Politik

Arzneimittel zur Tabakentwöhnung in engen Grenzen erstattungsfähig

  • Donnerstag, 15. Mai 2025
/ViDi Studio, stock.adobe.com
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Berlin – Arzneimittel zur Tabakentwöhnung können künftig auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Das beschloss heute der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Berlin. Konkret geht es um die Wirkstoffe Nikotin und Vareniclin. Bis Ärzte diese tatsächlich verschreiben können, dürften aber noch einige wenige Monate vergehen.

In Deutschland versuchen Hunderttausende Menschen pro Jahr mit dem Rauchen aufzuhören. Viele scheitern, doch einige schaffen es auch. Nun können Ärztinnen und Ärzte Aufhörwillige unter bestimmten Bedingungen unterstützen, indem sie ihnen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung verordnen. Allerdings sind die entsprechenden Medikamente nur in engen Grenzen erstattungsfähig, was Fachleute kritisieren.

So muss bei Patienten eine „schwere Tabakabhängigkeit“ vorliegen. Dabei reicht es laut G-BA-Beschluss nicht, nach den ICD-10-Kriterien tabakabhängig zu sein. Zusätzlich müssen in einem Fragebogen – dem Fagerström-Test – mindestens sechs Punkte erreicht werden.

Zudem liegt laut Beschluss eine „schwere Tabakabhängigkeit“ vor, wenn eine Abstinenz trotz bestehender Risikokonstellationen der Versicherten (beispielsweise COPD/Asthma, kardiale oder kardiovaskuläre Erkrankungen, Schwangerschaft) nicht gelingt.

Das im Jahr 2021 in Kraft getretene Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) legt fest, dass „Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung“ haben.

Zudem steht im Gesetz, dass Menschen, die nicht dauerhaft von den Zigaretten weggekommen sind, erst nach drei Jahren erneut Anspruch auf einen weiteren Versuch mit Kostenübernahme haben.

Auf Basis dieses Gesetzes hat der G-BA nun festgelegt, dass Ärztinnen und Ärzte künftig die beiden Wirkstoffe Nikotin und Vareniclin verordnen können. Nikotinarzneimittel sind als Mundspray, Pflaster, Lutschtablette und Kaugummi verfügbar. Vareniclin nimmt man in Tablettenform ein.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte im Auftrag des G-BA vier Substanzen unter die Lupe genommen. Dabei kam das Institut zu dem Schluss, dass die Gabe von Nikotin und Vareniclin schwer abhängigen Rauchenden beim Aufhören helfen kann.

Beide Substanzen binden an Nikotinrezeptoren im Gehirn und mildern die Entzugssymptome. Bei den ebenfalls zur Raucherentwöhnung eingesetzten Stoffen Bupropion und Cytisin fehlten Nachweise zur Wirksamkeit, so das IQWiG.

Der Beschluss des G-BA sieht – wie vom Gesetzgeber vorgegeben – vor, dass Nikotin und Vareniclin nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie „im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung zur Anwendung“ kommen. An solche Programme ‒ Online- und Präsenzkurse sowie Digitale Gesundheitsanwendungen ‒ stellt der G-BA bestimmte Anforderungen.

„Auf Basis des aktuellen medizinischen Erkenntnisstandes muss beispielsweise Hintergrundwissen zum Rauchverhalten und zur Tabakentwöhnung vermittelt werden“, schreibt der G-BA in einer Mitteilung. Weitere Anforderungen beträfen die Methodik und Dauer des Programms sowie die Qualifikation der Kursleitung bei Präsenz- und Onlinekursen.

„Für digitale Programme sind Anforderungen definiert, die sowohl den Vorgaben für digitale Angebote zur Prävention als auch dem derzeitigen gesetzlichen Rahmen für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) entsprechen“. Auf eigene Faust beispielsweise mit Nikotinkaugummis einen Rauchstopp versuchen, ist auf Kassenkosten nicht möglich.

Fachleute gehen davon aus, dass die Erstattungsfähigkeit mehr Menschen dazu bringen wird, einen Aufhörversuch zu starten. „Ich denke nicht, dass es zu einer Explosion der Zahlen kommt, aber schon zu einem leichten Anstieg“, sagte Anil Batra, Koordinator der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“, kürzlich dem Deutschen Ärzteblatt.

So dürfte die Erstattungsfähigkeit dazu führen, dass die Behandlung mehr als medizinisches Angebot und die Tabakabhängigkeit mehr als Erkrankung anerkannt werden. Zudem dürften in Zukunft mehr Ärzte ihre Patienten über diese Art von Entwöhnmöglichkeiten informieren.

An den strengen Kriterien, an die eine Erstattungsfähigkeit geknüpft ist, gibt es auch Kritik. So kritisierte Tobias Rüther, Leiter der Tabakambulanz des Klinikums der Universität München, kürzlich, dass die Medikamente nur in Kombination mit einer Entwöhntherapie innerhalb eines vom G-BA gesteckten Rahmens erstattungsfähig sind.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Vorgabe, dass eine Entwöhntherapie mit Arzneimitteln nur alle drei Jahre übernommen werden soll. „Das ist weit weg von der Realität von Suchtkranken“, sagte Batra. Wenn jemand stark abhängig ist, seien Rückfälle normal. „Dann mehrere Jahre warten zu müssen, bis man einen neuen Anlauf finanziert bekommt, erscheint mir nicht plausibel.“

Auch die Einschränkung, dass im Fagerström-Test mindestens sechs Punkte erreicht werden müssen, bemängeln Fachleute. „Was ist mit Patienten, die nicht die nötige Punktzahl erreichen, aber beispielsweise wiederholt am Aufhören gescheitert sind? Da kann man eine nötige Unterstützung doch auch gut begründen“, sagte Batra.

Der Beschluss des G-BA tritt nach rechtlicher Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Kraft. Danach wird dieser noch im Bundesanzeiger veröffentlicht. Ein Beschluss des Bewertungsausschusses für eine neue Abrechnungsziffer ist nicht erforderlich, weil es sich um eine Arzneimittelverordnung handelt, für die dem Arzt keine weiteren Dokumentationspflichten entstehen.

Da es sich darüber hinaus beim erforderlichen Fagerström-Test um einen Selbsttest handelt, wird auch dafür keine Abrechnungsziffer benötigt. Ärzte müssten dann in schätzungsweise etwa drei Monaten die Arzneimittel zur Tabakentwöhnung verordnen können.

fri

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