Politik

Diskussion über „Sonderrechte“ für Coronageimpfte hält an

  • Montag, 4. Januar 2021
/picture alliance, Boris Roessler
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Bonn – Auch im neuen Jahr reißt die Diskussion über mögliche „Sonderrechte“ für Coronageimpfte nicht ab. Mehrere Politiker von Union und SPD wollen vorläufig keinen Unterschied machen zwischen Geimpf­ten und Nichtgeimpften, weil es möglich sei, dass Geimpfte sich mit dem Coronavirus infizieren, ohne krank zu werden, und andere daher trotzdem anstecken könnten.

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die ganze Diskussion sei eine „Phantomdebatte“, die viele verunsichere. Man wisse ein­fach noch nicht, ob Menschen nach einer Impfung wirklich nicht mehr ansteckend seien.

Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, argumentierte, so lange dies un­geklärt sei und so lange nicht alle Zugang zu Impfungen hätten, könne es keine „Sonderrechte“ geben.

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, dämpfte die Hoffnung, dass Geimpfte das Virus nicht weiterverbreiten. Bei Tierversuchen habe die Impfung zwar eine Erkrankung verhindert, doch es seien weiter Viren nachweisbar gewesen.

Sobald sich aber tatsächlich herausstelle, dass Geimpfte nicht mehr infektiös sind, sollten nach Ansicht von FDP-Vize Wolfgang Kubicki für sie alle Einschränkungen aufgehoben werden: „Das ist kein Corona­sonderrecht, sondern der Ausdruck unseres freiheitlichen Rechtsstaates.“

Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte der Zeitung, von „Privilegien“ könne keine Rede sein: „Wenn sich in Zukunft zeigen sollte, dass geimpfte Personen auch andere nicht anstecken können, entfiele ihnen gegenüber auch die verfassungsrechtliche Legitimation für Maßnahmen wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen oder die Maskenpflicht.“

Verfassungsrechtler Christoph Möllers plädierte für eine Unterscheidung anhand der betroffenen Grund­rechte: „Eine Demonstration, an der nur Geimpfte teilnehmen, wird man weder verbieten noch unter in­fektionsschutzrechtliche Auflagen stellen können. Bei geringfügigen Eingriffen wie einer Mas­ken­pflicht in der Fußgängerzone muss der Gesetzgeber aber wohl schon aus Praktikabilitätsgründen nicht nach dem Impfstatus differenzieren.“

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) möchte keine Vorrechte für Geimpfte. Das gelte auch für Menschen, die einsame Angehörige in Krankenhäusern oder Altenheimen besuchen wollten. Diese Ein­samkeit sei zwar eine „sehr ernste Frage“. Aber es dürfe „kein Druck auf Menschen ausgeübt werden, sich impfen zu lassen“, so Laschet.

In einer Situation, in der sich Millionen Menschen dringlich impfen lassen wollten, aber der Impfstoff zum Teil noch fehle, „erschließt sich mir nicht der Sinn solcher Drohdebatten, die die Akzeptanz gefähr­den“.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die gesamte Diskussion als „Luxusdebatte“. Er sagte der Rheinischen Post, man wisse noch nicht, ob geimpfte Menschen sich trotzdem mit dem Virus anste­cken können oder nicht: „Wäre das der Fall, wäre es sogar gefährlicher, Geimpfte ohne Maske und Ab­stand in Gaststätten oder Flugzeuge zu lassen, weil sie das Virus noch schneller weitergeben könnten.“ Es reiche, wenn man diese Debatte im Sommer beginne.

kna

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