Behindertenbeauftragter kritisiert Barrierefreiheit für Arztpraxen

Berlin – Nach Ansicht des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, ist das Recht auf freie Arztwahl für Menschen mit Behinderungen in Deutschland eingeschränkt. Zu wenige Arztpraxen seien bisher barrierefrei, kritisierte er diese Woche bei einer Onlinefortbildung zu inklusiver Architektur der Bundesarchitektenkammer und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.
Rund 26 Prozent der Haus- und Facharztpraxen hätten einen „uneingeschränkt barrierefreien“ Zugang, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vom Oktober 2020 hervorgeht.
Ein mindestens „begrenzt barrierefreier“ Zugang werde von knapp 29 Prozent der Hausarztpraxen und 28 Prozent der fachärztlichen Praxen gewährleistet. Die Daten stammen aus einem Auszug des Bundesärzteregisters aus sieben Bundesländern. Eine „uneingeschränkt barrierefreie“ Praxis benötigt nach bundeseinheitlicher Systematik einen ebenerdigen Zugang, einen rollstuhlgerechten Aufzug sowie breite Türen und größere Bewegungsflächen.
„Die wenigsten ärztlichen Praxen geben an, zumindest teilweise barrierefrei zu sein. Das ist ein Qualitätsproblem im Gesundheitsbereich und definitiv nicht akzeptabel“, sagte Dusel. Daher wolle er Ärzte künftig bei der Übernahme bestehender Praxen stärker in die Pflicht nehmen, die Barrierefreiheit sicherzustellen. Zudem wünsche er sich ein finanzielles Förderprogramm speziell für den barrierefreien Umbau von Arztpraxen.
Ideen zur Finanzierung hatte auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in vergangenen Jahren vorgebracht. Bisher gibt es solch eine zugeschnittene Förderung nicht. Die Vorschriften bei Praxisübernahmen würden zudem die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder festlegen, so die KBV.
Auf ihren Informationsseiten zur Barrierefreiheit in Arztpraxen weitere sinnvolle Hilfen aufgeführt, wie beispielsweise eine verständliche Ausschilderung der Wege sowohl außerhalb als auch im Inneren der Praxis, die Möglichkeit zur Anmeldung per Fax, SMS oder E-Mail oder eine nicht blendende Beleuchtung.
Besonders für Menschen mit Seh-, Hör- oder geistiger Behinderung sei es zudem oftmals schwierig, sich verständlich zu machen. Entsprechende Sprach- und Kommunikationskenntnisse des Praxisteams würden den Zugang für Menschen mit Behinderungen weiter verbessern.
Doch komplett barrierefreie Praxis gebe es nur selten, räumt die KBV ein. Denn Barrierefreiheit habe Grenzen, beispielsweise wenn es in alten Häusern keinen Fahrstuhl gebe oder die Praxisräume sehr verwinkelt seien. Patienten sollten sich aber nicht scheuen, ihre Ärzte auf Verbesserungsvorschläge hinzuweisen, so die KBV.
„Barrierefreiheit ist keine Nettigkeit, sondern ein Menschenrecht – und darüber hinaus auch ein Wettbewerbsvorteil“, erklärte Dusel. Dafür brauche es kreative und intelligente Ideen seitens der Architekten, ergänzte Martin Müller, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, „um mit guten Beispielen auch die Barrieren in den Köpfen abzubauen und den Weg zu einer inklusiven Umwelt maßgeblich mitzugestalten.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: