Ärzteschaft protestiert gegen Verschiebung elektronischer Betäubungsmittelrezepte

Berlin – Die Einführung von elektronischen Betäubungsmittelrezepten (E-BtM-Rezept) ist aus Geldmangel vorerst verschoben. Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kritisieren das in einem gemeinsamen Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) scharf.
Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens kommt es erneut zu einer Verzögerung, diesmal jedoch nicht aufgrund von technischen Problemen, sondern weil für die notwendigen Vorarbeiten kein Geld da ist. Eigentlich sollten E-BtM-Rezepte ab dem 1. Juli 2025 zur Verfügung stehen.
In einem Schreiben an die Gesellschafter der Gematik, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt, teilte die Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Innovation im BMG, Susanne Ozegowski, allerdings Anfang Oktober mit, im kommenden Jahr würden für deren technische Umsetzung keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
Zwar seien die Vorbereitungen für die flächendeckende Einführung in der Gematik „nahezu abgeschlossen“. Nach Veröffentlichung der Spezifikation müsse nun aber auch die technische Umsetzung in den Primärsystemen, also unter anderem Praxisverwaltungs- und Krankenhausinformationssysteme, im E-Rezept-Fachdienst sowie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen.
Für die Umsetzung beim BfArM stünden nun allerdings keine Haushaltsmittel zu Verfügung, weswegen die notwendigen technischen Komponenten zur geplanten Frist nicht vollständig einsatzfähig sein würden, so Ozegowski in dem Schreiben,
BÄK und KBV zeigen für diese Erklärung wenig Verständnis. „Dass die rechtzeitige Einführung letztendlich an haushalterischen Herausforderungen beim BfArM scheitert, erscheint uns in Anbetracht der derzeitigen Dynamik der Digitalisierung im Gesundheitswesen, die sich nicht zuletzt in dem stark angewachsenen Haushalt der Gematik widerspiegelt, schwer nachvollziehbar und insbesondere der ärztlichen Fachöffentlichkeit nicht überzeugend kommunizierbar“, heißt es in einem Antwortschreiben, das dem DÄ ebenfalls vorliegt.
Neuer Zeitplan fehlt
Zudem habe Ozegowski keinen konkreten neuen Zeitplan vorgelegt. Es sei bei realistischer Einschätzung wohl davon auszugehen, dass im Jahr 2025 keine elektronischen BtM-Rezepte verordnet und eingelöst werden könnten.
Dies habe auch Konsequenzen für die elektronische Patientenakte (ePA). Die dort ab Anfang 2025 enthaltene Medikationsliste (eML) soll nämlich ebenfalls im Juli zum elektronischen Medikationsplan (eMP) ausgebaut werden, der mehr Möglichkeiten zum strukturierten Management der Arzneimitteltherapie bietet.
Die Verschiebung habe die Folge, dass eML und eMP nicht um BtM-Verordnungen angereichert werden und damit nicht für das digitale Medikationsmanagement in Verbindung mit einer Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung zur Verfügung stehen könnten.
„Dies ist aus medizinischer Perspektive besonders kritikwürdig, da für die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte gerade die Kenntnis zu Medikamenten aus Betäubungsmittel-Wirkstoffgruppen von besonderem Nutzen bei einer Vielzahl von Verordnungsentscheidungen ist“, schreiben Norbert Butz, Leiter des Dezernats Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung bei der BÄK, und Philipp Stachwitz, Leiter des Stabsbereichs Digitalisierung bei der KBV, an Ozegowski.
So würden existierende Mehrfachverordnungen von Betäubungsmitteln durch unterschiedliche Ärzte oder unerwünschte Arzneimittelinteraktionen unsichtbar bleiben. Diese seien jedoch hochrelevant, weil sich Überdosierungen ergeben könnten, die eine Patientengefährdung, bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen, nach sich ziehen könnten.
Zudem schmälere die Verschiebung erneut die Akzeptanz der Digitalisierungsmaßnahmen in der Ärzteschaft. Denn nun müsste für BtM – wie auch für Heil- und Hilfsmittelverordnungen – trotz der generellen Umstellung auf digitale Verordnungen weiterhin eine nicht mehr zeitgemäße technische Infrastruktur wie Nadeldrucker vorgehalten werden.
Auch BÄK-Präsident Klaus Reinhardt hat sich bereits öffentlich zu der Verschiebung eingelassen. „Dass ein solches Vorgehen die Digitalisierung im Gesundheitswesen konterkariert, versteht sich von selbst“, kritisierte er vergangene Woche beim 6. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie in Berlin. Er möchte das BMG deshalb bitten, zu prüfen, ob eine fristgerechte Umsetzung nicht doch möglich ist.
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