AfD scheitert mit Klagen um Ausschussvorsitze vor dem Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe – Im Streit um ihr Recht auf Ausschussvorsitzposten im Bundestag ist die AfD-Fraktion beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Zwei Organklagen der AfD blieben heute ohne Erfolg.
Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegen sich im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie, erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König.
Die Verfassungsrichter legten heute ein Augenmerk darauf, dass die Vorsitzenden eine besondere organisatorische Funktion erfüllen. Sie repräsentieren demnach den Ausschuss nach außen. Dies macht ein Vertrauensverhältnis der Ausschussmitglieder zu den jeweiligen Vorsitzenden erforderlich. Wenn hinreichende Gründe vorhanden sind, dass dieses gestört ist, können auch eine Abwahl oder Nichtwahl erfolgen.
Zwar müssten Ausschüsse die Zusammensetzung des Bundestags spiegeln, wenn sie Aufgaben des Plenums übernähmen oder dessen Entscheidungen vorbereiteten, das gelte aber nicht für organisatorische Funktionen, sagte König bei der Urteilsverkündung.
In der aktuellen Legislaturperiode hatten Kandidaten der AfD bei Wahlen zum Vorsitz von drei Bundestagsausschüssen – unter anderem im Gesundheitsausschuss – die erforderliche Mehrheit verpasst. Die Fraktion hat daher keinen Ausschussvorsitz inne – obwohl ihr nach der Stärke ihrer Fraktion drei zustehen würden.
Die AfD sah ihre Rechte auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf effektive Opposition und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestages verletzt und wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde an den Senat in Karlsruhe (Az. 2 BvE 10/21).
Bundestagsausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt. Welche Fraktion welchem Ausschuss vorsitzt, wird eigentlich im Ältestenrat ausgehandelt. Gibt es – wie nach der Bundestagswahl im September 2021 – keine Einigung, wird aus der Stärke der Fraktionen eine Zugriffsreihenfolge berechnet.
An die AfD waren in dieser Legislaturperiode so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen.
Weil es Widerspruch gab, wurde gewählt. Entsprechend gab es am 15. Dezember 2021 in allen drei Ausschüssen geheime Wahlen – und alle drei AfD-Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit deutlich. Ein zweiter Anlauf am 12. Januar 2022 endete mit dem gleichen Ergebnis. Bisher leiten die stellvertretenden Vorsitzenden die betroffenen Ausschüsse.
„Das Urteil stärkt das Parlament und die Rechte jedes einzelnen Abgeordneten“, sagte heute die amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Sie betonte, der Ausschuss habe „vielfach geheime, demokratische Wahlen über den Vorsitz durchgeführt“. Kein Kandidat der AfD habe dabei eine Mehrheit erhalten. „Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde nun bestätigt, dass damit nicht rechtswidrig gehandelt wurde."
„Die Ausschussvorsitze sind zu wichtig, als dass wir sie mit unqualifizierten Personen besetzen können“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, erklärte nach der Entscheidung aus Karlsruhe. Die Regierungsfraktionen würden nun vorschlagen, die Geschäftsordnung des Bundestags zu präzisieren, so dass es künftig klare Regeln für die Abwahl von Ausschussvorsitzenden und außerdem von Schriftführern im Bundestagspräsidium gebe.
„Mit dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben wir eine abschließende Klärung erzielt“, sagte der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher und Obmann der SPD-Bundestagsfraktion Christos Pantazis.
Erfreut zeigte sich dagegen der amtierende Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Christoph Hoffmann (FDP). „Niemand kann gezwungen werden, Abgeordnete einer Partei in Ämter zu wählen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde“, erklärte er.
Mit verhandelt wurde am obersten deutschen Verfassungsgericht auch eine Klage der AfD gegen die Abwahl des damaligen Rechtsausschuss-Vorsitzenden, Stephan Brandner, im November 2019 (Az. 2 BvE 1/20).
Nach mehreren Eklats hatten damals in der letzten Legislaturperiode alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten für dessen Abberufung gestimmt – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestages. Die Klage gegen die Abwahl hatte heute ebenfalls keinen Erfolg.
Brandner sagte nach dem Urteil, es sei ein „schwarzer Tag für den Parlamentarismus“. Mehrheiten könnten sich ändern, und „der ein oder andere von der jetzigen Mehrheit muss sich wahrscheinlich demnächst daran gewöhnen, dass auch seine Ausschussvorsitzenden mit absurden Erklärungen“ nicht gewählt würden.
Für die Unionsfraktion forderte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) in der Rheinischen Post, die AfD solle „die selbstgewählte Opferrolle endlich ablegen“.
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