Politik

Erstes Bundesland schließt Krankenhausreform nach Leistungsgruppen ab

  • Dienstag, 17. Dezember 2024
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (r, CDU) und Sascha Klein, Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), informieren bei einer Pressekonferenz über die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen./picture alliance, Rolf Vennenbernd
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (r, CDU) und Sascha Klein, Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), informieren bei einer Pressekonferenz über die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen./picture alliance, Rolf Vennenbernd

Düsseldorf – Die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist formell abgeschlossen. Die 330 Krankenhäuser haben gestern die endgültigen Feststellungsbescheide über ihr künftiges Leistungsspektrum er­halten. Das erklärte heute der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei einer Pressekonferenz.

Ab dem 1. April 2025 müssen die Kliniken die neue Krankenhausplanung nach Leistungsbereichen und -gruppen umgesetzt haben. Für gravierende Änderungen in den Krankenhäusern gelten längere Übergangsfristen.

Dafür sei das ganze Jahr 2025 vorgesehen, so Laumann. Diese gelten in den Leistungsgruppen der Kardiologie, Notfallversorgung, Orthopädie sowie in der Bariatrischen Chirurgie. Damit wird die bisherige Krankenhauspla­nung in NRW nach Betten abgelöst.

Insgesamt sieht der Plan vor, dass die Grund- und Regelversorgung für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Fahrtzeitminuten erreichbar sein soll. Zum Vergleich: Die bundesweite Krankenhausreform sieht eine Mindest­erreichbarkeit von 30 Minuten vor.

Für die Grund- und Regelversorgung sei zudem geplant, dass alle Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen diese künftig auch anbieten (Intensivmedizin, Allgemeine Chirurgie und Allgemeine Innere Medizin). Auch bei der Ge­burtshilfe drohten kaum Einschränkungen, so Laumann. Er sei dankbar für jede Klinik, die Geburten betreuen wolle.

Große Veränderungen

In anderen Bereichen bedeute die Reform große Veränderungen für die Kliniken. 236 Kliniken wollten die Leis­tungsgruppe Endoprothetik Hüfte machen, nur 137 Kliniken haben die Zuweisung erhalten (minus 42 Prozent). In der Endoprothetik Knie sieht es ähnlich aus, 214 Kliniken meldeten sich an und 136 Kliniken dürfen künftig künstliche Kniegelenke in NRW einsetzen (minus 36 Prozent).

Noch drastischer konzentriert das Land bei den Revisionen der Hüfte. 201 Kliniken wollten diese Leistung erbrin­gen, 79 dürfen es künftig (minus 60 Prozent). Bei den Revisionen Knie sind es 191 Kliniken, die dies operieren wollten, 75 haben den Bescheid erhalten (minus 60 Prozent).

Konzentration bei onkologischen Eingriffen vorgesehen

Auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen will das Land deutlich konzentrieren. Künftig dürfen in NRW 29 Kliniken Leberkrebs behandeln, 113 Kliniken hatten sich dies gewünscht (minus 74 Prozent). Zur Behandlung von Speiseröhrenkrebs sind 26 Kliniken berechtigt, 71 Kliniken wollten dies leisten (minus 63 Prozent).

In anderen Bereichen, die stark notfallrelevant sind, sei eine Konzentration kaum erwünscht. Dazu gehört die Leistungsgruppe Interventionelle Kardiologie. Von 165 Anträgen habe das Land 141 gebilligt (minus 14 Prozent), heißt es vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Düsseldorf (MAGS).

Im Bereich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen wurde demnach in der Regel allen Anträgen zuge­stimmt, die die Mindestkriterien erfüllen. So seien beispielsweise die Bedarfe in der psychiatrischen und psycho­somatischen Versorgung – auch als Folge der COVID-19-Pandemie – deutlich gestiegen.

Die Krankenhausreform schreibe nun Geschichte in Deutschland, betonte Laumann heute. Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt, dass es in der Zukunft kein Bundesland mehr geben werde, das nicht mit Leistungsgruppen die stationäre Landschaft planen würde. Deshalb habe NRW eine Art Vorbildfunktion für andere Bundesländer. „Wir können uns vor Einladungen auf Kongresse in anderen Bundesländern nicht retten“, so Laumann.

Bundesweite Krankenhausreform sei kompatibel

Im Hinblick auf die bundesweite Reform, die zum 1. Januar 2025 in Kraft tritt, zeigte sich Laumann entspannt. Die Bundesreform sei zum einen sehr kompatibel mit der NRW-Reform. Es bräuchte kein „neues Planungsverfahren“, um die Krankenhausreform auf Bundesebene in NRW umzusetzen.

Er erklärte aber auch, das zugrundeliegende Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) sei zwar formal in Kraft, eine kommende Bundesregierung könnte dieses aber auch nochmal ändern. Eine entsprechende Mehrheit für diese Regierung strebe er an, sagte Laumann hinsichtlich der geplanten Bundestagsneuwahlen am 23. Februar 2025.

„Die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser stehen nun vor einer Phase, in der vielerorts deutliche und teils auch schmerzhafte Veränderungen umgesetzt werden müssen. Wir sind zum Wandel bereit“, sagte heute Sascha Klein, Vize-Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW).

Es werde nun drauf ankommen, dass in diesem Prozess der Anspruch an ein lernendes System auch mit Leben gefüllt werde. Er pochte auf ein flexibles Vorgehen, wenn die Veränderungen ein Krankenhaus unbeabsichtigt in eine wirtschaftliche Schieflage bringen würden.

Klein begrüßte die begleitenden 2,5 Milliarden Euro, die das Land für die Umsetzung der Reform im Zeitraum von 2022 bis 2027 zur Verfügung stellen will. „Mit diesen Investitionsmitteln wird der Einstieg in die Umsetzung dieser Krankenhausplanung ermöglicht.“

Es sei ein wichtiges Signal, dass dieses Budget auch in Zeiten knapper Landeshaushalte unberührt bleibe. Ent­scheidend für eine stabile Krankenhausversorgung sei auch, dass für die Transformationskosten, die durch die Schließung von Abteilungen und ganzen Standorten entstehen, eine finanzielle Lösung gefunden werde.

Wohnortnahe Versorgung sei sichergestellt

Der Leiter der vdek-Landesvertretung NRW, Dirk Ruiss, begrüßte die neue Krankenhausplanung. „Wir sind uns sicher, dass durch die Leistungskonzentration bei gleichzeitigem Erhalt einer wohnortnahen Grundversorgung, die Qualität der Versorgung für unsere Versicherten spürbar zunehmen wird.“ Nun komme es darauf an, dass die Planungsvorgaben auch konsequent umgesetzt werde.

Die Krankenhausreform in NRW werde darüber hinaus Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung haben, be­tonte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Hans-Albert Gehle. „Bisherige „volle“ Weiterbildungs­be­fugnisse müssen angepasst werden, wenn neue Versorgungsaufträge das Leistungsspektrum eines Hauses ein­schränken.“ Dies werde ab 2026 greifen. „Bis dahin müssen Netzwerke geknüpft werden, die ärztliche Weiterbil­dung mit Verbünden und Rotationen möglich machen“, betonte Gehle.

Die Ärztekammern würden deshalb von der Landesregierung verbindliche Vorgaben zu regionalen und träger­über­greifenden Weiterbildungsverbünden erwarten, zum Beispiel im Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes. Dies gelte neben den speziellen chirurgischen Fächern wie Orthopädie und Unfallchirurgie auch für Quer­schnitts­­­fächer wie Anästhesie oder Radiologie.

Gehle pochte zudem auf eine bundesweite Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung in den Kliniken. Dies müsse man beachten, wenn man über eine neue Krankenhausfinanzierung nachdenke, sagte er in Richtung der bundes­weiten Krankenhausreform.

Intersektorale Auswirkungen wurden geprüft

Dass nicht nur die ärztliche Perspektive, sondern auch die der Pflegenden bei der Umsetzung der NRW-Reform wichtig gewesen sei, betonte Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen.

„Als junge Pflegekammer konnten wir erstmalig unsere berufsständische Perspektive einbringen und beispiels­weise darauf hinweisen, wenn intersektorale Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung zu befürchten waren oder wenn bei komplexen fachlichen Anforderungen, wie in der Pädiatrie oder Schwerstverbrennungsversorgung, Bedenken gegen die Bescheidung bestanden.“

Die Leistungsgruppen wurden in den vergangenen sechs Jahren mit der Krankenhausgesellschaft, Wissenschaft, Ärzteschaft, Pflege und den Kostenträgern gemeinsam erarbeitet, erklärte Laumann heute. Die Gruppen geben gewisse Qualitätsstandards mit Personalvorgaben, technischer Ausstattung und einer Fallzahl vor. Allerdings seien diese Planfallzahlen nicht in Stein gemeißelt, so der Minister.

Wenn ein Krankenhaus eine Leistung sehr gut mache, dann müsse dieses Haus auch in der Lage sein, mehr Fälle zu erbringen. Das bedeute im Umkehrschluss auch, dass in anderen Kliniken entsprechend weniger Fälle als ur­sprünglich geplant, erbracht werden könnten. „Ein bisschen Wettbewerb muss schon da sein“, so Laumann. Dies sei auch für Patientinnen und Patienten gut.

Das Verfahren zur neuen Krankenhausplanung in NRW startete mit einem Gutachten der Krankenhauslandschaft in NRW, das die Landesregierung 2018 in Auftrag gegeben hatte und 2019 veröffentlicht worden ist. Im Herbst 2022 konnten die Krankenhäuser ihre gewünschten Leistungsgruppen angeben. Bis Mai 2023 verhandelten die Krankenhäuser mit den Krankenkassen über die entsprechenden Leistungen.

In einem ersten Anhörungsverfahren wurden alle Beteiligten der Reform im Frühsommer 2024 informiert. Diese konnten anschließend Stellungnahmen zu der geplanten Leistungsplanung abgeben. Im November 2024 wurde ein zweites Anhörungsverfahren durchgeführt, dem weitere 160 Änderungen von Planungsentscheidungen folgten.

In diesem wurden beispielsweise für die Gefäßchirurgie in Aachen ein dritter Klinikstandort aufgenommen, da es Hinweise aus dem ambulanten Sektor gegeben habe, die darauf pochten, dass dieser sehr wichtig für die Versor­gung sei, erklärte eine Mitarbeiterin des MAGS heute. Nach diesen letzten Planungsentscheidungen versandte das Ministerium gestern die endgültigen Bescheide an die Kliniken.

Krankenhäuser können gegen die rechtsverbindlichen Bescheide gerichtlich vorgehen. Minister Laumann rechnet mit einigen Gerichtsverfahren.

cmk

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