Debatten über Zuzahlungen und weitere Sparvorschläge

Berlin – Millionen Versicherte können nach langer Ungewissheit darauf hoffen, dass die Krankenkasse Anfang 2026 nicht schon wieder teurer wird. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will am kommenden Mittwoch ein Sparpaket von zwei Milliarden Euro ins Kabinett bringen, das den Druck für Beitragsanhebungen herausnehmen soll.
„Dann empfehlen wir, dass der Zusatzbeitrag stabil bleibt“, sagte sie im ARD-„Bericht aus Berlin“. Bremsen will sie vor allem Ausgaben für Kliniken. Warken will deshalb ein Sparpaket umsetzen, das zwei Milliarden Euro bringt.
Warken kündigte in der ARD an, dass auch bei der Pflegeversicherung eine Lücke von knapp zwei Milliarden Euro geschlossen werde, um den Beitrag stabil zu halten. „Da sind wir jetzt in den Endzügen uns zu einigen, wie wir diese Lücke schließen wollen.“
Ob die Maßnahmen realistisch sind und ausreichen, ist offen. Noch vor einigen Wochen war die Lücke in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf vier Milliarden Euro beziffert worden. Kritiker werfen der Regierung vor, sich die Lage schön zu rechnen.
Der Chef des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, sagte, ob die Maßnahmen reichten, um die durchschnittlichen Ausgaben mit den durchschnittlichen Einnahmen 2026 in Einklang zu bringen, werde Gegenstand der Beratungen im Schätzerkreis sein.
„Es geht Frau Warken erkennbar nur darum, über die nächsten Monate zu kommen. Statt die Finanzlücke im Gesundheitswesen endlich strukturell zu schließen, setzt sie auf Kürzungsstückwerk, das schon nächstes Jahr wieder aufbricht – laut Bundesrechnungshof um weitere sechs bis acht Milliarden Euro“, sagte Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Grünen im Bundestag. Es brauche Reformen, die das System nachhaltig stabilisierten, statt immer neue Notoperationen am offenen Herzen der Krankenkassen.
Angesichts der Finanzprobleme in der GKV hält die Debatte über weitere Ansatzpunkte an. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann bekräftigte Überlegungen in der schwarz-roten Koalition, alle gesetzlich Versicherten über höhere Zuzahlungen stärker zu belasten. Die SPD warnte hingegen vor Mehrbelastungen der Versicherten.
„Den Bereich Zuzahlungen muss man sich anschauen“, sagte Hoffmann der Augsburger Allgemeinen. Ein solches System müsse „mit der Zeit gehen“, zeigte er sich offen für Erhöhungen der Zuzahlungen der Versicherten für Medikamente, Krankenhausaufenthalte und weitere Leistungen. Keine Option sei für ihn hingegen eine weitere Anhebung der Kassenbeiträge, „weil die Lohnnebenkosten nicht noch weiter steigen dürfen“.
Unterstützung für die Sparvorschläge kam aus der Unionsfraktion. „Das Bundesgesundheitsministerium hat gute Vorschläge vorgelegt, wir unterstützen diese vollumfänglich, um noch vor dem Schätzerkreis Maßnahmen zu initiieren, die zur Stabilisierung des Systems führen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Simone Bochardt, der Funke Mediengruppe.
Vor zusätzlichen Belastungen für die Versicherten warnte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. „Wer sein Leben lang einzahlt, muss sich darauf verlassen können, dass Gesundheit keine Frage des Geldbeutels wird“, mahnte er im Spiegel. Zwar seien Sparanstrengungen notwendig, aber am Ende müsse „ein solidarisches und gerechtes Paket stehen, zu dem alle ihren Beitrag leisten, besonders auch diejenigen, die sehr viel haben“.
Die Linkspartei drang darauf, Menschen mit hohen Einkommen stärker zur Kasse zu bitten. „Anstatt über Leistungskürzungen zu reden, müssen wir endlich dafür sorgen, dass die Einnahmen wieder die Kosten decken“, verlangte Parteichefin Ines Schwerdtner. „Deshalb muss die Beitragsbemessungsgrenze sofort auf 15.000 Euro angehoben werden und irgendwann ganz fallen.“
Schwerdtner argumentierte, es sei „doppelt ungerecht, wenn eine Angestellte auf ihren gesamten Lohn Beiträge zahlen muss, während für den Chef die Beitragsbemessungsgrenze gilt“. Solche „Privilegien für Besserverdienende“ könne sich die Gesellschaft nicht mehr leisten.
Die Beitragsbemessungsgrenze ist der Grenzwert, bis zu dem Beiträge auf das Arbeitseinkommen erhoben werden. Darüber hinaus gehende Einkünfte bleiben beitragsfrei, ebenso wie beispielsweise Mieten und Kapitaleinkünfte. Vergangene Woche hatte das Bundeskabinett bereits eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorgenommen, um diese wie vorgeschrieben an die Lohnentwicklung anzupassen.
Laut Medienberichten könnte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) über die ersten Ankündigungen hinaus eine Anhebung der Zuzahlungen um 50 Prozent erwägen. Der Eigenbeitrag der Versicherten für Arzneimittel stiege demnach von mindestens fünf Euro auf 7,50 Euro, der Höchstbetrag würde von zehn auf 15 Euro steigen. Für einen Tag im Krankenhaus würden statt zehn Euro 15 Euro fällig. Das Gesundheitsministerium hatte am vergangenen Donnerstag aber mitgeteilt, eine Entscheidung dazu gebe es noch nicht.
Der Sozialverband VdK wandte sich unterdessen gegen Überlegungen in der Koalition für eine Abschaffung des Pflegegrads 1 in der Sozialen Pflegeversicherung. Angesichts des enormen Werts unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen seien solche Debatten „ein Schlag ins Gesicht der pflegenden Angehörigen“, kritisierte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Sie forderte eine einheitliche Pflegeversicherung, „in die alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen und die alle Einkommensarten berücksichtigt“.
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