BMG legt Eckpunkte zur Reform der Pflegeversicherung vor

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat Eckpunkte für eine Reform der Pflegeversicherung vorgelegt. Darin werden die Vorschläge konkretisiert, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang Oktober vor Journalisten gemacht hatte.
Demnach plant das BMG, die Eigenanteile bei den Pflegekosten für die Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen zu begrenzen. Künftig sollen die Bewohner maximal 700 Euro pro Monat für einen Zeitraum von 36 Monaten für die Pflegekosten bezahlen; den Rest übernehmen die Pflegekassen, heißt es in dem Entwurf, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Derzeit liegen die Pflegekosten dem Verband der Ersatzkassen (vdek) zufolge bei durchschnittlich 768 Euro pro Monat. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Liegt der Eigenanteil für die Versicherten in Thüringen bei 490 Euro pro Monat, beträgt er in Baden-Württemberg 1.062 Euro.
Bundesländer sollen Teil der Investitionskosten zahlen
Die Kosten für die Pflege sind allerdings nur ein Teil der Kosten, die die Heimbewohner bezahlen müssen. Hinzu kommen Kosten für die Verpflegung, für die Unterkunft, für Investitionen sowie gegebenenfalls für Zusatzleistungen. Für die Investitionskosten sind eigentlich die Bundesländer zuständig. Wenn die Länder diese Kosten jedoch nicht bezahlen, können die Heime sie auf die Bewohner umlegen.
Durchschnittlich betragen die Investitionskosten laut vdek 455 Euro pro Monat. Den Eckpunkten zufolge sollen die Bundesländer „verbindlich“ einen monatlichen Zuschuss zu den Investitionskosten in Höhe von 100 Euro für jeden vollstationär versorgten Pflegebedürftigen bezahlen.
Darüber hinaus sollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen künftig bei der Suche nach freien Plätzen in Pflegeeinrichtungen mithilfe einer Internetplattform unterstützt werden, an die die Pflegeeinrichtungen ihre freien Kapazitäten und Angebote tagesaktuell melden.
Heilkundliche Aufgaben an Pflegekräfte übertragen
Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) wurde ein Strategieprozess begonnen, bei dem es um die Übertragung von heilkundlichen Aufgabe an Pflegefachpersonen geht. Ergebnisse gibt es bislang nicht.
In den Eckpunkten heißt es nun dazu: „Gut ausgebildete Pflegefachpersonen sollen mehr Verantwortung in der Versorgung übernehmen können und in geeigneten Bereichen (zum Beispiel Pflegehilfsmittel) eigenständige Verordnungsbefugnisse erhalten. Zudem sollen die Regelungen zu Modellvorhaben zu Heilkundeübertragung gangbar gemacht werden.“
Seit längerem sucht die Regierung nach einem Weg, die Vergütung für Altenpflegekräfte auf politischem Weg zu erhöhen. Wie Spahn schon Anfang Oktober angekündigt hatte, soll „die Entlohnung entsprechend Tarif für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen künftig Voraussetzung für die Zulassung zur Versorgung werden“.
Mehr Pflegehilfskräfte einsetzen
Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang hat im September den Abschlussbericht zu einem Personalbemessungsinstrument in der Langzeitpflege vorgelegt, den er im Auftrag des BMG erarbeitet hat. Ein zentrales Ergebnis ist, dass deutlich mehr Assistenzkräfte in der Altenpflege eingesetzt und die Aufgabenverteilung zwischen Fach- und Hilfskräften neu strukturiert werden sollte.
Mit der Reform der Pflegeversicherung will das BMG dafür die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schaffen, heißt es dazu in den Eckpunkten. Im Entwurf für ein Versorgungsverbesserungsgesetz sei im Vorgriff darauf bereits ein Sonderprogramm für die Finanzierung von bis zu 20.000 zusätzlichen Pflegehilfskräften in den vollstationären Einrichtungen vorgesehen.
Zudem wird in den Eckpunkten die Auflegung eines Modellprogramms für den Einsatz der Telepflege angekündigt. „Telepflege kann einen Beitrag für eine bessere und effizientere Versorgung leisten, pflegende Angehörige entlasten und neue Aufgabenfelder auch für gesundheitlich beeinträchtigte beruflich Pflegende eröffnen“, heißt es dazu.
Anreize für geriatrische Rehabilitation
Das BMG will künftig Anreize setzen, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. So sollen die Kosten für Maßnahmen der geriatrischen Rehabilitation für gesetzlich Versicherte über 70 Jahren in Zukunft zur Hälfte von der Pflegeversicherung getragen werden.
Geriatrische Rehabilitation könne helfen, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verzögern, sie könne weitere Verschlimmerungen verhindern und gesellschaftliche Teilhabe sichern.
Zudem sollen die Möglichkeiten erweitert werden, Kurzzeitpflege zu nutzen. „Die Pflegeselbstverwaltung wird deshalb verpflichtet, bessere Rahmenbedingungen für die Aushandlung wirtschaftlich tragfähiger Vergütungen und qualitätsgesicherter Leistungserbringung zu schaffen“, heißt es in den Eckpunkten.
„Die Pflegeversicherung wird die Stärkung der Kurzzeitpflege unterstützen, um eine finanzielle Überforderung der Betroffenen zu verhindern.“ Darüber hinaus werde eine neue Leistung „Übergangspflege nach Krankenhausbehandlung“ in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt.
Leistungen an Inflationsrate anpassen
Das BMG will mit der Reform auch die Leistungen der Pflegeversicherung erhöhen. So sollen die ambulante Pflegesachleistung, das Pflegegeld sowie die Tagespflege zum 1. Juli 2021 um fünf Prozent und ab 2023 regelhaft jährlich in Höhe der Inflationsrate angehoben werden. Für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel soll die Pauschale von derzeit 40 auf künftig 60 Euro pro Monat steigen.
Zudem sollen die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem Entlastungsbudget in Höhe von 3.300 Euro pro Jahr zusammengefasst werden. Die bisher vor Inanspruchnahme der Verhinderungspflege von Angehörigen verlangte Vorpflegezeit von sechs Monaten soll dabei abgeschafft werden.
Pflege-Bahr ausbauen
In den Eckpunkten betont das BMG, dass die Pflegeversicherung einen wichtigen Beitrag zur Absicherung elementarer Lebensrisiken leiste. Daher soll sie künftig einen pauschalen Zuschuss des Bundes erhalten. Zudem soll der Bund die Beitragszahlungen an die Rentenversicherung für Menschen übernehmen, die ihre Angehörigen Pflegen.
Schließlich will das Bundesgesundheitsministerium stärkere Anreize für eine private Vorsorge setzen. Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz wurde ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet, in den jedes Jahr 0,1 Prozentpunkte der Pflegeversicherungsbeiträge eingezahlt werden.
Ab 2035 soll das so angesparte Geld genutzt werden, um Beitragssteigerungen abzufangen, wenn der erste Jahrgang der sogenannten Babyboomer-Generation das 75. Lebensjahr erreicht. In den Eckpunkten ist vorgesehen, die Ansparphase bis zum Jahr 2050 zu verlängern.
„Um die Demografiefestigkeit der Sozialen Pflegeversicherung weiter zu stärken“, soll zudem der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Beitragssatzpunkte erhöht werden. Die dadurch eingenommenen Mittel werden dem Pflegevorsorgefonds zugeführt.
Mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz wurde 2013 der Pflege-Bahr eingeführt, bei dem der Staat eine private Altersvorsorge mit fünf Euro pro Monat bezuschusst. Den Eckpunkten zufolge soll dieser Zuschuss auf 15 Euro erhöht werden.
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