Betriebsärzte wollen impfen, Pandemie belastet Arbeitnehmer psychisch

Berlin – Betriebsärzte sollten spätestens im Sommer, beziehungsweise dann, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht, flächendeckend in den Betrieben Impfungen gegen das SARS-Cov-2-Virus anbieten können.
Das forderte Hans Drechsler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) heute bei der digitalen Pressekonferenz anlässlich der 61. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Fachgesellschaft. Die Betriebsärzte impften bereits seit Dezember 2020 Beschäftigte in Kliniken gegen das SARS-Cov-2-Virus.
„In die Priorisierung wollen wir uns nicht einmischen – zum Impfen stehen wir bereit, auch um mehr Impfwillige zu erreichen“, betonte Drechsler. Die Coronaimpfverordnung gebe den Rahmen hierfür vor. Geklärt werden müssten aber noch Fragen wie Vergütung, der Bezug der Impfstoffe sowie die Organisation der Dokumentation und Meldepflicht.
Grundsätzlich hat nach Angaben der DGAUM jeder der 45 Millionen Beschäftigen in Deutschland Anspruch auf Versorgung durch einen der 12.000 Betriebsärzte. Neben Impfungen gehörten dazu auch eine Gefährdungsanalyse und die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter in dem jeweiligen Bereich.
Mit der Frage, was man aus der Coronapandemie für den Arbeitsschutz gelernt habe, befasste sich Michael Elschner vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Die Jahrestagung der DGAUM sollte ursprünglich im thüringischen Jena stattfinden. „Die Pandemie hat Missstände in Betrieben offenbart, beispielsweise in der Fleischindustrie, und gezeigt, dass Arbeits- und Infektionsschutz nicht voneinander zu trennen sind.“
Auch die zusätzlichen Belastungen von Pflegekräften durch das Infektionsrisiko ebenso wie die beispielsweise von Lieferdienstmitarbeitern wurden in diesem Sinne offensichtlich in der Pandemie. Die gesetzlich verankerten Gefährdungsbeurteilungen für Beschäftigte müssten auch deswegen in Bezug auf psychische Belastungen angepasst werden, forderte Elschner.
„In Zeiten der Pandemie haben die psychischen Belastungen für viele Arbeitnehmer deutlich zugenommen“, berichtete Jessica Lang, Vorstandsmitglied der DGAUM und Professorin für Betriebliche Gesundheitspsychologie an der RWTH Aachen. So sei die Arbeitsverdichtung gestiegen, indem viele Beschäftige an einer Videokonferenz nach der anderen teilnehmen müssten. „Vor der Pandemie hat es bei Kaffeepausen, Gängen oder Reisen zu Terminen immer Puffer gegeben, diese fallen nun weg“, sagte Lang.
Zugenommen habe auch der „Technostress“ bei der Arbeit. Nämlich dann, wenn die Technik etwa bei Videokonferenzen nicht funktioniere, das Internet ausfalle oder die technischen Kompetenzen noch nicht ausreichten, erklärte Lang. Im Homeoffice gebe es dann meist keine schnelle Abhilfe, wie sonst im Betrieb.
Auch die Konflikte am Arbeitsplatz haben Lang zufolge in der Pandemie zugenommen, etwa wenn Mitarbeiter die Kunden auffordern müssten, eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, oder den Abstand einzuhalten und diese sich weigerten. „All das verursacht Stress“, betonte Lang.
Wenngleich die Betriebe aktuell vermutlich keine Gefährdungsbeurteilungen erststellen ließen, seien sie in der Verantwortung, die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter auch während der Pandemie im Auge zu behalten, forderte Lang. „Prävention muss jetzt beginnen, schließlich wissen wir nicht, wie lange die Pandemie noch andauert.“
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