Politik

Grünen-Parteitag beschließt Wahlprogramm

  • Montag, 27. Januar 2025
Delegierte halten beim Programmparteitag von Bündnis90/Die Grünen ihre Stimmkarten hoch./ picture alliance, Michael Kappeler
Delegierte halten beim Programmparteitag von Bündnis90/Die Grünen ihre Stimmkarten hoch./ picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Fast einstimmig haben die Grünen auf ihrem Bundesparteitag in Berlin ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 23. Februar beschlossen. Es gab keine Gegenstimmen und nur zwei Enthaltungen. Im Programm setzen sich die Grünen dafür ein, den Menschen „den Alltag bezahlbar“ zu machen.

In der Gesundheitspolitik betont die Partei, dass heutzutage viele Menschen bis ins hohe Alter aktiv sind. Zu­gleich seien ältere Menschen aber auch häufig auf Behandlungen und Pflege angewiesen. Das bedeute einen Bedarf von Fachkräften, um eine „angemessene Versorgung und würdevolle Pflege“. Steigende Kosten müssten geschultert werden, ohne dass die Versicherten zu große Lasten tragen müssten.

Konkret setzten sich die Grünen für einen Ausbau der Primärversorgung insbesondere durch Hausärzte ein. Vertragsärzte sollen darüber hinaus von unnötiger Bürokratie entlastet werden. Der Sprechstundenanteil für gesetzlich Versicherte soll erhöht werden.

Die Verteilung von niedergelassenen Ärzten soll mit der Krankenhausplanung der Länder verknüpft werden. Die bestehende Trennung der Finanzierungssysteme von ambulanter und stationärer Versorgung soll aufgehoben werden. Fördern wollen die Grünen regionale Verbünde (Gesundheitsregionen) sowie Versorgungszentren, in denen verschiedene Therapie- und Pflegeberufe unter einem Dach zusammenarbeiten.

Die Gesundheitsberufe sollen zudem mehr Kompetenzen bekommen, erreicht werden sollen dadurch eine „bessere Arbeitsteilung“ und eine „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“. In den ländlichen Regionen – gerade in Ostdeutschland – will die Partei auf zusätzliche Programme für Gemeindegesundheitspflegekräfte und „Medizin auf Rädern“ setzen.

Pflegebudget und Rückkehroffensive

In der Pflege spricht sich die Partei für ein Pflegebudgets aus. Dazu soll es eine Rückkehroffensive geben, um Pflegekräfte wieder in den Beruf zurückzuholen. Die Grünen kündigen auch an, die Krankenhausreform nach­bessern zu wollen. An den Kosten soll sich demnach nicht nur die gesetzliche, sondern auch die private Kran­kenversicherung (PKV) beteiligen.

Die Grünen wollen die gesetzliche Krankenversicherung von versicherungsfremden Leistungen entlasten. „In den vergangenen Jahren wurden den Versicherungen jedoch viele Kosten zugeschoben, die aus Steuermitteln hätten finanziert werden sollen“, heißt es. Die Finanzierung der Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen oder die Beiträge für Empfänger von Bürgergeld sollen künftig über den Staat finanziert werden.

Begrenzt werden soll der Einfluss von Finanzinvestoren auf die Gesundheits- und Pflegeversorgung. Wie bisher auch heißt das Ziel der Grünen Bürgerversicherung und in der Pflege soll es eine Pflegebürgerversicherung geben. Die Beitragsbemessung wollen die Grünen Reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung heranziehen. Wie genau das aussehen soll, wird nicht näher beschrieben. Das Thema hatte zuletzt für heftige Debatten gesorgt.

Anpacken wollen die Grünen auch die Themen Prävention und psychische Gesundheit sowie ME/CFS und Long COVID. Festhalten wollen sie an der bisherigen Cannabispolitik der Ampel. An dem Ziel des Verkaufs von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften hält die Partei weiter fest.

Klimageld und Steuerentlastung

In ihrem Wahlprogramm fordern die Grünen unter anderem auch die Einführung eines Klimagelds, ein wieder auf 49 Euro reduziertes Deutschlandticket und einen Mindestlohn von 15 Euro. Hinzu kommen Steuerentlastun­gen, vor allem für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaab­kommens wird bekräftigt.

In der Migrationspolitik bekennen sich die Grünen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese müsse aber „grund- und menschenrechtskonform“ umgesetzt werden. Außenpolitisch will die Partei bei der Unterstützung der Ukraine Kurs halten und die Verteidigungsausgaben angesichts der sicherheitspoliti­schen Herausforderungen über die Nato-Quote von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus erhöhen. Dagegen gab es Gegenanträge, die aber abgelehnt wurden.

Auf dem Parteitag gab es trotz ursprünglich rund 1.900 eingereichten Änderungsanträgen nur ein knappes Dutzend Kampfabstimmungen. Einige Änderungswünsche wurden ganz oder teilweise in den Programmtext eingearbeitet.

Nachgeschärft wurden beispielsweise Passagen zum Klimaschutz und zur regelmäßigen Anpassungen des Bürgergelds an den Bedarf. Gegen den Willen der Parteispitze neu eingefügt wurde nur die Forderung nach einem ganzjährigen, bundesweiten Verkaufsverbot für Feuerwerkskörper.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will diese Woche im Bundestag einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik einbringen – notfalls auch mit Stimmen der AfD. Merz distanzierte sich später explizit von den Rechtspopulisten; er wolle keine Mehrheit mit der AfD, erklärte er. Habeck forderte den CDU-Chef dennoch auf, sich zu korrigieren, um den Verdacht einer Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen Partei auszu­räumen.

„Nichts daran ist harmlos“, sagte Grünen-Kanzlerkandidat Habeck in seiner Rede zu den Plänen des CDU-Chefs. „Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun“, warnte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Es zeige, „wie sehr die Dinge in Europa schon ins Rutschen geraten sind“, wie sehr die Diskussion verrückt sei.

Auch die Grünen befürworteten aber Konsequenzen aus der Messerattacke von Aschaffenburg und ähnlichen zuvor in anderen Städten – etwa hinsichtlich der Stärkung und besseren Zusammenarbeit der Sicherheitsbe­hörden, besonders bei Gefahren durch psychisch auffällige Menschen.

Sie verwiesen allerdings auf die noch von der Ampelkoalition vorgelegten Sicherheitsgesetzes, die von der Union blockiert würden. Für die beiden Todesopfer des Verbrechens in Aschaffenburg gab es auf dem Grünen-Parteitag eine Gedenkminute.

Angemeldet waren zu dem eintägigen Treffen 829 Delegierte, mehr als je zuvor. Grund seien die steigende Zahl der Parteimitglieder – auf mittlerweile rund 160.000, sagte Bundesgeschäftsführerin Pegah Edalatian. Seit Anfang November gingen demnach allein 30.000 neue Mitgliedsanträge ein.

Zum Kanzlerkandidaten hatten die Grünen bereits im November Habeck gekürt, zudem Baerbock als Ko-Spitzen­kandidatin. In den Wahlumfragen konnte die Partei zuletzt leicht auf 13 bis 14 Prozent zulegen. Habeck sprach von massivem Rückenwind für die Grünen, der im Wahlkampf deutlich spürbar sei.

dpa/afp

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