Erneuter Anlauf zur Widerspruchsregelung gleich nach der Wahl geplant

Berlin – Obwohl es vor den anstehenden Neuwahlen nicht mehr zu einer Abstimmung über eine Reform der Organspende kommt, schauen die Initiatorinnen und Initiatoren eines fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfes zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende optimistisch in die Zukunft.
Gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode wollen sie eine erneute parlamentarische Debatte dieses Themas anstoßen, wie Bundestagsabgeordnete von SPD (Sabine Dittmar), CDU (Gitta Connemann), Grünen (Armin Grau), FDP (Christoph Hoffmann), Linken (Petra Sitte) sowie der Patientenbeauftragte der Bundesregierung (Stefan Schwartze, SPD) heute gemeinsam in Berlin betonten.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden viele von ihnen auch dem neuen Parlament angehören, erklärten sie. Angesichts der Diskrepanz von niedrigen Spendezahlen, aber hoher Organspendebereitschaft in der Bevölkerung wollen sie sich dann mit Engagement weiterhin für die Einführung einer Widerspruchsregelung in Deutschland einsetzen und gleich zu Beginn der Legislatur ihren Gesetzentwurf, der jetzt dem Diskontinuitätsprinzip unterliegt, erneut ins parlamentarische Verfahren einbringen.
Tatsächlich ist einer heute veröffentlichten Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Zustimmung zur Organ- und Gewebespende in der Bevölkerung so hoch wie noch nie. 85 Prozent der Befragten stehen der BZgA zufolge der Organspende positiv gegenüber. Zudem gaben 62 Prozent der Befragten an, eine Entscheidung zur Organspende bereits getroffen zu haben. Allerdings haben nur 45 Prozent einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung.
Diese Daten basieren auf einer repräsentativen Befragung mit dem Titel „Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende 2024“, für die bundesweit 4.001 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren von April bis Mai 2024 befragt worden.
„Unser Gesetzentwurf war nicht für die Katz“, sagte Dittmar (SPD). Auch die jüngste Anhörung von Expertinnen und Experten im Gesundheitsausschuss hätte gezeigt, dass ein Paradigmenwechsel notwendig sei. „Zudem haben wir noch einige Punkte identifiziert, an denen wir nacharbeiten wollen.“ Dies beträfe die Phase der Nichteinwilligungsfähigkeit vor Eintritt des Hirntods sowie die Abläufe bei einer möglichen Organspende bei Menschen, die keine Angehörigen haben.
„Vor der Wahl ist nach der Wahl“, sagte auch Connemann (CDU). „Wir lassen uns nicht entmutigen, denn wir sind auf einem sehr guten Weg.“ Erstmals „marschiere“ man auch gemeinsam mit dem Bundesrat, der einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgelegt hätte.
Die Schirmherrin des Vereins „Organtransplantierte Ostfriesland“ verwies auf viele Menschen, die auf eine Reform der Organspende hofften. Eine gesetzlich verankerte Widerspruchsregelung würde die Zahl der Spenderorgane erhöhen und könnte viele Menschenleben retten, ist sie überzeugt.
Gleichzeitig könne die Einführung einer Widerspruchsregelung Konfliktsituationen für Angehörige minimieren, sagte der Grünen-Politiker und Neurologe Armin Grau. Die derzeitige Rechtslage bringe Angehörige oft in schwierige Situationen. Häufig seien sie mit der Entscheidung bezüglich Organspende überfordert und würden sich – wenn keine Willensbekundung vorläge – im Zweifelsfall dagegen entscheiden, bedauerte auch Sitte (Linke).
„Die Bürgerinnen und Bürger können trotzdem jederzeit von ihrem Recht auf Widerspruch Gebrauch machen“, sagte der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann. Notwendig sei eine klare Regelung, um eine Trendwende zu erreichen.
„Wir sind zwar alle sehr enttäuscht, dass es in dieser Legislaturperiode nicht mehr zur Abstimmung über unseren Gesetzentwurf gekommen ist“, sagte der Patientenbeauftragte Schwartze (SPD). Dennoch sei er optimistisch: „Ich habe das Gefühl, dass sich da gerade in der Gesellschaft etwas bewegt.“
Derzeit gilt in Deutschland die Entscheidungslösung, der zufolge nur Menschen Organspendender sind, die zu Lebzeiten explizit eingewilligt haben. Für diese gesetzliche Regelung hatte sich 2020 der Bundestag ausgesprochen. Ein Antrag, der eine Widerspruchslösung vorsah, fand damals keine Mehrheit.
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