Politik

Gesundheitspolitik: Auf diese Themen setzen die Fraktionen im Bundestag

  • Freitag, 20. Juni 2025
Die 214. Plenarsitzung der 20. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag./picture alliance, Michael Kappeler
Die 214. Plenarsitzung der 20. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag./picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Angesichts enormer Herausforderungen – darunter der demografische Wandel, Finanzierungsprobleme und Fachkräftemangel – stehen in dieser Legislaturperiode einige Reformen und Änderungen in der Gesundheitspolitik an.

Vor allem die Stabilisierung der Krankenkassenfinanzen sowie Reformen in der Pflege, Krankenhauslandschaft und im ambulanten System werden die Gesundheitspolitik der nächsten vier Jahre bestimmen, erklärten die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU, SPD und Grünen sowie die Obfrau für Gesundheit der Linken kürzlich in Interviews mit dem Deutschen Ärzteblatt. Sie verrieten zudem, welche weiteren thematischen Schwerpunkte sie setzen wollen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Simone Borchardt (CDU), will als erstes die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stabilisieren. „Wenn wir gut sind, dann würden wir es sogar schaffen, die Krankenkassenbeiträge zu senken.“ Die geplante Kommission, die Vorschläge zu einer nachhaltigen GKV-Finanzierung erarbeiten soll, soll bereits früher als geplant aufgestellt werden und Ergebnisse vorlegen, erklärte sie. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sieht vor, dass dieses Gremium Ergebnisse bis zum Frühjahr 2027 erarbeiten soll.

Auch für Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, ist die Stabilisierung der GKV-Finanzen wichtig. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) habe aber verdeutlicht, dass diese Stabilisierung eine einmalige Sache sei. „Der Reformdruck, der besteht, darf nicht durch zusätzliches Geld abgeschwächt werden“, sagte der Neurochirurg.

Diese „Pflaster-Politik“ müsse bald ein Ende haben, betonte auch die Linken-Politikerin und Obfrau ihrer Fraktion im Gesundheitsausschuss, Julia-Christina Stange. „Wir müssen grundlegend an das System heran, bevor es zerbricht“, forderte die Fachkinderkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege, die 2025 erstmalig in den Bundestag eingezogen ist.

Ihre Partei wolle „mit eigenen Ideen ganz frisch Themen einbringen“, kündigte sie an. „Wir wollen der neuen Regierung sagen, wo sie hinschauen muss. Denn das Geld ist ja da, wir haben das teuerste Gesundheitswesen, aber man weiß nicht, wo das Geld genau ankommt.“

Keine Verwässerung der Krankenhausreform

Statt immer weiter zusätzlichem Geld brauche es „entschieden angegangene Reformen“, erklärte auch der SPD-Politiker Pantazis. Dazu gehöre die Weiterentwicklung der Krankenhausreform, die Notfallreform und das Pflegekompetenzgesetz. Bei der Krankenhausreform dürfe es nicht zu Verwässerungen kommen, warnte er. „Qualitätsverbesserung ist daher unsere Leitlinie, das sind wir den Patientinnen und Patienten schlichtweg schuldig.“

Dies sieht der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, ähnlich. Der Notfallmediziner setzt sich deutlich gegen ein Aufweichen der Krankenhausreform ein. Stattdessen brauche es dringend die zur Reform zugehörigen Rechtsverordnungen zu Mindestfallzahlen und Leistungsgruppen, drängt der Notfallmediziner.

Zudem müsse die Regierung schnell die Reform der Notfallversorgung und Rettungsdienste anstoßen, forderte Dahmen, der in der vergangenen Legislatur Teil der Regierungsfraktionen war und jetzt in der Opposition ist. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits eine Notfallreform angestoßen, diese wurde Ende vergangenen Jahres bereits im Bundestag beraten. Das vorzeitige Aus der Regierung im November 2024 führte aber zum Abbruch des Gesetzgebungsvorhabens.

„Dass die Reform erst im zweiten Halbjahr angegangen werden soll, heißt im Klartext: Die Umsetzung kommt womöglich erst 2026 oder 2027 – viel zu spät“, kritisierte Dahmen. Dabei ließen sich durch eine konsequente Umsetzung jährlich bis zu drei Milliarden Euro einsparen – Mittel, die an anderer Stelle dringend benötigt werden, erklärte der Grünen-Politiker.

Mehr Steuerung von Patienten geplant

Ein weiteres wichtiges Thema wird die Einführung eines Primärarztsystems. Borchardt zufolge könne man damit Patientinnen und Patienten besser steuern. „Mit dieser Steuerung könnten wir Ressourcen sinnvoller einsetzen auch angesichts des demografischen Wandels und eine bessere Versorgungsqualität sicherstellen“, zeigt sich die gelernte Krankenkassenbetriebswirtin und Gesundheitsökonomin überzeugt.

Ein gut gemachtes Primärversorgungsmodell stößt auch auf Zustimmung bei der Opposition, wenn es auf eine verpflichtende Einschreibung der Patientinnen und Patienten mit Dauer- oder Jahresüberweisungen für spezialisierte fachärztliche Behandlungen bei chronisch Kranken setze, so Dahmen. „Das Abrechnungssystem sollte zudem auf Jahrespauschalen umgestellt werden, um abrechnungsbedingte Arztkontakte spürbar zu reduzieren. Und wir müssen in der Primärversorgung weg von der persönlichen, arztzentrierten Leistungserbringung – hin zu echten Praxisteam-Leistungen“, schlägt der Grünen-Politiker vor.

Auch die Linken-Politikerin Stange will sich mit den ambulanten Themen, darunter dem Primärarztsystem beschäftigen. Ihr ist es zudem ein Anliegen, die Ausbildung in der Pflege wieder attraktiver zu gestalten.

„Es muss aufhören, nur über den Wandel zu reden. Strukturen müssen auch wirklich verändert werden, sodass man es bis weit in die Praxis hinein spüren kann“, forderte Stange. Ziel müsse sein, nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Sie wolle vor allem mit ihren zwei neuen Kolleginnen, ebenfalls Pflegefachkräfte, nun in den Gesetzgebungsverfahren auf die Probleme in der Praxis hinweisen. „Es müssen mindestens Konzepte für Zeitpläne erstellt werden, wie das System geändert werden kann“, forderte sie von der Regierung.

Prävention und Digitalisierung fortführen

Die Union will in ihrer Zeit in der Regierung zudem mehr Prävention vorantreiben, etwa durch die Erhöhung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, betonte Borchardt. „Wir müssen zudem weitere Handlungsansätze finden, beispielsweise eine Zuckersteuer oder Süßigkeiten im Kassenbereich in Supermärkten untersagen.“

Auch die Digitalisierung ist weiter wichtig, insbesondere die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA). Diesen Weg müsse man weiter voranschreiten, erklärte Pantazis. CDU-Politikerin Borchardt findet es nicht zielführend, „dass Patientinnen und Patienten alle Informationen, Blutwerte oder Diagnosen aus der ePA wieder raus löschen können.“

Das helfe nicht, wenn es darum geht Doppeluntersuchungen zu vermeiden oder Krankheitsverläufe komplett überblicken zu können. „Der Weg einer patientengeführten ePA ist zwar der richtige, aber für mich braucht es hier noch Nachbesserungen“, betonte Borchardt. Dahmen fordert diesbezüglich: „Die elektronische Patientenakte (ePA) muss endlich aus der Erprobung herauskommen und in die flächendeckende Umsetzung gehen.“

Neben diesen Themen hat die Regierung Dahmen zufolge einige wichtige Punkte noch nicht auf dem Schirm. So stünde die Arzneimittelbepreisung noch zu wenig auf der Agenda. „Die Ausgaben bei den Arzneimittelpreisen laufen derzeit aus dem Ruder. Wir brauchen eine neue Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit“, sagte er.

Zudem bräuchte es ein bundesweites Netzwerk aus Tagespflegeplätzen, pflegefreundlichen Arbeitsplätzen und verlässlichen Unterstützungsstrukturen, sonst breche die Versorgung weg, warnte Dahmen. Die Dreifachkrise bestehend aus Finanzierungsproblemen, Fachkräftemangel und Qualitätsverlust müsse gelöst werden.

Für die Linken-Politikerin Stange ist zudem die Frauengesundheit ein wichtiges Thema. „Hier muss es mehr Unterstützung geben, das läuft viel zu sehr nebenher.“

Dass die Gesundheitspolitik nun zudem vor einem Wendepunkt steht, befürchten Pantazis und Dahmen. Das Thema Gesundheit werde für die extrem Rechten ein erhebliches Verhetzungspotenzial mit sich bringen, erklärte Pantazis. „Man gewinnt keine Wahlen durch gute Gesundheits- und Pflegepolitik. Man kann aber Wahlen durch schlechte Gesundheits- und Pflegepolitik verlieren.“

Dahmen erklärte es so: „Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen, dass sie im Krankheitsfall gut versorgt werden. Diese Verunsicherung gefährdet nicht nur das Fundament unseres solidarischen Gesundheitswesens – sondern mittelbar auch unser demokratisches Miteinander.“

cmk/bee

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