Politik

100 Fragen, 100 Antworten: Ministerium zieht Bilanz

  • Freitag, 24. Januar 2025
/picture alliance, dts-Agentur
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Berlin – Mit einer parlamentarischen Anfrage hat die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Bilanz der Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gezogen. Dessen Ministerium zeichnet nun in einer Ant­wort das Bild einer durchweg erfolgreichen Gesundheitspolitik, bei der stets äußere Faktoren für das Scheitern von Vorhaben verantwortlich waren.

Von Lauterbachs Impfstoffbestellungen vom Dezember 2021 bis zur Einführung vertraulicher Erstattungsreise hält die Union dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer mit einhundert Fragen gespickten Anfrage die umstrittenen Entscheidungen seines Hausherren vor.

Seine Arbeitsweise nimmt die Fraktion ebenso ins Visier: Neben der enormen Arbeitsbelastung habe die Gleich­stellungsbeauftragte der Bundesregierung bereits im Herbst 2022 bemängelt, im Ministerium herrsche „ein Um­gangston vor, den man früher als asozial beschrieben habe“.

Die Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern im BMG halte offenbar bis zum heutigen Tage nicht nur an, sondern sei sogar noch gestiegen. Arbeitsbelastung und Kommunikationsstil der Hausleitung seien offenbar weiterhin prob­lematisch.

Dem steht aber aus Sicht der Union nur ein unzureichender Output gegenüber. „Während im ersten Jahr von der Ampel quasi keinerlei Versorgungs- oder Reformgesetze verabschiedet wurden, kündigte der Minister ab der zweiten Hälfte regelmäßig eine Vielzahl von Vorhaben an, von denen es viele allerdings nicht einmal ins Stadium eines Referentenentwurfes geschafft haben, geschweige denn Kabinettreife erlangt haben“, heißt es in der Klei­nen Anfrage, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

In der Selbstverwaltung wiederum habe Lauterbach mit seiner Entscheidung und seinem Kommunikationsstil viel Porzellan zerschlagen. Es sei zu beobachten, dass bei nahezu allen Akteuren im Gesundheitswesen die Unzu­friedenheit über die Entscheidungen in der Gesundheitspolitik seit 2021 massiv gewachsen ist.

Gleichzeitig werde ein Mangel an konstruktiver und vertrauensvoller Kommunikation beklagt, was zu einer mangelnden Akzeptanz politischer Entscheidungen im Gesundheitswesen und zu einem sinkenden Vertrauen in das Gesundheitssystem insgesamt geführt habe.

Die Bundesregierung teilt diese Ansichten ausweislich ihrer Antwort nicht. Im Mittelpunkt ihrer Bestrebung stehe vielmehr das Versprechen, dass es trotz des erheblichen Sanierungsbedarfs im Gesundheitssystem in dieser Legislaturperiode keine Leistungseinschränkungen für die Patientinnen und Patienten geben werde.

Fehlende Digitalisierung, Fachkräftemangel, eine veränderte Leistungsnachfrage und die Finanzierung der Sozialsysteme vor dem Hintergrund des medizinischen Fortschritts und einer alternden Gesellschaft sowie Fehlanreize in der Vergütung von Gesundheitsleistungen würden das Gesundheitswesen weiter strukturell und finanziell herausfordern.

Die Bundesregierung habe deshalb die notwendigen Veränderungen eingeleitet und das Gesundheits- und Pflegewesen mit folgenden Anpassungen „umfassend sowie spürbar für alle verbessert und erste, notwendige und umfassende Erneuerungsschritte auf den Weg gebracht“, schreibt das BMG in seiner Antwort.

Hinweis auf mögliche Zusammenarbeit

Auf die vielen Fragen der Union nach nicht abgeschlossenen Vorhaben verweist das Ministerium darauf, dass sich viele von ihnen bereits als Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren befänden. Indirekt unterbreitet das Haus der Union sogar ein Angebot: „Die Bundesregierung weist darauf hin, dass durch eine fraktionsübergreifen­de Zusammenarbeit die im parlamentarischen Verfahren befindlichen Vorhaben umgesetzt werden könnten.“

Konkret gibt es in den Ausführungen der Antwort kaum neue Erkenntnisse. Nach den verschiedenen Kontrover­sen von Lauterbachs Amtszeit gefragt, bleibt das Ministerium in der Regel bei den seit jeher vertretenen Verteidi­gungslinien.

So sei die Beratungslücke von fast einem halben Jahr, die durch die Probleme bei der Errichtung der Bundes­stiftung Unabhängige Patientenberatung (UPD) entstanden sei, schlicht dem Umstand geschuldet, dass die Stiftung erst aufgebaut werden musste.

„Diese Einschränkungen gab es auch in der Vergangenheit in Übergangsphasen der UPD. Mit der Verstetigung der UPD als Stiftung wurde dafür Sorge getragen, dass dies in Zukunft nicht mehr vorkommt“, schreibt das BMG.

Immerhin nennt das Ministerium einige neue Zahlen: Nach Auskunft der Stiftung seien derzeit noch neun Ver­fahren wegen Kündigungsschutzklagen der ehemaligen UPD-Mitarbeiter anhängig. Von den Klageverfahren, in denen die Stiftung UPD nicht Streitpartei sei, habe die Bundesregierung jedoch keine Kenntnis. Von den 66 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung seien 51 aus der ehemaligen UPD, heißt es.

Keine Kenntnis über Auswirkungen der Cannabis-Teillegalisierung

Weniger Auskunft kann Lauterbachs Haus zu den Folgen eines seiner umstrittensten Gesetze geben. So habe man keine Erkenntnisse dazu, ob seit der Teillegalisierung von Cannabis als Genussmittel die Anzahl der Psychosen gestiegen ist.

Zur entstandenen Möglichkeit, im Internet mittels eines Privatrezeptes an Medizinalcannabis zu gelangen, kann sich das BMG ebenfalls nur allgemein äußern – Cannabis unterliege als Arzneimittel denselben fachlichen Stan­dards bei der Verordnung wie andere Medikamente. Der Vollzug der Vorschriften unterliege aber den Ländern.

Zu Auswirkungen auf die Organisierte Kriminalität ließen sich bisher keine Feststellungen treffen. Grundsätzlich bleibe die Bewertung der Auswirkungen der Teillegalisierung der im Gesetz vorgesehenen Evaluation vorenthal­ten. Ein Zwischenbericht soll bis zum 1. April 2026 vorgelegt werden, ein umfassender Bericht bis zum 1. April 2028.

Bei der problembehafteten Einführung des Bundes-Klinik-Atlas im Rahmen der Krankenhausstrukturreform wiederum weist das Ministerium die Schuld für Verzögerungen von sich. Aufgrund des verzögerten Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens nach Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat seien Daten­übermittlungen und Dateneinbindung erst verspätet möglich gewesen.

Kein Folgeabschätzungsinstrument für die Abgeordneten

Die Vorwürfe bezüglich der für das Gesetzespaket vorgesehenen Auswirkungsanalyse weist das Ministerium zurück. Die Union wollte unter anderem wissen, warum sie nicht allen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses gleichermaßen vorgestellt wurde und bislang immer noch nicht alle Bundestagsabgeordneten Zugang haben.

„Ausschließlich den für die Planung zuständigen Ländern wurde ein Zugang zum Folgenabschätzungsinstrument eingeräumt“, erklärt das Ministerium dazu. Dazu hätten „konstruktive Austauschformate mit den Ländern“ stattge­funden.

In der Folge seien im Folgenabschätzungsinstrument technische Anpassungen im Sinne der Länder implemen­tiert worden. Die Abgeordneten hätten zu keinem Zeitpunkt und bis heute Zugang zum Folgenabschätzungsins­tru­ment erhalten.

Ebenfalls als völlig unverfänglich sieht das Ministerium die Vorgänge rund um die Einführung vertraulicher Erstattungspreise mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) im Frühjahr 2024.

Recherchen verschiedener Medien hatten Vorwürfe laut werden lassen, dass die Bundesregierung einen unlaute­ren Deal mit dem Pharmakonzern Eli Lilly geschlossen haben soll, bei dem die Erstattungspreisregelung die Gegenleistung für eine Milliardeninvestition des Unternehmens gewesen sei.

Das BMG verweist darauf, dass die Regelung bereits Teil der Mitte Dezember 2023 beschlossenen Pharmastra­tegie der Bundesregierung war – und unterschlägt dabei, dass die zur Debatte stehenden Gespräche zwischen Kanzleramt und Konzern zum Teil bereits vorher stattfanden, das eine das andere also nicht ausschließt.

Die Gespräche hätten einzig dem Ziel gedient, „Erfahrungen zu sammeln, an welchen Stellen aus Sicht der Industrie die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten der Verbesserung bedürfen“, so das Ministerium.

Die Regelung selbst verteidigt das BMG gegen die vorgebrachte Kritik. Vertrauliche Rabatte bei Arzneimittel­preisen seien die Regel bei praktisch allen anderen EU-Mitgliedstaaten. Deutschland gleiche daher nur einen Wettbewerbsnachteil aus und sein System an die international übliche Praxis an.

Keine Probleme bei RKI und BZgA

Auch Presseberichte, wonach sowohl das Robert-Koch-Institut (RKI) als auch die Bundeszentrale für gesund­heitliche Aufklärung (BZgA) durch die geplanten Umstrukturierungen seit mehr als einem Jahr in ihrer Arbeit streckenweise gelähmt seien, weist das BMG zurück. Ihre Arbeit werde regulär fortgeführt.

Das angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz wiederum sei bereits ausgearbeitet worden, aber schließlich wegen des Koalitionsbruchs nicht mehr gekommen. Allerdings seien Bürokratieabbau und -vermeidung von der Bundesregierung „in allen Gesetzgebungsverfahren (…) konsequent mitgedacht“ worden.

In der Zuständigkeit des BMG hätten sich dabei bereits zahlreiche Bürokratieentlastungsmaßnahmen in Einzel­gesetzen wiedergefunden, beispielsweise im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), im Kranken­hauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG), im Digital-Gesetz (DigiG) oder im Pflegeunterstützungs- und -entlas­tungsgesetz (PUEG).

Bei der bundeseinheitlichen Richtlinie zur Barrierefreiheit von Arztpraxen hingegen sieht die Bundesregierung nach eigenen Angaben keinen Überarbeitungsbedarf. Die aktuell geltende Richtlinie für Vertragsarztpraxen habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erst im Juli 2024 nach einer umfassenden Anpassung veröffent­licht.

lau

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