COVID-19: RKI warnt vor mehr Todesfällen in jüngeren Jahrgängen

Berlin – Der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, hat vor mehr COVID-19-Todesfällen in jüngeren Generationen gewarnt. Man solle nicht denken, man könne die Situation jetzt laufen lassen, da mehr ältere Menschen bereits geimpft seien, sagte Schaade heute vor Journalisten in Berlin.
Die Patienten auf den Intensivstationen seien im Schnitt jünger als in den bisherigen Phasen der Pandemie. Die Inzidenz, also die Zahl der Infizierten pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche, steige aktuell am meisten in der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen.
Derzeit beobachte man zwar noch einen langsamen Anstieg auf den Intensivstationen, doch werde sich das ändern, wenn die Infektionszahlen weiter steigen, erklärte Schaade. Er erwarte, dass an den Ostertagen die Situation ähnlich wie kurz vor Weihnachten geben könnte. Dann werde es auch mehr Menschen aus jüngeren Jahrgängen auf den Intensivstationen und unter den Toten geben.
Ostertage nur im engsten Familienkreis verbringen
Dies sei ein „rein statistischer Prozess“. Man müsse angesichts des exponentiellen Wachstums bei den Fallzahlen damit rechnen, dass in einigen Wochen auch wieder mehr Menschen an COVID-19 sterben.
Der RKI-Vize-Chef rief dazu auf, die Ostertage nur im engsten Kreis zu verbringen, auf Reisen möglichst zu verzichten und sich weiterhin an die Coronaregeln zu halten. „Mobilität und Kontakte sind die Treiber der Pandemie“, warnte Schaade. „Wenn an Ostern Menschen aus verschiedenen Regionen Deutschlands zusammenkommen, könnte die Pandemie zusätzlich angeheizt werden. Das müssen wir verhindern.“
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) appellierte, sich weiter gemeinsam anzustrengen. Bislang habe in Deutschland eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden können. „Das muss auch in den nächsten Wochen unser gemeinsames Ziel sein“, sagte Spahn.
Eine Belastung müsse aber ebenfalls vermieden werden. „Ich möchte nicht warten, bis die Intensivstationen voll sind.“ Dies sei immer auch mit Leid verbunden. Alle Modelle liefen derzeit darauf hinaus, dass sich die Intensivstationen wieder sehr stark füllten. „Ostern kann ganz anders laufen, als es viele erhofft haben."
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädierte indes erneut dafür, Erstimpfungen für Menschen aus Risikogruppen vorzuziehen. So könnten in der dritten Welle zwischen 8.000 und 14.000 Tote vermieden werden. Dabei solle aber nichts an der Priorisierung bei der Impfreihenfolge geändert werden.
Zahlen steigen eindeutig exponentiell
Der Anstieg der Coronainfektionszahlen in Deutschland verläuft nach Einschätzung des RKI wieder „ganz deutlich exponentiell“. „Das Infektionsgeschehen gewinnt an Dynamik“, sagte Schaade. Eine Zunahme von 5,6 binnen eines Tages – das hatte es bei der Zahl bundesweit binnen sieben Tagen gemeldeter Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner schon länger nicht mehr gegeben.
Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI heute bundesweit bei 95,6. Gestern hatte sie noch bei 90 gelegen. Einen mindestens ebenso rasanten Tagesanstieg hatte es zuletzt im Januar im Zuge der zweiten Welle gegeben – vom 9. auf den 10. Januar von 153,9 auf 162,2.
Ein Wert von mehr als 95 wurde zuletzt Ende Januar (98,1 am 28.1.) gemeldet. Danach war die Inzidenz noch einige Zeit gesunken, ein Tiefstand wurde mit 56,8 am 19. Februar erreicht. Seither geht es mit dem Wert wieder merklich aufwärts.
Angesichts der raschen Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante B.1.1.7 stünden „leider wieder schwere Wochen bevor“, sagte Schaade. Eine Verschlimmerung der Lage um Ostern, vergleichbar mit der Zeit vor Weihnachten, sei gut möglich.
„Dieser Anstieg der Fallzahlen ist real. Nach unseren Daten lässt er sich nicht damit erklären, dass mehr Schnelltests gemacht werden“, betonte er. Die ansteckendere und wohl auch tödlichere Variante B.1.1.7 wird nach RKI-Daten inzwischen in etwa drei von vier Fällen nachgewiesen.
Dass die neue Coronawelle sich zunehmend aufschaukelt, wird auch bei den erfassten Neuinfektionen deutlich. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten binnen eines Tages 17.482 Neuinfektionen – etwa 5.000 mehr als vor einer Woche. Auch Werte um 17.500 hatte es bei den täglich gemeldeten Neuinfektionen zuletzt im Januar gegeben.
Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 226 weitere Todesfälle registriert. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 12.834 Neuinfektionen und 252 neue Todesfälle verzeichnet. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zum Januar, in dem die Zahl neu erfasster Todesfälle häufig noch um die 900 oder gar 1.000 gelegen hatte.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich das Infektionsgeschehen stets verzögert in den Todeszahlen niederschlägt, weil zwischen Nachweis der Infektion und dem Tod häufig mehrere Wochen liegen. Die aktuell steigenden Fallzahlen werden sich also erst in einigen Wochen in der Todesfallstatistik niederschlagen.
Der Höchststand von 1.244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.629.750 nachgewiesene Infektionen mit SARS-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.401.700 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 74.358.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 1,12 (Vortag 1,06). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 112 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.
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