Bundestag stärkt Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch

Berlin – Der Bundestag hat ein Gesetz abgesegnet, das die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in Deutschland stärken soll. Das Plenum nahm das Gesetz am vergangenen Freitagabend mit den Stimmen aller Fraktionen und der Gruppe Die Linke an.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch bundesweit verbessern. Dafür sollen zusätzliche Strukturen entstehen, die neben der Aufklärung von Fällen auch eine bessere Prävention ermöglichen sollen.
Die Unterstützung von Betroffenen soll ausgebaut, das Amt der Missbrauchsbeauftragten aufgewertet werden. Die künftige Bundesregierung wird verpflichtet, das Amt der Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten in alle relevanten Gesetzgebungsverfahren einzubinden. Außerdem sieht das Gesetz eine künftige Berichtspflicht zur Arbeit der Missbrauchsbeauftragten an den Bundestag und den Bundesrat vor.
So werde es künftig möglich sein, dass die Missbrauchsbeauftragte – ähnlich wie etwa die Wehrbeauftragte des Bundes – jährlich einen Bericht an die beiden Verfassungsorgane richtet, in dem sie etwa besondere Missstände und Aspekte mit dringendem Handlungsbedarf aufzeigt.
Für Betroffene soll der Zugang zu Akten, die für die Aufarbeitung von Missbrauch relevant sein können, erleichtert werden. So werden durch das Gesetz künftig Jugendämter verpflichtet, Betroffenen Akteneinsicht zu gewähren und dazu Auskunft zu erteilen. Darüber hinaus soll auch die Medizinische Kinderschutzhotline verankert werden.
„Jeden Tag erleben über 50 Kinder in unserem Land sexuellen Missbrauch“, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Die Bundesregierung tue „alles dafür, dass Missbrauch verhindert, aufgearbeitet und bekämpft wird“, versicherte sie.
Betroffene von Missbrauch würdigten das neue Gesetz als wichtiges Signal. Der an das Amt der Missbrauchsbeauftragten angedockte Betroffenenrat sprach vom „Beginn staatlicher Verantwortungsübernahme“.
Die ebenfalls angedockte Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundes sieht trotz aller Freude über den Beschluss noch Aufgaben für die kommende Bundesregierung. Ihre Vorsitzende Julia Gebranden fordert unter anderem, dass Betroffene künftig ein umfassendes Akteneinsichtsrecht erhalten.
Das neue Gesetz sehe dies nur für die Kinder- und Jugendhilfe vor, es müsse aber auf Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen ausgeweitet werden, sagte Gebranden. Außerdem sei das neue Gesetz „keine Garantie“ dafür, dass Institutionen ihrer Verantwortung für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen gerecht würden. Die Kommission müsse die Pflicht zur Aufarbeitung durchsetzen können.
Mit dem Bundestagsbeschluss ist die wichtigste Hürde für das Gesetz genommen. Es kann damit nach der zweiten Befassung des Bundesrates und der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen.
Aus der Ärzteschaft kommen positive Stimmen. „Mit der Medizinischen Kinderschutzhotline werden Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und viele andere Berufsgruppen gestärkt, ihre wichtige Rolle im Kinderschutz zum bestmöglichen Wohl der Kinder und Jugendlichen wahrzunehmen“, sagte Jörg M. Fegert vom Universitätsklinikum Ulm.
„Angesichts dessen, dass wir als Ärztinnen und Ärzte alle Kinder sehen und viele Hinweise auf Gewalt oder Vernachlässigung medizinisch wahrnehmbare Folgen hinterlassen, ist die Zahl der Meldungen aus dem Gesundheitswesen zu niedrig“, erläuterte Oliver Berthold von den DRK Kliniken Berlin Westend.
Die Medizinische Kinderschutzhotline trage dazu bei, betroffene und gefährdete Kinder nicht nur früher zu erkennen, sondern auch zügig wirksame Hilfe einzuleiten.“ Die Medizinische Kinderschutzhotline ist unter 0800/1921000 rund um die Uhr erreichbar und richtet sich ausschließlich an Fachpersonal.
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