Politik

2.000 Euro steuerfreies Gehalt neben der Rente: Kabinett beschließt Aktivrente

  • Mittwoch, 15. Oktober 2025
Bundeskanzleramt, Kabinettssitzung: Die Minister sitzen um Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Kabinettstisch./ picture alliance, dts-Agentur
Bundeskanzleramt, Kabinettssitzung: Die Minister sitzen um Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Kabinettstisch./ picture alliance, dts-Agentur

Berlin – Wer im Rentenalter freiwillig weiter arbeitet, soll künftig bis zu 2.000 Euro steuerfrei verdienen können. Das Bundeskabinett beschloss dafür heute den Gesetzentwurf zur so genannten Aktivrente. Die Neuregelung solle „mehr Anreize für freiwillige Arbeit im Rentenalter“ schaffen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken, sagte dazu Regierungssprecher Stefan Kornelius.

Das Gesetz sieht vor, dass Erwerbstätige nach Erreichen des Renteneintrittsalters im Monat 2.000 Euro, also im Jahr 24.000 Euro, steuerfrei aus nicht selbstständiger Arbeit verdienen können. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen aber Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abführen, der Arbeitgeber auch zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die Gesetzesvorlage soll nun im Bundestag beraten werden. Zum Jahreswechsel soll die Regelung in Kraft treten.

Ermöglicht werden soll die Aktivrente für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die das gesetzliche Renteneinstiegsalter erreicht haben. Ob Betroffene bereits Rente beziehen oder den Rentenbezug aufschieben, ist unerheblich.

Die Einkünfte im Rahmen der Aktivrente werden auch vom sogenannten Progressionsvorbehalt ausgenommen. Dieser hätte sonst dazu geführt, dass der Zusatzverdienst die Steuerlast erhöht.

Für Selbstständige, Beamte sowie Landwirte gilt das Angebot nicht. Das Modell gilt also nicht für Freiberufler wie niedergelassene Ärzte, kann aber sowohl für angestellte Ärztinnen und Ärzte als auch Medizinische Fachangestellte infrage kommen.

„Wir setzen weitere Impulse für wirtschaftliches Wachstum in Deutschland. Dafür braucht die Wirtschaft gerade auch die älteren und erfahrenen Arbeits- und Fachkräfte", erklärte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). Die Aktivrente stärke den Arbeitsmarkt, „das stärkt die Wirtschaft und das ist ein echtes Plus für alle, die beruflich aktiv bleiben wollen“.

„Mit der bestehenden Sozialversicherungspflicht profitieren auch die Sozialsysteme von dem Bonus“, erklärte zudem das Finanzministerium. „Davon profitieren am Ende alle, denn die Sozialsysteme werden entlastet, der Arbeitskräftemangel bekämpft und damit der Standort Deutschland insgesamt gestärkt.“

Auch Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) begrüßte das Vorhaben. „Unsere Unternehmen suchen schon jetzt händeringend nach Fachkräften“, erklärte sie in Berlin. Die demografische Entwicklung werde den Mangel weiter verschärfen. Gleichzeitig wollten viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger arbeiten. Insofern sei die Aktivrente „eine Win-Win-Situation“.

Das Finanzministerium geht in seinem Gesetzentwurf von rund 168.000 Interessenten im Jahr für die Aktivrente aus – damit würde jeder vierte Anspruchsberechtigte würde bei Erreichen des Renteneintrittsalters das Angebot der Aktivrente auch tatsächlich annehmen. Die jährlichen Mindereinnahmen durch die Steuerbegünstigungen werden auf 890 Millionen Euro veranschlagt.

Wirtschaftsexperten äußerten sich skeptisch. „Das Ziel der Bundesregierung, deutlich mehr Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu erhalten, wird damit wohl nicht erreicht“, erklärte das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Rede war von „enormen Kosten bei zweifelhaftem Nutzen“. Zudem sei die steuerliche Ungleichbehandlung etwa gegenüber Selbstständigen möglicherweise rechtlich angreifbar.

Eine Ausweitung der Regelung auch auf Selbstständige mahnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, an. Richtig sei aber das Ziel der Aktivrente, „mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über das Renteneintrittsalter hinaus in Beschäftigung zu halten oder wieder zu bringen“. Zugleich müssten daher Anreize für eine Frühverrentung gestrichen werden.

Linken-Fraktionschef Sören Pellmann kritisierte, die Antwort der CDU/CSU auf die Altersarmut sei: „Arbeitet doch länger und sorgt privat vor.“ Notwendig sei jedoch eine Reform des Rentensystems.

„Wir fordern, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben und eine einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von aktuell 1.400 Euro netto einzuführen“, erklärte Pellmann. Dies sei finanzierbar, „wenn endlich alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und die Beitragsbemessungsgrenze verdoppelt wird“.

Die Aktivrente ist Teil eines umfassenderen Rentenpakets der Regierung, zu dem auch die Stabilisierung des Rentenniveaus sowie der Einstieg in die kapitalgedeckte sogenannte Frühstartrente für Jüngere gehören. Gegen die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent gibt es in der Union allerdings Widerstände. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf mahnte daher in der Bild-Zeitung CDU und CSU, sie müssten „zu dem stehen, was fest verabredet ist“.

afp

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