Politik

Gesundheitspolitik ist zentrales Thema für sächsische Wähler

  • Donnerstag, 29. August 2024
/bluedesign, stock.adobe.com
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Berlin – Bei der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen ist Gesundheitspolitik für die meisten Bürger eines der zentralen Themen. Die Parteien haben in weiten Teilen ähnliche Ziele und Vorstellun­gen, wie die Gesund­heitsversorgung aufrechtzuerhalten ist, setzen dabei aber unterschiedliche Schwerpunkte.

Nach der Bildungs- ist die Gesundheitspolitik das Thema, dem die Menschen in Sachsen die höchste Bedeu­tung bei der Landtagswahl beimessen. Zu diesem Ergebnis kam jüngst eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK).

Vor allem um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung, insbesondere in ländlichen Räumen, sorgen sich die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat: 98 Prozent gaben an, dass sie das als wichtiges oder sehr wichtiges Thema sehen.

Denn speziell auf dem Land ist die Versorgungslage angespannt: 46 Prozent der Befragten gaben an, bei sich vor Ort unter einem starken oder sehr starken Mangel an Hausärzten zu leiden, bei Fachärzten gaben das sogar 67 Prozent an.

Für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung haben die Parteien ähnliche Rezepte, zeigen sich aber be­wusst, dass dazu im ländlichen Raum auch Infrastrukturpolitik gehört.

„Wenn sie außerhalb von Leipzig sind, müssen sie schauen, dass sie einen Tag brauchen, um zu ihrem Haus­arzttermin zu kommen, weil der ÖPNV so wenig fährt“, erklärte die ehemalige linke Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, die nun für das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) antritt, bei der De­batte der sächsischen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten.

Landarztquote und Medizinstudienplätze

CDU und SPD setzen demgegenüber vor allem auf die Landarztquote, die sie in der ausgehenden Legislatur­periode selbst eingeführt haben. Seit dem Wintersemester 2022/23 werden in Sachsen 6,5 Prozent der Medi­zinstudienplätze außerhalb des Numerus-Clausus-Systems an Bewerber vergeben, die sich verpflichten, im Anschluss an die Ausbildung mindestens zehn Jahre in einem Gebiet tätig zu sein, für das die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) einen besonderen Bedarf festgestellt hat.

Während die Sozialdemokraten diese jährliche Vergabe von rund 40 Medizinstudienplätzen fortführen und Studienkapazitäten erweitern wollen, will die Union sie noch erhöhen und auf Zahnärzte und Apotheker aus­weiten. Auch etablierte Stipendienprogramme sollen demnach fortgeführt werden.

Die FDP wird konkreter: Sie will die Kapazität an den Medizinstudienorten Chemnitz, Leipzig und Dresden für mindestens zehn Jahre um zehn Prozent ausbauen sowie die Stipendienprogramme des Freistaates und der KVS für künftige Landärzte erweitern, schreibt sie in ihrem Programm.

Die Landarztquote kommt darin hingegen nicht vor. Stattdessen will die FDP mit den Selbstverwaltungspart­nern und Gesundheitsanbietern „institutionalisierte Innovationsplattformen“ schaffen und „explizit auf die sächsische Versorgungssituation zugeschnittene innovative Versorgungsmodelle entwickeln“. Dazu sei unter anderem die Etablierung eines Telemedizin- beziehungsweise E-Health-Clusters notwendig.

Auch die AfD will die Landarztquote ausweiten, vor allem aber eine generelle Abkehr vom Numerus-Clausus-System, das durch ein Auswahlverfahren ersetzt werden soll, welches „den beruflichen Anforderungen besser gerecht wird“.

Zudem müssten mehr Haus- und Fachärzte zur eigenen Praxisgründung oder -übernahme befähigt werden, fordert die CDU. Dazu will sie sich für eine „Niederlassungsfahrschule“ einsetzen, in der „das nötige Rüstzeug für die Niederlassung vermittelt wird“, wie sie in ihrem Wahlprogramm schreibt.

Auch brauche es mehr Initiativen und Netzwerke, die Medizinstudentinnen und -studenten für die Nieder­lassung interessieren, begeistern und durch die Vermittlung wirtschaftlicher Grundkenntnisse befähigen. Die Zahl der Medizinstudienplätze verspricht die Union ebenfalls zu erhöhen.

Gleiches wollen die Grünen und verweisen darauf, das insbesondere am Standort Chemnitz zu prüfen. Dane­ben wollen sie finanzielle Anreize für die Niederlassung setzen und den Quereinstieg aus anderen medizi­nischen Fachrichtungen in die allgemeinmedizinische Niederlassung erleichtern.

Entbürokratisierung und Vergütung

Auch die Linke begrüßt die von SPD-Gesundheitsministerin Petra Köpping eingeführte Landarztquote – mo­niert jedoch, dass diese erst langfristig wirken werde. Wirksame Lösungen würden schon jetzt benötigt und seien eher in einer finanziellen Unterstützung der Digitalisierung der Praxen sowie in einer umfassenden Entbürokratisierung zu sehen.

„Die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen sollten weniger Zeit für Formulare aufwenden müssen, um mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten zu haben“, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Das Thema Ent­bürokratisierung schreiben sich alle Parteien auf die Fahnen, von der Linken bis zur CDU, die ebenfalls den Abbau von Standards und Berichts- beziehungsweise Dokumentationspflichten prüfen will.

Zudem müsse die ärztliche Vergütung – „gleich in welchem Bereich“ – häufiger und regelmäßig angepasst werden, fordert die Linke. „Nur so können sie ihren Praxisangestellten gute Arbeitsbedingungen ermöglichen und dem Fachkräftemangel auch in diesem Bereich entgegenwirken.“

Hier findet sich eine der eher seltenen Übereinstimmungen zwischen der Linken und der FDP. Auch die Libe­ralen wollen eine bessere ärztliche Vergütung. Sie erklären, sich für die ärztliche Niederlassung einsetzen zu wollen und bringen einen ungewöhnlichen Vor­schlag ins Spiel.

„Wenn eine Abrechnung erbrachter ambulanter Leistungen über den einheitlichen Bewertungsmaßstab dies aber jetzt und in Zukunft verhindert, muss eine Abrechnung über die Gebührenordnung der Ärzte gesetzlich möglich sein“, heißt es im Wahlprogramm.

Eine erzwungene Rückgabe der kassenärztlichen Zulassung müsse dabei ausgeschlossen sein. Nachfragen, ob damit tatsächlich gemeint ist, dass Ärzte bei Kassenpatienten über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab­rechnen können sollen, hat die FDP unbeantwortet gelassen.

MVZ und Polikliniken

Neben einer Erprobung von Delegationsrechten sehen die Liberalen einen Weg zum Erhalt der wohnortnahen Versorgung auch in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ): Arztpraxen, die keinen Nachfolger finden, sollen demnach vermehrt in MVZ umgewandelt und mit angestellten Ärzten weiterbetrieben werden.

Die Grünen wollen die Landkreise stärker einbeziehen und setzen dabei auf die Förderung nicht gewinnorien­tier­ter MVZ in unterversorgten Regionen. Ihr Ziel sei, Gelder im Gesundheitssystem verbleiben zu lassen. „Da­mit schützen wir die örtliche Gesundheitsversorgung“, schreiben sie in ihrem Programm.

Die Linke bezieht sich gar auf das Erbe der DDR: „Die Ostdeutschen besitzen viele Erfahrungen und Kennt­nis­se, die sie dabei einbringen können“, erklärt sie in ihrem Wahlprogramm. Deshalb fordere sie MVZ nach dem Vorbild der Polikliniken, um die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen.

Die CDU wiederum sieht die Verantwortung für den Erhalt der ambulanten Versorgung vor allem auch bei der KVS. Von dieser werde sie den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung stärker als bisher einfor­dern, kündigt sie an. Union, SPD, Grüne und AfD teilen zudem das Ziel, regionale Gesundheitszentren zu etab­lieren und zu fördern. In den Programmen von FDP, dem BSW und der Linken spielen diese hingegen keine explizite Rolle.

Stärkung und Rettung der Krankenhäuser

Neben der ambulanten sorgen sich große Teile der sächsischen Bevölkerung aber auch um die stationäre Ver­sorgung. Mit dem Slogan „Die Richtige für gesunde Krankenhäuser“ wirbt SPD-Spitzenkandidatin und Gesund­heitsministerin Petra Köpping auf Plakaten um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler.

„Wenn das auf dem Plakat steht, Krankenhäuser auf gesunde Füße zu stellen, heißt das, dass sie eine gesunde Finanzierung brauchen. Die haben sie zurzeit nicht. Deswegen ist es wichtig, dass das Krankenhausreform­ge­setz des Bundes diese Finanzierung stabilisiert“, verteidigte sie im Spitzenkandidatenduell die Reformen ihres Parteigenossen Karl Lauterbach.

Sachsen sei dabei ein Vorreiter: Bereits in den Neunzigern habe es im Freistaat eine Reform gegeben, die zu einer Spezialisierung der Krankenhäuser geführt habe. „Das heißt, das, was westdeutsche Bundesländer noch machen müssen, haben wir längst getan“, beteuerte sie.

Zwar brauche es die Reform. Aber: „Wir wollen uns nur nicht vorschreiben lassen, wie wir zu planen und zu arbeiten haben. Das wollen wir selber tun.“ Hier spricht sie im Einklang mit dem großen Koalitionspartner: Die CDU wolle auf Bundesebene auf eine Mitbestimmung bei der Krankenhausreform hinwirken und werde keine „Reform vom grünen Tisch“ zulassen, versichert sie in ihrem Wahlprogramm.

Bei der Umsetzung der Reform solle ein „Programm Krankenhaus +“ die Kliniken unterstützen. Die Union stehe zur Verantwortung des Landes bei der Finanzierung und werde die Häuser bei der Weiterentwicklung ihres Leistungsspektrums unterstützen.

Die Grünen fordern hier konkret, die Krankenhausinvestitionsfinanzierung mindestens zu verdoppeln, um die Investitionsbedarfe erstmals vollständig zu finanzieren. Falls die Krankenhausreform scheitere, werde die Landesregierung nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen selbst tätig werden, kündigt weiter die CDU an.

Große Versprechen macht die Linke: Sie werde sich für den Erhalt aller Krankenhausstandorte in Sachsen ein­setzen. Hier ist sie im Einklang mit dem von ihr abgespaltenen BSW, das ein „Schließungsmoratorium“ fordert: „Wir wollen alles daran setzen, die Krankenhausreform so umzusetzen, dass alle 76 Krankenhausstandorte in Sachsen erhalten bleiben.“

Versorgung in öffentlicher Hand

Außerdem seien Ganztagspolikliniken mit Notfallaufnahme und 24-Stunden-Betrieb eine Möglichkeit, die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern, erklärt die Linke und stellt sich grundlegend gegen private Trägerschaften.

Die Partei fordert einen Rekommunalisierungsfonds von mindestens 100 Millionen Euro, um Krankenhäuser zurück in die öffentliche Hand zu überführen. Finanzielle Ausschüttungen aus dem Betrieb von Krankenhäu­sern sollen verboten werden. „Uns ist bewusst, dass dies die privaten Krankenhauskonzerne abschrecken wird – und das ist auch gut so“, schreibt sie in ihrem Wahlprogramm.

In diesem Punkt ist sie sich ebenfalls noch mit ihrer Abspaltung, dem BSW, einig. „Es muss aufhören, dass hier Felder der öffentlichen Daseinsfürsorge in Institutionen verwandelt werden, die allein dazu dienen, Rendite zu erwirtschaften“, fordert das Bündnis in seinem Wahlprogramm.

Das gelte nicht nur für Krankenhäuser, sondern auch für Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren. Auch bei der Frage nach Polikliniken vertreten beide Parteien noch denselben Standpunkt, wobei das BSW noch die Wiedereinführung von Gemeindeschwestern fordert.

Fachkräftemangel und Zuwanderung

Auch die Frage des Fachkräftemangels ist in Sachsen – wo vor allem der ländliche Raum von starker Abwan­derung geprägt ist – virulenter als in anderen Bundesländern. Neben einer Erweiterung und Förderung des Ausbildungsangebots sehen Union und SPD eine wichtige Rolle der Fachkräftezuwanderung aus dem Aus­land, werden dabei aber in ihren Programmen unterschiedlich konkret.

Die Sozialdemokraten sprechen lediglich von finanzieller Unterstützung für die Zuwanderung von qualifi­zier­ten Fachkräften, während die CDU eine konkrete Ansage macht: Ausländische Fachkräfte in Medizin und Pfle­ge müssen innerhalb eines Monats zu ihrer Berufsanerkennung gelangen. Für alle geregelten Gesundheits­fachberufe werde die Union eine Studie zum prognostizierten Bedarf bis zum Jahr 2035 vorlegen.

Die AfD hingegen betont, dass Zuwanderung bei der Fachkräftesicherung nachrangig sein solle. „Es gilt zuerst, unsere eigenen Potenziale zu nutzen“, schreibt sie in ihrem Wahlprogramm. „Der politischen Vorstellung, den Bedarf an Fachkräften allein durch Zuwanderung abdecken zu können, stellen wir uns entschieden entgegen.“

Eigene Schwerpunkte setzen wiederum die Grünen: Sie fordern eine „sozial gerechte Kassenfinanzierung von Verhütungsmitteln“ und die kostenfreie Bereitstellung von Periodenprodukten in Schulen und öffentlichen Gebäuden zur Verbesserung von Hygiene und menstrualer Gesundheit.

Zudem müsse eine geschlechtersensible Gesundheitsversorgung, Prävention und Inanspruchnahme durch unterrepräsentierte Gruppen besser gefördert werden – aber auch eine niedrigschwellige und gezielte Gesundheitsversorgung für Männer zur Angleichung der Lebenserwartung.

Ob die Grünen die Möglichkeit haben werden, solche Ideen einzubringen, ist nicht sicher. Die Partei verweilt in den letzten Umfragen vor der Wahl an der Fünfprozenthürde, die Sozialdemokraten sind nur einen Prozent­punkt darüber, die Linke knapp unter der Hürde. Die FDP wird von den meisten Instituten gar nicht mehr aus­gewiesen. Sie lag zuletzt bei zwei Prozent und hat kaum Aussichten, in den Landtag einzuziehen.

Während das BSW den dritten Platz relativ sicher hat, wird die wichtigste Frage der Wahl die nach der stärks­ten Partei sein. Hier liegen CDU und AfD in den meisten Umfragen Kopf an Kopf mit abwechselnder Führung. Zuletzt lag die AfD vor der CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer.

lau

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