Politik

Betriebskranken­kassen schlagen radikales Aufräumen in Gesetzbüchern vor

  • Freitag, 24. Januar 2025
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Berlin – Der Dachverband der Betriebskrankenkassen hat sich für einen kompletten Neustart der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgesprochen. Das wurde gestern bei einer Pressekonferenz des Kassenverbands deutlich.

„Es macht keinen Sinn, 100 Forderungen an die Politik zu stellen, die dann drei Mal im Koalitionsvertrag Ver­sprechungen auflistet, die aber auch drei mal lächelnd von einem Finanzminister wieder kassiert werden“, er­klärte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, vor Journalisten in Berlin.

Daher stelle der Verband anlässlich dieser Bundestagswahl ein radikaleres Programm vor, das man nach Knieps mit diesem Slogan überschreiben könnte: „Liebes Gesundheitsministerium, lasst uns in Ruhe mit euren Ideen.“

Konkret will der Verband den vielen Sozialgesetzbüchern „einen neuen Geist einhauchen“. Diese müssten ganz neu geschrieben werden. Es müsse „transparenter, prägnanter, offen für Neues und vor allem für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten“ werden, so Knieps. Aus seiner Sicht seien die Sozialgesetzbücher „ein Buch voller Fehlanreize, Beschränkungen und Absurditäten, die verantwortlich für unsere allenfalls mittelmäßige und teure Versorgung sind“.

Daher mahnte er eine „Ermöglichungskultur" sowie eine „Innovationskultur“ an, in denen sich gute Versorgung entwickeln könnte. Dazu gehöre die Offenheit für die Einbeziehung und verbindliche Zusammenarbeit aller Ge­sundheitsfachberufe sowie ein Ende der Sektoren, digitale Vernetzung „wo immer sinnvoll und möglich.“ Ärztliche und pflegerische Leistungen müssten „ohne, am oder im Bett“ immer den gleichen rechtlichen Bedingungen unterliegen und honoriert werden, so Knieps.

Dabei fordert er auch mehr Freiheit für die Krankenkassen. „Die Krankenkassen mit ihrem Know-how einfach mal machen lassen. Wir Betriebskrankenkassen wissen, was unsere Versicherten brauchen und wie wir sie durch das Gesundheitssystem lotsen können“, so Knieps.

Dazu gehöre beispielsweise auch, dass Betriebsärztinnen und Betriebsärzte künftig mehr in der Versorgung über­nehmen können sollten. Dazu gehörten Prävention, aber beispielsweise auch Impfungen. „Präventionsprogramme in den Betrieben erreichen besonders auch Männer“, betonte Vorständin Anne-Kathrin Klemm.

Aus ihrer Sicht müsse die Politik – und damit auch der „neue Geist in den Sozialgesetzbüchern“ – einen starken Fokus auf die Gesunderhaltung der Bevölkerung haben. „Viel Geld hilft nicht, mir müssen stärker Prävention messbar machen und entsprechende Daten auswerten." Im Blick dabei hat sie auch die DMP-Programme, die reformiert werden müssten.

„Wir müssen bessere Versorgungspfade entwickeln, die dann alle Versichertengruppen erreicht.“ Auch müsse in den U-Untersuchungen bei Kindern, aber auch bei den Check-ups bei Erwachsenen mehr auf Präventionsem­pfeh­lungen gesetzt werden. Außerdem tritt der Verband dafür ein, dass das Thema Gesundheit auch in anderen Ressorts einer neuen Bundesregierung verankert wird, etwa bei Bildung, Verkehr und Umwelt.

Denn Prävention habe auch mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu tun: „Jede Krankheit, die verhindert werden kann, schont knappe Ressourcen und macht unser Gesundheitssystem klima- und umweltfreundlicher“, so Klemm. Das Gesundheitswesen habe mehr Emissionen als der Flugverkehr. Ein Beispiel: ein leeres Krankenhausbett verbraucht laut BKK-Dachverband 300 Liter Wasser pro Tag, ein belegtes 100 Liter Wasser.

„Zudem wurde das Thema Nachhaltigkeit von Krankenhäusern bei der Krankenhausreform gar nicht adressiert“, merkte Klemm an. Daher will der Verband, dass auch Krankenkassen Nachhaltigkeit von anderen Akteuren im Gesundheitswesen vertraglich einfordern können. Im Sozialgesetzbuch V müsse neben dem Wirtschaftlich­keitsgebot auch ein Nachhaltigkeitsgebot verankert werden.

Bei der Finanzierung des Gesundheitswesens fordern die beiden Vorstände des BKK-Dachverbandes mehr Ehrlichkeit von der Politik. Denn die deutlich gestiegenen Beiträge Anfang des Jahres hätten aus Sicht des Verbandes nicht sein müssen.

Hätten sich die letzten Bundesregierungen – und dazu zählen auch die Großen Koalitionen vor der Ampelregie­rung – „an Recht und Gesetz gehalten“, wären die Krankenkassen auf einen Schlag mit bis zu 21 Milliarden ent­lastet worden, so Vorständin Klemm. Das wären 1,1 Beitragspunkte. Dabei bezog sie vor allem auf die versiche­rungsfremden Leistungen an sowie auf die Zahlungen des Bundes für Empfänger von Bürgergeld.

bee

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