Politik

Fachkreise: Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften unproblematisch

  • Montag, 13. Oktober 2025
Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages (Archivbild). /Kurz
Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages (Archivbild). /Kurz

Berlin – Die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) bedeuten aus Sicht mehrerer Sachverständiger Vorteile für Deutschland. Das verdeutlichten sie heute in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag sowie mit schriftlichen Stellungnahmen. Mythen in Bezug auf die IGV-Reform und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) traten sie entgegen.

Hintergrund ist ein Gesetzentwurf, der bereits Ende voriger Woche im Bundestag beraten wurde und der die Voraussetzungen für die völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik an Änderungen der IGV schaffen soll. Der Bundesrat hat bereits beschlossen, keine Einwände zu erheben.

Man unterstütze die vorgesehenen Anpassungen der IGV vollauf und begrüße mit Nachdruck, dass die Bundesregierung dieses Instrument zur grenzüberschreitenden Bekämpfung von Gesundheitsgefahren forciere, erklärte der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) zur Anhörung.

Als Befürworter zeigten sich in schriftlichen Äußerungen außerdem der Global Health Hub Germany, der Caritasverband und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO). Im Ausschuss betonte auch Michael Müller vom Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), man finde die IGV sehr nützlich und wichtig, um die Bevölkerung zu schützen.

Unter anderem der Mediziner Till Bärnighausen (Heidelberger Institute für Global Health - HIGH) und Pedro A. Villarreal, der an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu Globalem Gesundheitsrecht forscht, wiesen Behauptungen zurück, wonach Deutschland durch eine Zustimmung zu den IGV-Änderungen seine Souveränität an die WHO abgebe.

Experte: Keine Grundlage für Behauptungen

Davor seien Abgeordnete ebenso wie vor einer angeblich drohenden „Gesundheitsdiktatur“ der WHO in massenhaft verschickten E-Mails gewarnt worden, merkte unter anderem das SPD-Ausschussmitglied Serdar Yüksel an. Er sprach von viel kursierender Desinformation.

„Ich sehe im aktuellen Text keine Grundlage für diese Behauptungen“, sagte Villarreal. Die WHO könne auch nicht willkürlich eine Pandemie feststellen. Die Entscheidungshoheit über mögliche Maßnahmen im Pandemiefall bleibe zudem bei nationalen Behörden, die WHO könne auch in Zukunft nur Empfehlungen abgeben und niemanden beispielsweise zur Datenübermittlung zwingen.

Er sehe hier keinerlei Problem, betonte auch Bärnighausen. Vor allem die Länder, in denen Pandemien entstünden, würden etwas mehr in die Pflicht genommen, es den anderen Ländern schnell mitzuteilen. Er sprach von einer nur leichten Stärkung der WHO durch die IGV-Änderungen. Die Hauptmachtquelle der WHO liege in ihrer Expertise.

Prinzipiell greife die WHO nicht in die Souveränität der Mitgliedsstaaten ein, sie müsse sich in dem Punkt den Vorrednern anschließen, sagte auch die auf Vorschlag der AfD-Fraktion geladene Wissenschaftlerin Sibylle Pfeil, die sich aber dennoch für eine Absage an den Regierungsentwurf ausspricht.

Sie sprach von Strukturproblemen der WHO, etwa einer zu großen Abhängigkeit von zweckgebundenen Spenden und mangelnder Transparenz. Angebliche Fehler aus der Coronapandemie hielt ein weiterer auf AfD-Vorschlag geladener Jurist der WHO vor.

Ein VENRO-Sprecher sagte in der Anhörung, jährlich gingen bei der WHO rund 400 Risikosignale von möglichen grenzüberschreitenden Infektionsproblemen ein. Diese würden von der WHO bewertet, kommuniziert und mit internationalen Fachleuten besprochen. Dafür sei die WHO unabdingbar.

Was konkret geändert werden soll

Inhaltlich geht es zum Beispiel um Begriffe, die geschärft werden. So kann die WHO nicht mehr nur wie bisher eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ (PHEIC, Public Health Emergency of International Concern) ausrufen, sondern als Unterkategorie davon auch eine „pandemische Notlage“. Diese klare und international abgestimmte Definition helfe sehr und ermögliche ein besseres Eingreifen als globale Gemeinschaft, erläuterte Bärnighausen.

Zudem wurden beispielsweise Solidarität und Gerechtigkeit als Grundsätze aufgenommen, was der ungleichen globalen Verteilung von Produkten wie Impfstoffen während der Pandemie Rechnung trägt. Bei unklaren Ereignissen, die die öffentliche Gesundheit betreffen, besteht ein Gebot, die WHO weiterhin zu informieren und sich mit ihr rechtzeitig über geeignete Gesundheitsmaßnahmen abzustimmen. Zudem werden digitale Gesundheitsdokumente ermöglicht.

SWP-Experte Villarreal hob im Ausschuss noch die Bildung eines neuen Ausschusses hervor, der für die bisher teils lückenhafte Durchsetzung der IGV zuständig sein soll. Darin solle auf konstruktive Weise eine Zusammenarbeit gefördert werden. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main, wertete es als wichtig, dass die beteiligten Vertragsstaaten unter anderem Labor- und Präventionskapazitäten vorhalten sollen – und sich damit international Dinge verbessern würden, die hierzulande bereits funktionierten.

Diskussion schon vorige Woche im Bundestag

Bei einer Beratung des Gesetzentwurfs vergangene Woche kam es bereits zu einem Schlagabtausch zwischen Abgeordneten der Fraktionen von einerseits CDU/CSU, Grünen und Linken sowie andererseits der AfD.

Von unberechtigten kursierenden Behauptungen sprach Georg Kippels, parlamentarischer Staatssekretär für Gesundheit. Auch er versicherte, dass Deutschland seine nationale Souveränität nicht an die WHO abgebe und vielmehr die Bundesregierung und der Bundestag verantwortlich blieben für Entscheidungen in einer gesundheitlichen Notlage.

Die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum kritisierte die WHO scharf für ihre Rolle in der Coronapandemie und warnte: Die Änderungen bedeuteten, dass Deutschland in kritischen Situationen zunehmend Vorgaben einer internationalen Organisation befolgen müsse.

Der Bundestagsabgeordnete Armin Grau (Grüne) wies die Äußerungen der AfD als „gefährliche Unwahrheiten“ zurück. Die IGV sorgten etwa für die Früherkennung und Meldung von Krankheitsausbrüchen über Grenzen hinweg. Es brauche bei der Gesundheit mehr internationale Zusammenarbeit, nicht weniger.

ggr

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