Experten der Bundesregierung plädieren für Teil-Krankschreibung

Berlin – Beschäftigte in Deutschland sollten nach Ansicht des im Bundeskanzleramt angesiedelten Expertenrats für Gesundheitsfragen künftig Teil-Krankschreibungen nutzen können. Diese Möglichkeit solle geschaffen werden, wenn ein Teil der Arbeitsfähigkeit erhalten sei, sagte Ratsmitglied Wolfgang Hoffmann.
Einen ähnlichen Vorschlag hatte bereits im Oktober des vergangenen Jahres der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, gemacht. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte den Überlegungen damals aber eine Absage erteilt.
Eine weitere denkbare Maßnahme wäre Hoffmann zufolge auch, dass ein Urlaubsanspruch über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus nur während der tatsächlich geleisteten Arbeitstage erworben werden kann.
Diese Regelung könnte helfen, „den Anteil von Teil-Krankschreibungen zu erhöhen und die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken, aktiv an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren", hieß es in einer heute veröffentlichten Stellungnahme des Expertenrats „Gesundheit und Resilienz“.
Angesichts eines seit 20 Jahren steigenden Krankenstands der Beschäftigten in Deutschland raten die Expertinnen und Experten des Fachgremiums zudem dazu, die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention zu stärken.
Dazu gehörten auch ausreichende tatsächliche Erholungszeiten ohne Erreichbarkeit sowie betriebliche Impfprogramme. Darüber hinaus empfiehlt der Rat die Stärkung und den Ausbau der Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen. Das „Potential der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention zur Senkung der Krankheitslast in der arbeitenden Bevölkerung“ müsse besser genutzt werden, erklärte Hoffmann.
Als weitere staatliche Maßnahme hält der Expertenrat es für geboten, die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung beizubehalten. Der beobachtete deutliche Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage in den vergangenen Jahren sei „nicht auf die telefonische Krankschreibung, sondern auf eine bessere Erfassung“ der Zeiten durch die elektronische Übermittlung der Bescheinigung zurückzuführen, hieß es zur Begründung. Außerdem entlaste die telefonische Möglichkeit die Arztpraxen.
Die Fachleute wiesen auch darauf hin, dass die Zahl der erfassten Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Während zwischen 2017 und 2021 die durchschnittlichen Fehltage pro Beschäftigtem zwischen 10,6 und 11,2 Tagen lagen, stiegen sie 2022 auf 14,8 und 2023 auf 15,1 Tage. Atemwegserkrankungen sowie muskuloskelettale und psychische Erkrankungen sind demnach die häufigsten Gründe für Krankschreibungen.
„Der Krankenstand der Beschäftigten in Deutschland steigt seit zwanzig Jahren an“, erläuterte Reinhard Busse, Mitglied des Expertenrats. Der sprunghafte Anstieg von 2021 auf 2022 sei im Wesentlichen auf die elektronische Erfassung der Arbeitsunfähigkeitszeiten zurückzuführen.
Laut Busse liegt Deutschland im europäischen Vergleich bereits seit 2012 bei den Krankenständen auf dem Spitzenplatz. Die alternde Erwerbsbevölkerung dürfte die Fehlzeiten weiter ansteigen lassen, hieß es aus dem Gremium. Der Rat aus Expertinnen und Experten ist beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Es ist das Nachfolgegremium des Corona-Expertenrats.
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