Debatte um freiwillige Coronaisolation

Berlin – Das weitgehende Ende amtlich angeordneter Isolationspflichten für Coronainfizierte hat zu einer neuen Debatte geführt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die Pläne heute, die Union übte scharfe Kritik.
„Das hat nichts mit der Frage zu tun, öffnen wir mehr oder weniger“, sagte der Minister heute in Berlin. Es gehe um „eine technische Verbesserung, die den Gesundheitsämtern mehr Möglichkeiten geben wird, die Pandemie zu bewältigen“. Bei den derzeit hohen Fallzahlen kämen Anordnungen sehr oft unvollständig oder zu spät, wenn die Quarantäne schon abgelaufen sei.
Ziel sei, die Arbeit der Ämter auf die Bereiche zu konzentrieren, auf die es jetzt ankomme, erläuterte Lauterbach. So sollten die Kräfte gebündelt werden, um zumindest die besonders wichtige Isolation von infizierten Beschäftigten im Gesundheitswesen sicherzustellen. Dies schütze besonders verletzliche Gruppen.
Dazu komme, dass wegen der Routine mit Quarantänebenachrichtigungen viele Ämter vorbeugende Aufgaben der Pandemiebekämpfung nicht mehr wahrnehmen könnten – etwa die Identifikation großer Coronaausbrüche oder von Infektionsketten.
Dies zu beheben, sei der Grund für die Änderungen, sagte Lauterbach. „Hier geht es einzig und allein darum, die total überlasteten Gesundheitsämter so neu zu strukturieren, dass sie die Arbeit machen können, die jetzt am wichtigsten ist.“
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten sich gestern darauf verständigt, dass Infizierte und Kontaktpersonen ab dem 1. Mai in der Regel nur noch freiwillig und für kürzere Zeit in Isolierung oder Quarantäne müssen. Infizierten soll künftig noch „dringend empfohlen“ werden, sich für fünf Tage zu isolieren und Kontakte zu meiden. Für Kontaktpersonen von Infizierten soll es entsprechend gelten. Eine Anordnung des Gesundheitsamts fällt weg.
Strengere Vorgaben sollen für Beschäftigte in Gesundheitswesen und Pflege bleiben, die sich infiziert haben – mit weiter nötiger Anordnung und erforderlichem Negativtest am Ende.
Aus der Unionsfraktion kommt scharfe Kritik an den Plänen. „Im Klartext läuft das dann wirklich auf eine Durchseuchung der Bevölkerung hinaus“, sagte heute der Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU).
Frei sagte, die in der Vergangenheit erfolgten Verkürzungen der Quarantäne- und Isolationszeiten seien nachvollziehbar gewesen. Hier sei es etwa um die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur gegangen. Es solle „keine übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen“ geben – auch ein Freitesten aus der Isolation müsse immer möglich sein.
Wenn aber jemand einen positiven Test habe, sei es „wirklich inakzeptabel“, auf eine freiwillige Isolation zu setzen, sagte Frei. Es gehe um den Schutz der anderen vor einer Coronainfektion. Insgesamt sei er daher zu dem Vorstoß der Gesundheitsminister „sehr, sehr skeptisch“.
Frei warf der Bundesregierung auch eine inkonsistente Coronapolitik vor. Einerseits sei das Infektionsschutzgesetz so geändert worden, dass viele Coronaeindämmungsmaßnahmen wie Maskenpflichten weggefallen seien. Zudem soll nun die Isolation nur noch freiwillig sein.
Gleichzeitig aber wollten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) weiterhin eine allgemeine Impfpflicht gegen das Virus. „Das passt weder politisch noch verfassungsrechtlich hinten und vorne zusammen“, urteilte Frei.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge (CDU) begrüßte hingegen den geplanten Schritt hin Ende der Isolationspflicht. „Wir haben als Union schon vor einigen Tagen gesagt, wir müssen genau hinschauen, dass wir uns Überlastungssituationen in vielen Bereichen nicht dadurch quasi produzieren, dass die Menschen durch starre Quarantäneregelungen zuhause bleiben“, sagte er heute im ZDF-Morgenmagazin.
Es gebe viele milde und symptomlose Verläufe. „Wer sich krank fühlt, soll zuhause bleiben. Aber nicht, dass wir ständig anlasslos testen.“ Gleichzeitig müsse in bestimmten Bereichen genau hingeschaut werden, „damit eben risikobehaftete, ältere Menschen dadurch nicht gefährdet werden“, sagte Sorge.
Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, stellte sich hinter die Pläne der GMK. Entscheidend werde insbesondere „die Eigenverantwortung des Einzelnen sein, seine eigene und vor allem die Gesundheit der Mitmenschen zu schützen“, sagte Gassen der Rheinischen Post. Das sei ein richtiger Schritt der Politik, denn man könne nicht den Ausnahmezustand der vergangenen zwei Jahre einfach unbegrenzt fortschreiben.
Die Beibehaltung der Isolation von Mitarbeitern im Gesundheitswesen ist nach Ansicht von Gassen aber richtig: „Für Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen ja laut Gesundheitsministerkonferenz die Gesundheitsämter im Infektionsfall weiterhin ein Tätigkeitsverbot aussprechen – bei einer Verkürzung der sogenannten Absonderungszeit ab Mai von sieben auf fünf Tage“, so Gassen.
„Das ist vertretbar, auch vor dem Hintergrund der zwar immer noch hohen, aber insgesamt doch sinkenden Infektionszahlen.“ Der KBV-Chef betonte weiter: „Wir müssen als Gesellschaft lernen, mit Corona zu leben, denn das Virus wird nicht wieder einfach verschwinden.“
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