Barmer wirbt für gezielteres Impfen bei Risikogruppen

Berlin – In der Diskussion um die Reihenfolge bei der Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus hat die Krankenkasse Barmer ein Impfmodell entwickelt, dass auf eine schnellere Impfung innerhalb von Risikogruppen abzielt und damit schwere Verläufe und Todesfälle verhindert werden könnten.
Mit dem Modell könnte es doppelt so schnell gehen, Menschen mit Vorerkrankungen zu impfen und damit zu schützen, hieß es von der Kasse heute vor Journalisten. Um die Menschen zu identifizieren, die durch ihre Vorerkrankung einen besonders hohe Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf sowie Sterblichkeit haben, könnten die Daten der Krankenkassen deutlich besser genutzt werden, heißt es.
Dafür hat das Barmer Institut für Gesundheitsforschung (bifg) 66 Krankheiten identifiziert, die bei einer COVID-19-Infektion ein höheres Risiko zur Hospitalisierung, Beatmung sowie Sterblichkeit haben. Dazu zählen beispielsweise Trisomien, degenerative Hirnerkrankungen, Lungenmetastasen, Hämatologische Neubildungen, psychische Erkrankungen sowie Nierenversagen und HIV/Aids.
Ähnlich wie die Priorisierungsliste der Ständigen Impfkommission (STIKO) stehen auch auf den Barmer-Berechnungen Trisomien sowie Demenz-Erkrankungen weit oben auf der Liste. Psychische Erkrankungen, bei denen das bifg von einem 2,86-fachen Risiko einer Sterblichkeit ausgemacht hat, befindet sich derzeit in der Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums nicht auf der Liste und ist bei der STIKO-Empfehlungen in der Priorisierungsgruppe vier.
Die Barmer hält ihre Ergebnisse für den deutschen Versorgungskontext für spezifischer und deutlich ausgeweiteter. Man könne mit der Auswertung aus den Kassendaten das „Zusammenwirken von Alter und Multimorbidität sowie das Risiko schwerer COVID-19-Verläufe systematisch berücksichtigen“, erklärte Uwe Repschläger, Leiter des bifg.
Impfungen effektiver einsetzen
Mit dieser Analyse ließen sich bei gleicher Anzahl von wöchentlichen Impfungen, wie sie derzeit vorgesehen sind, „mehr Hospitalisierungen, Beatmungen und Todesfälle“, minimieren. In einem Modell hat das bifg zudem die vermeidbaren Todesfälle bei der vorgeschlagenen Optimierung der Impfreihenfolge errechnet: So könnten sich nach zehn Impftagen die Todesfälle an oder mit COVID-19 bei der „verfeinerten Priorisierung“ um 45 Prozent gesenkt werden.
Bereits nach 100 Tagen der Impfaktion, dies würde 14 Millionen Impfungen mit 28 Millionen Impfdosen bedeuten, geht das bifg von einer Reduktion von etwa 90 Prozent der Todesfälle aus. Bei einer Priorisierung laut der derzeitigen Impfverordnung längen dieser Wert bei 73 Prozent.
Mit diesem Konzept würden auch die Krankenhäuser deutlich schneller entlastet werden: So geht die Barmer nach etwa drei Wochen von einer Entlastung von etwa 25 Prozent aus, wenn nach dieser Priorisierung geimpft wird.
Auch die Notwendigkeit, Patienten beatmen zu müssen, können bereits nach zehn Impftagen um etwa 25 Prozent zurück gehen. Im Vergleich zur aktuellen Impfverordnung würde man diese Reduktion nur um sieben Prozent erreichen, so das Institut für Gesundheitssystemforschung.
Da die Impfungen bereits stattfinden, wurden in den Analysen der Barmer die Effekte auf die Impfungen der Menschen über 80 Jahren nicht mit eingerechnet.
Die Krankenkasse betont, dass ihr Konzept nicht als Kritik an den Empfehlungen vom Ethikrat, der Leopoldina sowie der STIKO zu verstehen seien. Nach Aussage von Kassenchef Christoph Straub sei das Konzept im Bundesgesundheitsministerium bekannt und man wolle nun weiter speziell mit den Landesgesundheitsministern ins Gespräch kommen.
Diese sind für die Impfeinladung zuständig. Auch mit anderen Krankenkassen wolle man sich dazu austauschen, um hier für den besseren Einsatz von Krankenkassendaten zu werben.
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