderen Fokus will die mögliche künftige Koalition auf die Profilbildung in der Hochschulmedizin legen. Verbundforschung soll angeregt und Translation gefördert werden, heißt es. Konkret soll aus den bestehenden und im Aufbau befindlichen Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung eine „Spitzeninitiative der Hochschulmedizin“ geformt und deren Förderung verstärkt werden.
Das Augenmerk soll vor allem auf den großen Volkskrankheiten liegen. „Es braucht mehr klinische Forschung durch Bund und Länder zur Bekämpfung der großen Volkskrankheiten“, heißt es in dem Papier. Aber auch das während der Pandemie entstandene Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) soll verstetigt werden und mit dem Berlin Institute of Health (BIH) vernetzt werden.
Dass die AG Bildung, Forschung und Innovation der Hochschulmedizin einen eigenen Abschnitt gewidmet hat, wird vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) begrüßt. Es zeige ihre besondere Rolle, sagte Jens Scholz. 1. Vorsitzender des VUD, dem Deutschen Ärzteblatt.
Dass sich dem Papier zufolge die Vorhaltepauschalen für die Universitätsmedizin an den realen Kosten orientieren sollen und die Hochschulmedizin beim Transformationsfonds „angemessen“ berücksichtigt werden soll, hält er für „zielführend“.
„Auch die Verstetigung der Finanzierung des Netzwerks Universitätsmedizin ist richtig und passt zum Bekenntnis im Ergebnispapier „Gesundheit und Pflege“, Deutschland zu einem Spitzenstandort für die Gesundheitsforschung und Klinische Studien zu machen“, sagte Scholz.
Benannt als „strategische Forschungsfelder“ in der Gesundheitsforschung werden im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe die personalisierte Medizin beziehungsweise die Gen- und Zelltherapie sowie Forschung zu Frauengesundheit und postinfektiösen Erkrankungen.
Im Bereich der onkologischen Forschung und klinischen Versorgung sollen relevante Netzwerke ausgebaut werden.
Genannt werden dabei das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und Standorten der Universitätsmedizin sowie weiteren Forschungseinrichtungen, und das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), in dem bereits mehr als 20 akademische Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken in Translationszentren miteinander kooperieren.
Offensichtlich nicht fest für die nächste Legislaturperiode geplant ist eine Reform der Ärztlichen Approbationsordnung. „Wir tragen die Ziele des Masterplans Medizinstudium weiter“, heißt es lediglich in dem Papier.
Voraussetzung sei allerdings eine Verständigung über Ausgestaltung und Finanzierung in einer Bund-Länder-Kommission. An dieser war jedoch in der Vergangenheit trotz vorliegender fertiger Entwürfe eine Reform des Medizinstudiums gescheitert. Die Medizinischen Fakultäten schauen jedoch angesichts der bekanntgewordenen Vorschläge der Koalitions-Arbeitsgruppe optimistisch in die Zukunft.
„Da viel einschlägige Expertise mit am Verhandlungstisch saß – unter anderem waren einige Wissenschaftsministerinnen und -minister der Länder vertreten – gehen wir davon aus, dass die besondere Rolle und die Aufgaben der Universitätsmedizin im Koalitionsvertrag ihren Niederschlag finden werden“, sagte Frank Wissing, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages (MFT), dem Deutschen Ärzteblatt. „Alles, was wir bisher gehört haben, werten wir als gutes Zeichen.“ Aber letztlich zähle das Endergebnis, das es abzuwarten gelte.
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