Gesundheit und Pflege: Das steckt im Koalitionsvertrag

Berlin – Der Koalitionsvertrag steht. Es wurden 144 Seiten, neun davon befassen sich mit Gesundheit und Pflege. Für das Gesundheitswesen versprechen Union und SPD tiefgreifende strukturelle Reformen, eine Stabilisierung der Beiträge und einen schnelleren Zugang zu Terminen. Die Ziele sind damit vorgegeben, die genauen Wege bleiben oftmals vage. Es finden sich aber auch zahlreiche Details – etwa zu den Regressen der Ärzteschaft. Klar ist aber auch: Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt, wie deutlich gesagt wurde. Das wichtigste in einer Übersicht.
Ambulante Versorgung
Die ambulante Versorgung soll nach dem Willen der künftigen Regierungskoalition „gezielt“ verbessert werden – dabei sollen Wartezeiten für Patienten verringert und zugleich das Personal in den Praxen entlastet werden.
Gelingen soll dies mit der Umsetzung eines verbindlichen Primärarztsystems „bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag“. Ausnahmen sollen bei der Augenheilkunde und der Gynäkologie gelten.
Im Zusammenhang mit spezifischen schweren chronischen Erkrankungen soll es, so die Pläne, „geeignete Lösungen“ geben. Im Koalitionsvertrag wird beispielhaft auf das Instrument von Jahresüberweisungen sowie auf Fachinternisten als steuernde Primärärzte „im Einzelfall“ verwiesen.
Weiter heißt es, Primärärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) betriebene Rufnummer 116117 sollen den jeweiligen medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin und den dafür notwendigen Zeitkorridor festlegen.
Zudem solle es die flächendeckende „Möglichkeit einer strukturierten Ersteinschätzung über digitale Wege in Verbindung mit Telemedizin“ geben. Die KVen sollen bei der Terminvermittlung zu einer „Termingarantie“ verpflichtet werden. „Gelingt dies nicht, wird der Facharztzugang im Krankenhaus ambulant für diese Patientinnen und Patienten ermöglicht“, so der Koalitionsvertrag.
Genau diese – bereits im Ergebnispapier der im Zuge der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD eingesetzten Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege enthaltene – Passage hatte Christos Pantazis, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, jüngst höchst kritisch bewertet.
Angesichts der in den Kliniken vorhandenen Kapazitäten sei er „nicht sicher“, wie und ob ein solches Vorhaben umgesetzt werden könne. Ähnlich hatten sich weitere Gesundheitsexperten geäußert.
Anpassungen bei Vergütung
Mit dem Honorarsystem im ärztlichen Bereich thematisiert der Koalitionsvertrag ein weiteres zentrales Element der ambulanten Versorgung. Übergeordnetes Ziel: Eine Reduktion der Anzahl „nicht bedarfsgerechter Arztkontakte“. Genannt werden „Jahrespauschalen“ und eine „Flexibilisierung des Quartalsbezugs“, zudem soll die Vergütung von Praxis-Patienten-Kontakten ermöglicht werden.
Außerdem sollen mehr Ärztinnen und Ärzte ihre Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in einer Arztpraxis absolvieren können (zwei pro Weiterbilder) und die Kapazitäten der Weiterbildungsstellen für Kinderärztinnen und -ärzte ausgebaut werden. Genaueres zur Höhe und Ausgestaltung der neuen Vergütungselemente findet sich nicht.
Bei der angestrebten Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung setzen Union und SPD weiter auf die bislang in ihrer Wirkung überschaubaren sektorenunabhängigen Fallpauschalen (Hybrid-DRG). Diese sollen weiterentwickelt und „umfassend“ ermöglicht werden – konkreter, etwa zur Vergütungshöhe oder Leistungsumfang, werden die Planungen nicht.
Künftig sollen die Bundesländer in den Zulassungsausschüssen über eine „ausschlaggebende Stimme“ verfügen – auch ist eine „kleinteiligere Bedarfsplanung“ vorgesehen. Zwischen über- und unterversorgten Gebieten in Deutschland soll es einen „Fairnessausgleich“ geben.
Geprüft werden soll in unterversorgten Gebieten eine Entbudgetierung im fachärztlichen Bereich. In diesen Gebieten sollen zudem universitäre Lehrpraxen „vereinfacht ausgebracht“ werden können.
In (drohend) unterversorgten Gebieten soll es Zuschläge zum ärztlichen Honorar geben, in überversorgten Gebieten (größer 120 Prozent) Abschläge. Auch dies war schon Bestandteil des Ergebnispapiers Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege und unter anderem vom Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa) mit Blick auf die vorgesehenen Abschläge scharf kritisiert worden.
Geben soll es nach dem Willen der Koalitionäre ein Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ-Regulierungsgesetz). Mit einem solchen Gesetz soll „Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel“ sicherstellt werden.
Anpassungen soll es außerdem bei der telefonischen Krankschreibung geben: „Missbrauch“ solle künftig ausgeschlossen werden – zum Beispiel durch Ausschluss der Online-Krankschreibung durch private Online-Plattformen.
Geschaffen werden soll auch eine gesetzliche Regelung, die die Sozialversicherungsfreiheit von Ärzten im Bereitschaftsdienst ermöglicht. Zur Notfallversorgung insgesamt heißt es knapp, man werde „Gesetze zur Notfall- und Rettungsdienstreform“ auf den Weg bringen.
Krankenhauslandschaft
Für den stationären Bereich sieht der Koalitionsvertrag die Fortführung der Krankenhausreform vor. Gesetzliche Änderungen am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) für eine „qualitative, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft“ sollen bis Sommer 2025 umgesetzt sein. Die Ampelregierung hatte Ende vergangenes Jahr das KHVVG beschlossen. Die Länder bereiten derzeit die Umsetzung der Reform vor.
Die Änderungen sollen die Sicherstellung der Grund- (Innere, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe) und Notfallversorgung der Menschen besonders im ländlichen Raum besser ermöglichen. Dafür sollen den Ländern Ausnahmen und erweiterte Kooperationen ermöglicht werden.
„Sofort-Transformationskosten“, die noch als Lücke aus den Jahren 2022 und 2023 bestehen, sollen aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden. Eine konkrete Summe wird dafür nicht genannt. In einem ersten Ergebnispapier der schwarz-roten Koalition war diesbezüglich von einer einmaligen Unterstützung von vier Milliarden Euro die Rede. Zudem sollten in dieser ersten Version nur „bedarfsnotwendige“ Krankenhäuser das Geld erhalten. Dieser Zusatz ist nun gestrichen worden. Damit ist auszugehen, dass alle Krankenhäuser eine finanzielle Unterstützung erhalten sollen, unabhängig davon, ob sie die Krankenhausreform künftig überstehen könnten und für die Versorgung benötigt werden oder nicht.
Auch der bisher von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanzierte Anteil für den Transformationsfonds für Krankenhäuser soll aus dem Sondervermögen finanziert werden. Der Fonds soll die Krankenhäuser im Zeitraum von 2026 bis 2035 bei der Umsetzung der Ziele der Krankenhausreform – mehr Spezialisierung und Konzentration von Standorten – unterstützen.
Bislang ist vorgesehen, dass die Hälfte des Fonds (25 Milliarden Euro) durch Mittel aus dem Gesundheitsfonds, also durch Beiträge der Versicherten sowie der Arbeitgeber bezahlt werden sollten. Dagegen hatten die Kassen bereits Klagen angekündigt.
Zudem soll die Universitätsmedizin beim Transformationsfonds künftig angemessen berücksichtigt werden, heißt es im Koalitionsvertrag weiter. Das war zuletzt eine Forderung der Bundesländer.
Weiter soll die Definition der Fachkrankenhäuser überarbeitet werden, so dass die in den Ländern bestehenden und für die Versorgung relevanten Fachkliniken erhalten bleiben können. „Das System der belegärztlichen Versorgung erhalten und verbessern wir ohne Einbußen in der Qualität der Leistungserbringung“, erklären die Koalitionäre weiter.
Wie bereits schon in dem ersten Ergebnispapier der Koalitionäre angeklungen, soll die Zuweisung der 60 Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) und die spezielle Traumatologie zum 1. Januar 2027 durch die Bundesländer erfolgen. Bislang vorgesehen waren im KHVVG 65 Leistungsgruppen, die aber nicht alle technisch umgesetzt werden konnten. Nun soll die Krankenhausreform mit 61 Leistungsgruppen starten.
Zwischenfristen zur Umsetzung der Krankenhausreform sollen darüber hinaus angepasst werden. Erst ab 2028 soll die neue Vorhaltefinanzierung in zwei Schritten eingeführt werden. 2027 soll die Wirkung der Finanzierungsänderung transparent aufgezeigt und gegebenenfalls nachjustiert werden.
Wichtig ist auch, dass NRW vorerst nicht nachjustieren und etwa die neue Leistungsgruppe spezielle Traumatologie einführen muss. In den Bundesländern, die bis zum 31.12.2024 die Leistungsgruppen zugewiesen haben, bleiben diese rechtswirksam und werden als Basis für die Vergütung ab 2026 genutzt, heißt es im Papier. Diese Regelung gelte bis Ende 2030.
Zur Erklärung: NRW hatte als erstes Bundesland die Leistungsgruppenlogik bereits in den vergangenen Jahren erarbeitet. Der neue Krankenhausplan, der die Krankenhauslandschaft nach Leistungsgruppen und nicht mehr nach Betten beplant, wurde dort Ende 2024 fertiggestellt und ist am 1. April in Kraft getreten.
Die Vorgaben für die Leistungsgruppen, also wie viele Ärzte pro Leistungsgruppe in der Klinik arbeiten müssen und welche Gerätschaften vorgehalten werden müssen, sollen dem Koalitionsvertrag zufolge verändert werden, wenn es medizinisch sinnvoll ist.
Änderungen sind etwa in der konkreten Anrechenbarkeit von Ärzten in den Vorgaben der Leistungsgruppen vorgesehen. Im KHVVG war bei der Anrechenbarkeit eine Vollzeitstelle im Sinne von 40 Wochenstunden definiert, das will die schwarz-rote Koalition auf 38,5 Wochenstunden abändern.
Investiert werden soll zusätzlich unter anderem in den Krankenhausbereich, aber auch in die Hochschulklinik- und Pflegeinfrastruktur, um energetische Sanierungen und Digitalisierung voranzubringen. Hierfür werden allerdings keine konkreten Summen genannt.
Zudem sollen gesetzliche Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten geschaffen werden.
Union und SPD kündigen zudem – allerdings unter dem Stichwort „Gesundheitsberufe“ – eine „geeignete Personalbemessung im Krankenhaus“ an. Das könnte dennoch auf die Nutzung des von der Bundesärztekammer (BÄK) entwickelten Instruments zur ärztlichen Personalbemessung im Krankenhaus hindeuten.
Finanzen von Kranken- und Pflegeversicherung
Ein dickes Brett für die kommende Bundesregierung sind die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Pflegeversicherung. Die Arbeitsgruppe (AG) Gesundheit hatte dafür konkrete Vorschläge vorgelegt. Die Entlastung der GKV in Höhe von 25 Milliarden Euro beim Transformationsfonds hat es in das Papier geschafft (siehe stationäre Versorgung). Weitere Versprechungen werden nicht gemacht.
Die AG-Verhandler hatten in ihrem Papier zuvor konkret angeregt, dass die bisher nicht kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldempfänger aus Steuermitteln vollständig finanziert werden könnten. Dies sollte ihren Vorstellungen nach bereits im Jahr 2025 umgesetzt werden. Das würde die GKV um jährlich zehn Milliarden Euro entlasten.
Weiter sollte demnach der Bundeszuschuss an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen gekoppelt und dynamisiert werden. Dies würde dem Papier zufolge 720 Millionen Euro im Jahr 2026 kosten, 2027 müssten dafür voraussichtlich 1,5 Milliarden Euro und 2028 etwa 2,25 Milliarden Euro eingeplant werden.
Auch bei der Pflegeversicherung sollte der Bund versicherungsfremde Leistungen wie die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige und die Ausbildungsumlage übernehmen. Dies hatte bereits die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag 2021 versprochen. Dieses Vorhaben würde ab 2026 jährlich etwa vier Milliarden Euro kosten. Alle Punkte sind nicht konkret genannt.
Dennoch bescheinigen SPD und Union dem Thema eine hohe Priorität. So räumen beide Parteien ein, dass „hohe Defizite“ derzeit die Finanzsituation von GKV und sozialer Pflegeversicherung prägen. Dazu setze man auf ein Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen. Ziel ist es, die seit Jahren steigende Ausgabendynamik zu stoppen und die strukturelle Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen.
„Wir wollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auch langfristig stabilisieren und zugleich eine hohe Qualität und ein hohes Niveau der Leistungen sichern. Wir wollen die Einnahmen durch ein höheres Beschäftigungsniveau vergrößern und die Kosten auf der Ausgabenseite reduzieren.“
Konkretes soll dazu eine Kommission unter Beteiligung von Fachleuten und Sozialpartnern erarbeiten. „Wir wollen, dass die Kommission die gesundheitspolitischen Vorhaben dieses Koalitionsvertrags in der Gesamtwirkung betrachtet und bis zum Frühjahr 2027 Ableitungen trifft und konkrete weitere Maßnahmen vorschlägt“, heißt es im Koalitionspapier.
Bürokratieabbau
Die schwarz-rote Koalition will Bürokratie im Gesundheitswesen deutlich abbauen. „Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Ein Entwurf für ein Bürokratieabbaugesetz im Gesundheitsbereich liegt noch im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte in den vergangenen Jahren mehrfach versprochen, mit diesem Gesetz für Entbürokratisierung im Gesundheitswesen zu sorgen.
Allerdings hat dafür die Zeit der im November gebrochenen Ampelkoalition nicht mehr ausgereicht. Es ist davon auszugehen, dass die neue Regierung auf der Grundlage dieses Entwurfs Gesetzesänderungen anstreben wird.
Alle Gesetze im Gesundheitswesen sollen den schwarz-roten Koalitionären nun zufolge einem Praxischeck unterzogen werden. Datenschutzvorschriften und alle Berichts- und Dokumentationspflichten sollen auf zwingende Notwendigkeit überprüft werden. Und: Entsprechende Pflichten, die aufgrund der Coronapandemie eingeführt worden sind, sollen abgeschafft werden – allerdings ohne, dass die Vorsorge künftiger Pandemien gefährdet werden dürfe.
Zudem soll eine von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Behandlungs- und Pflegedokumentation ermöglicht werden. Ein „konsequent vereinfachtes und digitales Berichtswesen“ wird demnach angestrebt.
Im ambulanten Bereich soll zudem eine Bagatellgrenze von 300 Euro bei der Regressprüfung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte eingeführt werden. Entsprechende Regelungen sollen auch für andere Leistungserbringer gelten.
Weiter sollen Heil- und Hilfsmittel künftig einfacher verschrieben und abgerechnet werden können. Und: Die Prüfquote bei den Krankenhäusern soll gesenkt werden. „Ist eine Prüfung regelhaft nicht auffällig, sind die Prüffrequenzen anzupassen.“ Doppelstrukturen zur entsprechenden Prüfung sollen abgebaut werden.
Zudem sieht der Koalitionsvertrag vor, dass alle sozialversicherungsrechtlichen oder selbstverwaltenden Körperschaften des öffentlichen Rechts im Gesundheitswesen, die aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden, die gleiche Gehaltsstruktur abbilden sollen, die für die Mitarbeitenden der niedergelassenen Ärzteschaft, der Krankenhäuser und des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) gelten.
Künftig sollen sich die Gehälter der gesetzlichen Krankenkassen, des Medizinischen Dienstes und weiterer Akteure am Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) orientieren. Mit diesen Maßnahmen soll Geld eingespart werden.
Digitalisierung
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll nicht wie bislang geplant direkt bundesweit ausgerollt werden, sondern stufenweise zunächst in einer bundesweiten Testphase genutzt werden. Erst in einem letzten Schritt soll es eine verpflichtende sanktionsbewehrte Nutzung der Ärztinnen und Ärzte geben.
Das ähnelt der Ankündigung von Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der gestern erklärte, in wenigen Wochen soll die Testphase der ePA über die Modellregionen hinaus erweitert werden. Ärztinnen und Ärzte könnten zunächst freiwillig entscheiden, ob sie die ePA nutzen möchten.
Die ePA wird seit Mitte Januar in den drei Modellregionen Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen in rund 300 Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern getestet. Die Erfahrungen sind unterschiedlich, die Teilnehmenden hatten allerdings vor einem verfrühten bundesweiten Start deutlich gewarnt.
Der Koalitionsvertrag sieht darüber hinaus eine Vereinfachung des Austauschs zwischen Versicherungsträgern und Ärzten vor. Und: „Rahmenbedingungen und Honorierung für Videosprechstunden, Telemonitoring und Telepharmazie verbessern wir, um die Versorgung flächendeckend sicherzustellen“, lautet ein weiteres Vorhaben der künftigen Regierung. Diesbezüglich solle auch die Gematik zu einer „modernen Agentur“ weiterentwickelt werden, um die Akteure im Bereich Digitalisierung besser zu vernetzen.
Ein weiteres wichtiges Anliegen im Zuge der Digitalisierung wollen die Koalitionäre angehen. So sollen alle Anbieter von Software- und IT-Lösungen im Gesundheitswesen bis 2027 einen verlustfreien, unkomplizierten, digitalen Datenaustausch auf Basis einheitlich definierter Standards sicherstellen.
Ärztliche Ausbildung
Union und SPD wollen die Vergütungsstruktur im Praktischen Jahr (PJ) modernisieren, die mindestens dem BAföG-Satz entsprechen soll. Zudem wollen sie eine „gerechte und einheitliche“ Fehlzeitenregelung schaffen. „Die Kenntnisprüfung wird unter anderem mit einer stärkeren sprachlichen Komponente verbessert“, heißt es im Koalitionsvertrag, „und vorrangiger Zugang für die Anerkennung der Ausbildung ausländischer Ärzte.“ Die Novellierung der Approbationsordnung wird allerdings nicht erwähnt.
Universitätsmedizin und Medizinstudium
„Es braucht mehr klinische Forschung durch Bund und Länder zur Bekämpfung der großen Volkskrankheiten“, schreiben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. Deshalb wollen sie aus den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die derzeit aufgebaut werden, unter Einbeziehung der Helmholtz-Gemeinschaft „eine Spitzeninitiative der Hochschulmedizin formen und deren Förderung verstärken“.
Zudem soll das Netzwerk Universitätsmedizin verstetigt werden, das im April 2020 gegründet wurde, um die klinische COVID-19-Forschung der Universitätsklinika zu koordinieren.
Auch die Ziele des Masterplans Medizinstudium sollen weitergetragen werden. Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ wurde 2017 unter anderem beschlossen, um die hausärztliche Versorgung durch eine Reform des Medizinstudiums zu stärken.
„Voraussetzung ist eine Verständigung über Ausgestaltung und Finanzierung in einer Bund-Länder-Kommission“, heißt es im Koalitionsvertrag. An der Finanzierungsfrage war die Umsetzung des Masterplans in der Vergangenheit gescheitert.
Die Universitätsmedizin soll zudem „angemessen“ beim Transformationsfonds berücksichtigt werden, aus dem der Strukturwandel im Rahmen der Krankenhausreform des Bundes bezahlt werden soll.
Die Vorhaltepauschalen, die mit der Reform eingeführt werden, sollen sich für die Universitätsmedizin an den realen Kosten orientieren. Im heutigen DRG-System sind Universitätsklinika strukturell besonders stark unterfinanziert, weil die Vorhaltekosten hier besonders hoch sind.
Arbeitszeiten
In puncto Arbeitszeiten könnten auf die Beschäftigten Änderungen zukommen. Union und SPD wollen „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie“ die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen. Das soll mehr Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen, wie es heißt.
Ebenso auf der Agenda steht, die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten künftig „unbürokratisch“ zu regeln und für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorzusehen.
„Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt“, kündigen Union und SPD ein weiteres Vorhaben an. Als Vollzeitarbeit soll dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten.
Die konkrete Ausgestaltung soll in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern entwickelt werden.
Psychotherapie
Union und SPD wollen die Bedarfsplanung im Bereich der Psychotherapie im Hinblick auf Kinder und Jugendliche und auf die Verbesserung der Versorgung im ländlichen Raum anpassen sowie die Weiterbildungsfinanzierung in der Psychotherapie sicherstellen.
Regresse bei Hausärztinnen und Hausärzten wollen sie abschaffen, um eine bessere psychosomatische Grundversorgung durch Hausärzte zu ermöglichen. Wohnortnah sollen psychosomatische Institutsambulanzen umgesetzt werden.
Die Versorgung in der Fläche und in Akutsituationen wollen beide Parteien mit niedrigschwelligen Online-Beratungen und digitalen Gesundheitsanwendungen verbessern. Sie wollen „Vergütungsstrukturen anpassen“, um eine bedarfsgerechte Versorgung mit Blick zum Beispiel auf die Kurzzeittherapie zu ermöglichen. Und sie wollen eine Notversorgung durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten einführen sowie das Suizidpräventionsgesetz umsetzen.
Pflege
Union und SPD wollen den Leistungsumfang der Pflegeversicherung auf den Prüfstand stellen. Laut Koalitionsvertrag soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände noch in diesem Jahr die Grundlagen einer „großen Pflegereform“ erarbeiten und vorstellen. Zum Arbeitsauftrag der Kommission gehört insbesondere die Prüfung des Leistungsumfangs der Pflegeversicherung.
Zum Hintergrund: Mit der Einführung der Pflegegrade in Deutschland im Jahr 2017 wurde die Zahl der Leistungsempfänger ausgeweitet. Im Rahmen des demografischen Wandels stieg zudem die Zahl der Leistungsempfänger zuletzt schneller an, als die letzte Bundesregierung erwartet hatte. Im Ergebnis steht die gesetzliche Pflegeversicherung derzeit – trotz einer Anhebung der Beitragssätze zum Jahresbeginn – vor großen finanziellen Problemen.
Weitere Arbeitsaufträge für die Kommission sind eine Ausdifferenzierung der Leistungsarten, eine Bündelung und Fokussierung der Leistungen, Möglichkeiten zur Stärkung der pflegenden Angehörigen, die Schaffung von Angeboten für pflegerische Akutsituationen, eine Stärkung der sektorübergreifenden pflegerischen Versorgung, eine Herausnahme versicherungsfremder Leistungen – wie den Rentenversicherungsbeiträgen für pflegende Angehörige und die Ausbildungsumlage – aus der Pflegeversicherung und eine weitere Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile für Pflegeheimbewohner.
Kurzfristig will die neue Regierung die Gesetze auf den Weg bringen, die die Ampelkoalition bereits geschrieben, aber noch nicht verabschiedet hatte. Dazu zählen das Pflegekompetenzgesetz, das Pflegeassistenzeinführungsgesetz und ein Gesetz, mit dem das Berufsbild der „Advanced Practice Nurse“ in Deutschland eingeführt werden soll.
Um die Attraktivität der Pflege zu stärken, wollen Union und SPD „den kompetenzorientierten Fachpersonaleinsatz und die eigenständige Heilkundeausübung" ermöglichen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Zudem wollen beide Parteien die Eigenverantwortung und den Platz der Pflege in der Selbstverwaltung unter anderem dadurch stärken, dass die Pflege einen festen Sitz mit Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erhält. Vertreter der Pflege hatten das seit langem gefordert.
Auch die Leiharbeit wollen Union und SPD reformieren, die heute in Krankenhäusern zu Problemen führen kann, weil Leiharbeiter mehr verdienen und attraktivere Arbeitszeiten erhalten als angestellte Pflegende. „Wir erwirken geeignete Maßnahmen zur Reduktion der Unterschiede zwischen Leiharbeitnehmern und der Stammbelegschaft“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. „Mehrkosten zur Schaffung von Springerpools sowie entsprechende Vergütungen für das Personal werden ausgeglichen.“
Weiterhin streben Union und SPD an, das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz zusammenzuführen, die Freistellungsansprüche flexibler zu machen und den Kreis der Angehörigen zu erweitern. „Wir prüfen, wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Gesundheitsberufe
Union und SPD kündigen an, dass sie die Berufsgesetze für Ergo- und Physiotherapie sowie für die Logopädie zügig reformieren. Dabei lehnen sie eine ausschließliche Vollakademisierung für diese Berufe ab. Auch die Osteopathie soll berufsgesetzlich geregelt werden. „Zur Präventionsförderung“ wollen beiden Parteien die Forschung und Versorgung im Bereich von Naturheilkunde und Integrativer Medizin unterstützen.
Öffentlicher Gesundheitsdienst
Während die AG Gesundheit in ihrem Ergebnispapier noch eine Weiterführung des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) vorgeschlagen hatte, heißt es nun nur noch, dass man prüfe, wie man nach dem Ende des Paktes „in gemeinsamer Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen“ gemeinsam den ÖGD weiterhin unterstützen könne.
Abgesehen von diesem Punkt sind die Übereinstimmungen mit dem Ergebnispapier der AG zum Thema Prävention groß: „Krankheitsvermeidung, Gesundheitsförderung und Prävention spielen für uns eine wichtige Rolle“, heißt es.
Insbesondere Kinder sollen zielgruppenspezifisch, strukturiert und niederschwellig angesprochen werden. „Die bestehenden U-Untersuchungen werden erweitert und das Einladewesen für alle weiterentwickelt.“
Coronapandemie
Während im Ergebnispapier der AG Gesundheit noch keine Einigung in der Frage einer Aufarbeitung der Coronapandemie erreicht war, beabsichtigen die Koalitionäre nun, dass diese Zeit aufgearbeitet werden soll.
Als Format ist eine Enquete-Kommission vorgesehen – also eine Runde aus Abgeordneten und Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis, die in de Regel einen Abschlussbericht mit Empfehlungen vorlegen. Ziel sei insbesondere das Ableiten von Lehren für Pandemien der Zukunft, heißt es im Koalitionsvertrag..
Ausdrücklich wird zudem festgehalten, dass Menschen mit ME/CFS, Long- und Post COVID sowie PostVac weiter unterstützt werden müssten. „Wir stärken hierzu Versorgung und Forschung.“
Gesundheitsforschung und zielgruppengerechte Versorgung
In der Gesundheitsforschung planen die Koalitionäre Investitionen in ein länderübergreifendes Behandlungszentrum für Infektionskrankheiten in Mitteldeutschland im Kontext des Verbund der deutschen Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB). Davon war in den Ergebnissen der AG Gesundheit noch nicht die Rede.
Wenige Veränderungen im Vergleich zur AG Gesundheit gibt es bei weiteren Vorhaben: So ist weiterhin etwa ein Registergesetz zur besseren Datennutzung geplant. Betont wird, dass der Schutz sensibler Gesundheitsdaten „unabdingbar“ sei, man wolle auf eine konsequente Ahndung von Verstößen hinwirken. Ebenso sollen für klinische Studien Hürden abgebaut werden und Regelungen mit anderen EU-Staaten harmonisiert werden, etwa in der CAR-T-Zelltherapie.
Während innerhalb der AG Gesundheit noch keine Einigung über eine besondere Berücksichtigung gesundheitlicher Belange der queeren Community erreicht war, heißt es nun: „Medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung gestalten wir geschlechts- und diversitätssensibel (inklusive queere Menschen) aus […]“.
Biotechnologie als eine der Schlüsseltechnologien
Gesundheitsforschung wird von den Koalitionären im Kapitel Wissenschaft als eines der wichtigen strategische Forschungsfelder genannt. Sie soll auch mit Fokus auf personalisierte Medizin gestärkt werden. Bemühungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zur Gründung von Außenstellen wolle man unterstützen und im Bereich der onkologischen Forschung und klinischen Versorgung relevante Netzwerke ausbauen.
Neben Themen wie Künstlicher Intelligenz und klimaneutraler Mobilität wird Biotechnologie als eine der Schlüsseltechnologien genannt, auf die die Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes in einem ersten Schritt priorisiert werden soll. Gefördert werden soll aber insbesondere auch die Forschung zu Frauengesundheit und postinfektiösen Erkrankungen.
So ist vorgesehen, die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Therapien unter anderem durch die lebenswissenschaftliche, molekularbiologische und pharmazeutische Forschung zu fördern. Zudem soll eine Nationale Biobank als Grundlage für Präventions-, Präzisions- und personalisierte Medizin geschaffen werden. Generell ist von einer „Hightech Agenda für Deutschland“ die Rede.
Zum Thema Wissenschaftsfreiheit betonen die Koalitionäre, dass Deutschland in Zeiten globaler Polarisierung als „sicherer Hafen“ für Forschende aus aller Welt erhalten werden soll. „Mit einem „1.000 Köpfe-Programm“ werden wir internationale Talente gewinnen“, heißt es. Im Vergleich zu den Vorschlägen der Arbeitsgruppe der Unterhändler ist der ursprünglich vorgesehene Erhalt von Beratungsstrukturen für bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr erwähnt.
Fördern will die Koalition auch die Wissenschaftskommunikation. Sie müsse fester Bestandteil von Wissenschaft und Forschungsförderung sein, heißt es im Koalitionsvertrag. Dazu soll eine unabhängige Stiftung für Wissenschaftskommunikation und -journalismus gegründet werden.
Auf Gesundheitsbildung soll laut Koalitionsvertrag nun ein zusätzlicher Schwerpunkt gelegt werden, neben Demokratie- und digitaler Grundbildung.
Klima
Der Klimawandel hat eine erhebliche Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die größte Bedrohung für die Gesundheit der Menschen im 21. Jahrhundert. Deshalb haben ärztliche Organisationen Union und SPD aufgefordert, im Koalitionsvertrag die Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Gesundheitswesens aufzunehmen.
Im Koalitionsvertrag ist dazu jedoch nichts enthalten. Unter der Überschrift „Klima und Energie“ betonen die Koalitionäre allerdings, dass sie zu den deutschen und europäischen Klimazielen stehen, „wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss“. Dafür wollen beide Parteien das bisherige Ziel weiterverfolgen, eine Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 zu erreichen.
Globale Gesundheit
Im Unterschied zu US-Präsident Donald Trump will die künftige Bundesregierung sich weiterhin im Bereich der globalen Gesundheit engagieren. „Globale Gesundheit stärkt Sicherheit, Wohlstand und Resilienz“, heißt es im Koalitionsvertrag.
„Deutschland bringt gezielt Gesundheitsexpertise in die globale Politik ein. Dazu gehören Reformen bei WHO und UNAIDS, verstärkte Sekundierungen und mehr deutsche Expertise in Schlüsselpositionen. Gemeinsam mit unseren Partnern dämmen wir den Ausbruch und die Ausbreitung von Krankheiten im Globalen Süden ein. Forschung zu antimikrobiellen Resistenzen und eine nachhaltigere Gesundheitsfinanzierung treiben wir voran.“
Sucht und Prävention
Union und SPD wollen „geeignete Präventionsmaßnahmen“ umsetzen, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Alltagssüchten zu schützen. „Wir nehmen das zunehmende Problem der Suchtabhängigkeit – auch von neuen synthetischen Drogen – ernst“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Um den Folgen entgegenzuwirken, die von Gesundheitsgefährdung bis Gewaltbereitschaft und Verwahrlosung reichen können, sollen zusammen mit Partnern aus der Suchtprävention, Suchthilfe und Substitutionsmedizin gebündelte Maßnahmen erarbeitet werden. Zudem will die neue Regierung eine Regelung zur Abgabe von Lachgas und K.O.-Tropfen vorlegen.
Im Kapitel Familien nehmen sich die Koalitionäre eine Strategie „Mentale Gesundheit für junge Menschen“ mit den Schwerpunkten Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen vor. Ziel sei eine bessere Verzahnung von Bildung, Jugendhilfe und Gesundheit.
Keine Erwähnung mehr findet das Heraufsetzen von Energydrinks, wie es die Arbeitsgruppe Gesundheit noch vorgeschlagen hatte.
Cannabis
Nachdem die Ampelkoalition in der vergangenen Legislaturperiode die Legalisierung von Cannabis eingeführt hatte, wollen Union und SPD nun im Herbst 2025 eine „ergebnisoffene Evaluierung“ des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durchführen.
Organspende
Die Organspende findet im Koalitionsvertrag eine kurze Erwähnung. SPD und Union wollen die Zahl der Organ- und Gewebespenden „deutlich erhöhen“. Die Voraussetzungen sollen verbessert werden, Aufklärung und Bereitschaft gefördert werden, wie es heißt.
Schwangerschaft und Geburt
Beim umstrittenen Thema Schwangerschaftsabbruch bleibt der Vertrag unkonkret. SPD und Union wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, „in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen“.
Für Frauen in Konfliktsituationen will man den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Die Kostenübernahme durch die GKV soll „über die heutigen Regelungen hinaus“ ausgebaut werden. Zudem will man die medizinische Weiterbildung stärken.
Beim Zugang zu Verhütungsmitteln wollen die beiden Parteien prüfen, ob Frauen bis zum 24. Lebensjahr eine kostenfreie Abgabe von ärztlich verordneten Verhütungsmitteln erhalten sollen.
Unterstützung gibt es auch für ungewollt kinderlose Paare. Die Bundesinitiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“ soll fortgeführt und ausgebaut werden. Ebenso ausgebaut werden sollen die Frühen Hilfen als Präventionsmaßnahme zur Unterstützung, Begleitung und Beratung von Familien ab der Schwangerschaft. Das Müttergenesungswerk soll „langfristig“ abgesichert werden.
Das Thema Mutterschutz wollen SPD und Union auch für Selbstständige angehen. Geprüft werden sollen Modelle „analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte“.
Pharma und Apotheken
Steigenden Kosten für patentgeschützte Arzneimittel will die voraussichtlich nächste Bundesregierung mit einer Weiterentwicklung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) begegnen. Das solle insbesondere die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) eingeführten Leitplanken und die personalisierte Medizin betreffen.
„Dabei ermöglichen wir den Zugang zu innovativen Therapien und Arzneien und stellen gleichzeitig eine nachhaltig tragbare Finanzierung sicher“, heißt es im Koalitionsvertrag. Pharmadialog und Pharmastrategie sollen fortgesetzt werden.
Zur Stärkung der Versorgungsicherheit sollen zudem Produktionsstandorte für kritische Arzneimittel und Medizinprodukte nach Deutschland und Europa rückverlagert werden.
Grundlegende Reformen verspricht der Vertrag im Apothekenwesen. So soll die Vergütung künftig zwischen Apotheken und GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Bisher wird sie vom Bundesgesundheits- und dem Bundeswirtschaftsministerium festgelegt.
„Den Apothekerberuf entwickeln wir zu einem Heilberuf weiter“, schreiben die Koalitionäre. Es sollen in den Vor-Ort-Apotheken Strukturen für Präventionsleistungen ausgebaut, die Abgabe und der Austausch von Arzneimitteln erleichtert und die Betriebe von Bürokratie und Dokumentationspflichten entlastet werden.
Insbesondere im ländlichen Raum sollen Apotheken gestärkt werden. Das Apothekenpackungsfixum will die voraussichtlich nächste Bundesregierung einmalig auf 9,50 angehoben werden. Derzeit beträgt es 8,35 Euro. In Abhängigkeit vom Versorgungsstand soll die Erhöhung insbesondere für ländliche Apotheken noch stärker ausfallen und „in einem Korridor bis zu elf Euro betragen“.
Hinzu haben einige lange wiederholte Forderungen der Apothekerverbände den Weg in den Koalitionsvertrag geschafft. Nullretaxationen aus formalen Gründen sollen abgeschafft, das Skonti-Verbot aufgehoben und insbesondere bei Kühlketten und Nachweispflichten die Vorgaben für Vor-Ort- und Versandapotheken vereinheitlicht werden.
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