Diskussion um Kostensteigerungen im Gesundheitswesen entbrannt

Berlin – Im Gesundheitswesen steigen die Kosten. Die Krankenkassen weisen seit langem darauf hin, dass ein Ende des Kostendrucks ohne Reformen kaum zu erreichen sein wird. Am Wochenende wiederholte das der Chef der Techniker Krankenkasse (TK). Aus der Politik kommen unterschiedliche Vorschläge.
In der Legislaturperiode der nächsten Regierung könnten die Krankenkassenbeiträge auf 20 Prozent steigen, sagte TK-Chef Jens Baas der Süddeutschen Zeitung. „Das wird in diesem Jahrzehnt noch passieren, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert.“
Er sei nicht optimistisch, dass es zu grundlegenden Reformen im Gesundheitssystem komme, fuhr er fort. „Die Politik will das nicht ändern, notwendige Umverteilungen oder Reformen sind eben alles andere als bequem“, sagte Baas.
Zu Jahresbeginn haben viele Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge so stark erhöht wie seit Jahrzehnten nicht. Die TK verlangt 17,05 Prozent, der Durchschnitt aller Kassen liegt laut TK bei rund 17,5 Prozent. Arbeitnehmer müssen die Hälfte davon aus ihrem Bruttolohn bezahlen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mahnte weitere Strukturreformen im Gesundheitswesen an. Die Kosten würden sonst weiter steigen, und „zwar erbarmungslos“, sagte er web.de. Lauterbach forderte unter anderem eine besser Vorbeugemedizin. Diese funktioniere in Deutschland nicht. „Es ist viel zu wenig gemacht worden, um Zuckerkrankheit, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden.“
Bei der Vorbeugung fehlten die Gesetze, dies werde eine wichtige Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, sagte Lauterbach weiter. Aus seiner Sicht würde nichts die Kosten und die Qualität des Gesundheitssystems mehr beeinflussen als funktionierende Vorsorge.
Einen positiven Effekt erhoffe er sich auch von der elektronischen Patientenakte (ePA), die vom 15. Januar an zunächst in drei Modellregionen getestet wird. „Mit der elektronischen Patientenakte wird es möglich sein, dass der Patient etwa bei einer Grippe oder einem Sportunfall per Videoschalte telemedizinisch behandelt werden kann“, sagte der Minister.
Der Arzt wiederum könne dort direkt alle Befunde einsehen. „Der Patient muss also gar nicht in die Praxis kommen. Von aktuell einer Milliarde Arzt-Patient-Kontakten kann so bis zu einem Drittel eingespart werden. Auch das senkt Kosten.“
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will zur Finanzierung der Krankenkassen auch Einkünfte aus Kapitalanlagen heranziehen. In einem Interview der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ kritisierte der Bundeswirtschaftsminister, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt sind. Ihm leuchte nicht ein, dass Arbeit höher belastet werde als Einkommen aus Kapitalanlagen.
„Und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (...) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte Habeck. Wenn auf diese Weise die Beitragsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung verbreitert werde, wäre dies „ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems“, betonte er.
Lauterbach reagierte mit einem Gegenvorschlag. „Bevor wir bei GKV Versicherten auch noch die Rücklagen für das Alter mit Beiträgen belasten, sollten wir privat Versicherte an Solidarität beteiligen“, schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X. „Sie zahlen für Familien, Arbeitslose, Geringverdiener, Menschen mit Behinderung nicht mit. Das ist falsch.“
FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einem „Abkassieren der Mittelschicht in Deutschland“. Habeck nehme damit auch eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Kauf, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
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