Politik

G-BA stößt Beratungen zu Mindestmengen bei Morbus Hirschsprung an

  • Donnerstag, 21. August 2025
Morbus Hirschsprung /Pepermpron, stock.adobe.com
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Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will anspruchsvolle Korrekturoperationen wie bei der seltenen Fehlbildung Morbus Hirschsprung sowie bei der „anorektalen Fehlbildung“ (ARM) durch die Festlegung einer Mindestmenge absichern.

Zu Morbus Hirschsprung sollen nun Beratungen aufgenommen werden, wie das Gremium heute entschied. Bei AMR will das Gremium im September den Start der Beratungen beschließen, hieß es heute in der Plenumsdebatte.

Die Behandlung bei Morbus Hirschsprung der für Neugeborene lebensgefährlichen Fehlbildung des Darms soll damit am Ende auf Kliniken konzentriert werden, die Erfahrung bei diesem komplexen interdisziplinären Eingriff haben.

In den Jahren 2020 bis 2022 gab es laut einer Untersuchung des GKV-Spitzenverbandes 163 Behandlungsfälle bei Morbus Hirschsprung, die in 88 Kliniken operiert wurden. Nur einer dieser Standorte behandelte in dieser Zeit jährlich mindestens zehn Fälle, drei Kliniken versorgten mindestens fünf, aber weniger als zehn Fälle und 56 Standorte sogar weniger als einen Fall im Dreijahresdurchschnitt.

Dies schreibt der G-BA im Anschluss an die Entscheidung. Der Unparteiische Vorsitzende des Gremiums, Josef Hecken, zitierte daraus auch in der Sitzung. Für AMR gebe es ähnliche Zahlen: Hier würden 319 Fehlbildung in dem Zeitraum an 109 Klinikstandorten operiert.

Der G-BA kann planbare Leistungen im Krankenhaus ins Visier nehmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Durchführungshäufigkeit und der Behandlungsqualität besteht. Für diese Leistungen kann er auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse Mindestmengen festsetzen. „Mit den Mindestmengen, die wir festlegen, wollen wir niemanden ärgern. Wir sichern hier den Anspruch auf die optimale Versorgung“, so Hecken.

Um diesen Zusammenhang auch dann umfassend darzustellen, wenn es – wie bei seltenen Fehlbildungen – nur wenige Studien gibt, hat sich der G-BA im Fall der korrigierenden Chirurgie bei Morbus Hirschsprung auf ein ergänzendes methodisches Vorgehen verständigt.

Werden keine hinreichend aussagekräftigen Studien gefunden, kann unter Einbezug klinischer Expertinnen oder Experten eine Übertragung von einer anderen Population oder Intervention in Betracht gezogen werden. Hecken kündigte in seinen Ausführungen zu dem Tagesordnungspunkt an, dass es methodisch „sehr hohe Herausforderungen“ bei diesen Fehlbildungen gebe.

Beim Morbus Hirschsprung handelt es sich um eine seltene, aber komplexe angeborene Fehlbildung des Darms. Durch fehlende Nervenzellen kann es bei Neugeborenen zu einer lebensbedrohlichen partiellen Verengung des Dickdarms kommen, diese muss daher in den ersten Lebensmonaten chirurgisch korrigiert werden.

Ziel der Operation ist es, den erkrankten Abschnitt des Darms vollständig zu entfernen, ohne dabei wichtige Nerven oder Muskeln im Beckenbereich zu verletzen. So soll die Durchgängigkeit des Darms hergestellt und dabei die Funktion von Blase, Harnröhre und Schließmuskel erhalten bleiben.

Um eine operationsbedingte Folgeerkrankung zu vermeiden, empfehlen Leitlinien nach Aussagen des G-BA, dass solche Eingriffe in Zentren mit ausreichender Arbeitsroutine eines interdisziplinären Behandlungsteams erfolgen sollten.

Die Vorsitzende des Betroffenenverbandes SoMA, Annette Lemli, betonte die Wichtigkeit dieser Mindestmenge: „Alle Projekte der freiwilligen Qualitätssicherung sind in diesem Bereich gescheitert“, sagte sie als Vertreterin der Patientenvertretung im G-BA. „Es ist ein Ausmaß an Gelegenheitschirurgie entstanden, das nicht mehr hinnehmbar ist.“ Es sei eine „gesellschaftliche Verantwortung für die Kinder und ihrer Familien“, dass dies nun verbessert werde.

Mit Blick auf die Klage von drei Bundesländern zur Festlegung von Mindestmengen durch den G-BA betonte Hecken in der Sitzung, dass es bei so seltenen und planbaren Eingriffen zumutbar sei, nur wenige Standorte zu haben.

„Wo ist denn die Krankenhausplanung in den vergangenen Jahren gewesen, wenn es um diese seltenen Fragen ging?“, sagte Hecken, der sich bereits in einer Pressemitteilung zur Normenkontrollklage der Länder Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sehr kritisch geäußert hatte.

Er freue sich darauf, diese Qualitätsdiskussion auch beim Verfassungsgericht in Karlsruhe zu führen. „Die juristischen Fragen sind beim Thema Mindestmenge das eine. Die moralischen und ethischen Fragen, was wir jungen Menschen und ihren Familien antun, wenn wir planbare und komplexe Interventionen nicht mit optimaler Versorgung und Erfahrung im Team ermöglichen, ist eine andere“, so Hecken weiter.

Auch Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung, erklärte zum Thema in einer Mitteilung nach der Plenumssitzung: „Das Instrument der Mindestmengen für schwierige, aber planbare Behandlungen zeigt deutlich, was Qualitätssicherung für Patientinnen und Patienten leisten kann: Komplikationen vermeiden und Leben retten.“

Denn: „Die Mindestmengenregelungen des G-BA sollen bestmögliche Patientenversorgung durch Erfahrung und Spezialisierung sicherstellen. Sie helfen damit bundesweit, eine moderne, qualitativ verlässliche Krankenhausstruktur in Deutschland auszubauen.“

bee

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