Baden-Württemberg will Krankenhauslandschaft umstrukturieren

Stuttgart – Auf Basis eines heute veröffentlichten Gutachtens will Baden-Württemberg seine Krankenhauslandschaft umstrukturieren. Dabei will das Land auch die Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Krankenhausreform des Bundes schaffen, die zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist. Die Reform sieht unter anderem vor, dass die Krankenhäuser nicht mehr nach Betten geplant werden, sondern nach medizinischen Leistungsgruppen.
Baden-Württemberg beabsichtigt, das Land in sechs Versorgungsregionen zu unterteilen: Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg, Tübingen und Ulm. Ab morgen sollen – nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens – Regionalgespräche in den einzelnen Regionen beginnen, zunächst in Tübingen und Ulm.
In den Gesprächen mit den örtlichen Landräten, Oberbürgermeistern und Krankenhausgeschäftsführungen sollen die Erkenntnisse und Empfehlungen des Gutachtens diskutiert werden. Zudem sollen die Inhalte des Gutachtens in den neuen Landeskrankenhausplan einfließen, der derzeit in Baden-Württemberg erarbeitet wird.
Das Gutachten, das von dem Beratungsunternehmen Partnerschaft Deutschland (PD) erstellt wurde, enthält neun Kernempfehlungen zur Umgestaltung der Krankenhauslandschaft.
Dazu zählen eine kleinteiligere Krankenhausplanung mittels Leistungsgruppen zur effizienten Bedarfsplanung und Zuweisung von Leistungsgruppen, eine Konzentration von Leistungen unter aktiver Steuerung des Ministeriums und eine Stärkung versorgungsrelevanter Krankenhäuser durch einen gezielteren Einsatz von Investitionsmitteln.
Zudem empfehlen die Gutachter eine Begleitung des Abbaus von überschüssigen Bettenkapazitäten, eine Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung sowie eine Nutzung neuer Technologien und länderübergreifende Analysen inklusive einer Abstimmung für eine zukünftige gemeinsame Planung.
Bundesweit geringste Fallzahl je 100.000 Einwohner
Das Gutachten beinhaltet auch eine Ist-Analyse. Demnach betrug die Zahl der im Jahresdurchschnitt aufgestellten Betten im Jahr 2022 53.552 Betten in 249 Krankenhäusern – ohne Bundeswehrkrankenhaus. 232 Standorte mit vollstationärem Fallspektrum wurden in dem Gutachten ausgewertet.
52 Prozent der Standorte befanden sich demnach in öffentlicher Trägerschaft, 26 Prozent in privater und 22 Prozent in freigemeinnütziger. Die Zahl der Krankenhausbetten in öffentlich-rechtlichen Häusern ist dem Krankenhaus Rating Report 2024 zufolge dabei noch deutlich höher. Sie lag 2022 bei 70 Prozent.
Dem PD-Gutachten zufolge wies Baden-Württemberg im Jahr 2022 im Bundesvergleich die geringste Anzahl an vollstationären Fällen und aufgestellten Betten je 100.000 Einwohner auf.
So lag die Anzahl der Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner bei 478. Im Bundesdurchschnittlich lag sie bei 573 und in Thüringen bei 715. Zudem gab es in Baden-Württemberg 2022 166 Krankenhausfälle pro 1.000 Einwohner. Im Bund waren es 201.
Bettenauslastung bei 70 Prozent
Der Bettenabbau in Baden-Württemberg betrug im Vergleich zu 2019 etwa vier Prozent, was dem bundesdeutschen Durchschnitt entspricht. Die Zahl der vollstationären Fälle im Land ging zwischen 2019 und 2023 hingegen um zwölf Prozent auf 1,9 Millionen zurück.
„Da die Fallzahlen von 2022 auf 2023 nur minimal gestiegen sind, kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass das Niveau der vollstationären Fälle aus dem Jahr 2019 zeitnah wieder erreicht wird“, heißt es in dem Gutachten.
„Baden-Württemberg hat eine der effizientesten Krankenhauslandschaften Deutschlands. Das haben uns die Gutachter bestätigt“, kommentierte der baden-württembergische Gesundheitsminister, Manne Lucha (Grüne), die Ergebnisse des Gutachtens.
Zugleich lag auch allerdings auch in Baden-Württemberg die Bettenauslastung mit 70 Prozent deutlich unterhalb eines Wertes, mit dem die Krankenhäuser ein gutes wirtschaftliches Ergebnis erzielen können.
Dabei gilt eine Bettenauslastung von 85 Prozent als wünschenswert, wie es zum Beispiel im Krankenhausplan 2000 des Landes Baden-Württemberg heißt. Im Bundesdurchschnitt lag die Bettenauslastung im Jahr 2022 PD zufolge bei 69 Prozent.
Rückgang der Fälle bis 2035 um zwölf Prozent
Das Gutachten enthält auch eine Prognose der Entwicklung der Fallzahlen bis zum Jahr 2035. Demnach beläuft sich der prognostizierte Gesamtfallzahlrückgang auf bis zu zwölf Prozent im Vergleich zu 2023. „Dabei wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass bis zum Jahr 2035 eine zunehmende Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen stattfinden wird“, heißt es in dem Gutachten.
„Infolgedessen wird die benötigte Anzahl an vollstationären Betten in Baden-Württemberg weiter sinken.“ Es ergebe sich ein Reduzierungspotenzial von bis zu 8.800 vollstationären Krankenhausbetten. „Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei voraussichtlich um den Abbau schon heute nicht genutzter Betten handelt, der zu keiner für die Patientinnen und Patienten spürbaren Verringerung an Kapazitäten führt“, erklären die Gutachter.
Lucha betonte: „Dieses Gutachten wird eine maßgebliche Grundlage sein, um die Krankenhausstrukturen Baden-Württembergs bedarfsgerecht und anhand einer Planung nach Leistungsgruppen weiterzuentwickeln.“
Aus dem Krankenhaus Rating Report gehen weitere Besonderheiten der baden-württembergischen Krankenhausstruktur hervor. Demnach haben die Krankenhäuser in Baden-Württemberg seit langem das höchste Insolvenzrisiko aller Länder. Im aktuellen Report hatten sie im Jahr 2022 eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 25 Prozent, während der Durchschnitt aller Länder bei zehn Prozent lag.
Besonders schlecht ist die wirtschaftliche Lage in den öffentlich-rechtlichen Häusern des Landes. Hier lag die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 40 Prozent. Im Bund lag dieser Wert bei 23 Prozent.
Zur Erklärung hatte Sebastian Krolop, einer der Autoren des Reports, einmal erklärt: „Je reicher die Kommune ist, desto unwirtschaftlicher ist oft das Krankenhaus.“ Denn die reichen Kommunen seien viel eher in der Lage, ein unwirtschaftliches Krankenhaus zu subventionieren, um es nicht schließen oder umstrukturieren zu müssen.
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