CSU erhöht Druck zu Abschaffung der Teillegalisierung von Cannabis

Berlin – Rund ein Jahr nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis verschärft die CSU den Druck auf Union und SPD, das von der SPD-geführten Ampelregierung beschlossene Gesetz dazu wieder abzuschaffen.
Das Reizthema liegt in den Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch. CDU und CSU hatten in ihrem Wahlprogramm angekündigt, das Legalisierungsgesetz wieder abzuschaffen. Anzeichen, dass die SPD dies mitträgt, gab es vorerst aber nicht.
„Wir wollen den Fehler der Ampel rückgängig machen und Cannabis wieder verbieten“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann der Augsburger Allgemeinen. Mit Blick auf den potenziellen Koalitionspartner SPD fügte er hinzu, die Innenminister der Länder sein sich da „im Übrigen parteiübergreifend einig“.
In den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ist das Thema strittig. Die Hoffnung, dass durch die Teillegalisierung von Cannabis die kriminelle Szene geschwächt würde, bezeichnete Herrmann als „total trügerisch“. Sie werde sich auch in Deutschland nicht erfüllen. „Wir erleben in Europa, wie Drogenbosse nun mit noch härteren Mitteln ihre Geschäfte betreiben“, sagte er.
Als weiteren Aspekt nannte Herrmann die Auswirkungen des Drogenkonsums im Straßenverkehr. „Formal sehen wir einen Rückgang von Drogendelikten, weil manches nicht mehr strafbar ist“, sagte er. „Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass im Straßenverkehr die Delikte im Zusammenhang mit Drogenkonsum zunehmen. Das ist eine erhebliche Gefahr, auch für Unbeteiligte.“
Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) plädierte in der Zeitung für einen Kurswechsel der künftigen Bundesregierung. „Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken muss jetzt rasch und vollständig zurückgenommen werden“, sagte sie. Die SPD forderte sie auf, bei den Koalitionsverhandlungen den Weg zu einer strikten Antidrogenpolitik freizumachen. „Mit der Ampelkoalition ist auch ihr gefährlicher Cannabis-Irrweg abgewählt worden“, argumentierte Gerlach.
Der Regierungswechsel biete nun „die Chance, die Verharmlosung dieser gefährlichen Droge zu beenden und wieder für mehr Gesundheitsschutz, insbesondere für Kinder und Jugendliche, zu sorgen“. Auch warnten Polizei und Justiz seit längerer Zeit, dass die Legalisierung „dem Schwarzmarkt und der organisierten Kriminalität Tür und Tor öffnet“.
Unabhängig von der Entscheidung der künftigen Bundesregierung setzt Bayern im Umgang mit Cannabis weiter auf Restriktionen. Dies gelte auch für das Erlaubnisverfahren zum Anbau von Cannabis in Anbauvereinigungen, kündigte Gerlach an. Bislang sei „noch keine einzige Erlaubnis erteilt worden“. Damit ist Bayern inzwischen das einzige Bundesland ohne legalen Cannabis-Anbau außerhalb von Privatwohnungen.
Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Alexander Poitz, kritisierte, das Gesetz sei weiterhin ein „Mängelexemplar“. Die Polizei habe täglich mit den „Unzulänglichkeiten“ des Gesetzes zu kämpfen, sagte Poitz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Auch die Bürger wurden durch „Unschärfen und fehlende Kontroll- sowie Nachweismöglichkeiten“ verunsichert. An jedem Tag, an dem das Gesetz nicht besser werde, werde „weder der Schwarzmarkt eingedämmt noch der Jugendschutz oder die Verkehrssicherheit verbessert“, betonte der Gewerkschafter.
Die Ampelregierung hatte das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis beschlossen, es gilt seit 1. April 2024. Besitz und kontrollierter Anbau zum privaten Gebrauch sind damit erlaubt, allerdings mit zahlreichen Einschränkungen.
Der Konsum im öffentlichen Raum ist beschränkt erlaubt – in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen und in der Nähe von Schulen, Kitas und Sportstätten etwa ist er verboten. Die Union kündigte schon früh an, das Gesetz wieder rückgängig machen zu wollen.
Das Thema ist auch in der Bevölkerung umstritten. Ein Zurück zum Verbot fände aber derzeit keine Mehrheit. Dass die Legalisierung rückgängig gemacht werden sollte, befürworten 38 Prozent, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presseagentur ergab.
Ebenfalls 38 Prozent sind dafür, die Legalisierung im bisherigen Rahmen zu belassen. Eine noch weitergehende Freigabe mit weniger Beschränkungen befürworten elf Prozent. Keine Angabe zu dieser Frage machten 13 Prozent.
Bei den Koalitionsverhandlungen biegen CDU, CSU und SPD zwar theoretisch auf die Zielgerade ein. Die kann aber noch sehr anstrengend werden. Am heutigen Montag setzen die Hauptverhandler ihre Gespräche fort. Es gibt noch viele Knackpunkte.
Zu den größten zählen die Finanzen. Im Bundeshaushalt 2025 sowie der Finanzplanung der kommenden Jahre klaffen ohnehin bereits Milliardenlöcher – obwohl die Lockerung der Spielräume bei der Verteidigung neue Spielräume eröffnet. Bei dem 500 Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz soll es sich um zusätzliche Investitionen handeln.
„Wir werden umfassend sparen müssen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Als Schwerpunkte der möglichen neuen Regierung nannte er neben der die Finanzplanung für den Bundesetat die Eindämmung der irregulären Migration und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die Wirtschaft steckt nach zwei Rezessionsjahren in einer Krise. Verbände machen Druck und fordern umfassende Reformen.
Dazu kommen strittige Vorschläge aus den Arbeitsgruppen. Beispiel: In der Familien-AG trat die SPD für ein kostenfreies Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen ein. Kostenpunkt laut Papier pro Jahr: Elf Milliarden Euro. Die Union lehnt das ab.
Der voraussichtliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, er habe das Gefühl, dass bei manchen Arbeitsgruppen die Überschrift laute: „Wünsch Dir was“. Es werde jetzt Aufgabe sein, das auf das mögliche Maß zu reduzieren.
Merz hatte ursprünglich angepeilt, bis spätestens Ostern eine neue Regierung zu bilden. Ostern ist in weniger als drei Wochen. Um das zu schaffen, müsste es aber in der anstehenden Woche eine Einigung geben.
Denn die SPD hat angekündigt, nach einer Einigung mit der Union auf einen Koalitionsvertrag ihre Mitglieder innerhalb von zehn Tagen darüber entscheiden lassen. Merz sowie auch SPD-Chef Lars Klingbeil hatten zuletzt aber betont, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Es scheint also fraglich, ob der Koalitionsvertrag bis Ostern steht – auch weil es noch große Brocken gibt.
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