Politik

Dengue: Bei Reiserückkehrern mit Verdacht ist nicht jeder Labortest valide

  • Dienstag, 29. August 2023
/tashatuvango, stock.adobe.com
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Berlin – Wenn eine Dengueinfektion als Verdacht im Raum steht oder Betroffene mit passenden Symptomen gar nicht verreist waren, sollte neben dem Test auf IgM- und IgG-Antikörper stets auch ein Denguevirus-NS-1-Antigentest veranlasst werden. Dazu rät unter anderem das Robert-Koch-Institut (RKI). Hintergrund sind Pres­se­meldungen zu Dengueinfektionen am italienischen Gardasee, bei denen es sich aber bisher um Ver­dachtsfälle handelt.

Um das Denguefieber zu diagnostizieren, wird häufig der Test auf Dengue-IgM-Antikörper verwendet. Fach­leute warnen nun, dass der Test alleine nicht aussagekräftig genug ist. „Dieser Test ist für sich ge­nommen wenig hilfreich, wenn man eine akute Denguevirusinfektion nachweisen will“, sagte Jonas Schmidt-Chanasit, stellvertretender Leiter des Nationalen Referenzzentrums für tropische Infektionserreger am Bern­hard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (BNITM), dem Deutschen Ärzte­blatt.

Das liege unter anderem an der serologischen Kreuzreaktivität mit anderen Flaviviren, zum Beispiel mit dem West-Nil-Virus oder FSME. „Gerade dann, wenn die Exposition in einem nicht Endemiegebiet stattgefunden hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher IgM-Test auch wirklich eine Infektion anzeigt, besonders schlecht, weil hier ja nach einem sehr seltenen Event gesucht wird“, erklärte auch die Infektionsepidemio­­login Christina Frank von der Abteilung für Infektionsepidemiologie am RKI.

Bisherige Erfahrungen zeigten, dass bei isolierten Verdachtsfällen aus nicht Endemiegebieten wie Südeuropa die Verlaufskontrollen nach einem isolierten IgM-Nachweis den Verdacht in den allermeisten Fällen nicht be­stäti­gen konnten. „Der Falsch-Positiven-Anteil ist in dieser Konstellation sehr hoch“, erläuterte Frank. In Deutsch­land selbst hat sich demnach bisher noch kein Verdacht auf Denguefieber durch Stechmückenüber­tragung ohne Reiseanam­nese bestätigt.

Diagnose mit Antigentest absichern

Gerade dann, wenn der Verdacht auf Denguevirusübertragung in Europa besteht, sollte es laut den beiden Epxerten vermie­den wer­den, sich allein auf den IgM-Test als Nachweis zu verlassen. Stattdessen ließe sich zu Beginn der Er­kran­kung und sogar teilweise bis in die Rekonvaleszenzphase Dengue-Virus NS-1-Antigen zuverlässig im Blut nachweisen.

„Dieser Virusdirektnachweis ist wesentlich spezifischer als der IgM-Antikörpertest“, betonte auch Schmidt-Chana­sit. Er plädiert ebenso wie die Fachleute vom RKI dafür, dass bei Dengueverdacht die Diagnose grund­sätzlich auch mit dem Dengue-NS-1-Antigentest gesichert wird.

Dies sollte man insbesondere dann tun, wenn den Symptomen keine Fernreise vorausgegangen war, aber ein begründeter Verdacht auf eine Denguevirusinfektion besteht – beispielsweise bei entsprechenden Sympto­men nach einer Tigermückenexposition.

„In der ersten Krankheitswoche kann auch der PCR-Test aus einer Blutprobe positiv sein“, sagte der Experte für Tropenmedizin, „aber mit dem kostengünstigeren NS-1-AG-Test ist dieses diagnostische Fenster ebenfalls ab­gedeckt.“

Wichtig ist die korrekte Diagnostik im Verdachts­fall nicht zuletzt deshalb, weil jede weitere Den­guevirusinfek­tion (Sekundärinfektion) ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf birgt. Da die Symptome wenig cha­rakteristisch sind und einem grippalen Infekt ähneln, kommt es umso mehr darauf an, bei solchen Fällen an die Reiseanamnese zu denken.

Einordnend ergänzen die Experten von RKI und BNITM, dass in den vergangenen Jahren zwar immer wieder kleinere Übertragungscluster aus Südeuropa bekannt geworden sind. Aber grund­sätzlich sind die Fallzahlen erwiesenermaßen autochthoner Denguefälle in Kroatien, Italien, Frankreich oder Spanien sehr gering.

Wie die Risikoanalyse eines Dengueclusters von zwei im vergangenen Jahr auf Ibiza infizierten deutschen Reisenden zeigt, handelt es sich meist um kleinräumige Übertragungscluster.

Dort ging die Infektionskette von einer bei einer Fernreise infizierten Person in der Nachbarschaft aus – der ursprüngliche Infektionsort war Mexiko. Ein erster autochthoner Ausbruch war im August 2020 im norditalienischen Vicenza berichtet worden, das Muster schon damals so ähnlich wie auf Ibiza.

In Deutschland wurden vor der Pandemie im Jahr 2019 1.176 Dengueerkrankungen bei Reiserück­kehrern ge­meldet. Am häufigsten infizieren sich Reisende aus Deutschland in Süd- und Südosta­sien sowie in Süd- und Mittelamerika (siehe Infokasten).

Laut den Survnet-Daten des RKI erfüllten von mehr als 4.000 Reiserückkehrern aus den Jahren 2013 bis 2018 mit gemeldeten Dengueinfektionen nur die allerwenigsten Diagnosekriterien für schweres Dengue. Keiner dieser Betroffenen wurde als verstorben gemeldet.

mls

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