Politik

Hecken sieht Japan als Vorbild für Reform der Arzneimittel­preisbildung

  • Mittwoch, 29. Januar 2025
/Viewfinder, stock.adobe.com
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Berlin – Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, hat seinen Forderungen nach einer Reform der Nutzenbewertung und Preisbildung von Arzneimitteln Nachdruck verliehen. Deutschland könne sich dabei ein Vorbild an Japan nehmen.

Das Ungleichgewicht bei der Arzneimittelerstattung würde seit 2028 kontinuierlich zunehmen, betonte Hecken heute beim Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) in Berlin. Insbesondere Onkologika und Arznei­mittel gegen seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) würden weit überproportional zugelassen und vergütet.

Ein Drittel der gesamten Arzneimittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würden mittler­weile auf diese beiden Gruppen entfallen. Dabei würden gerade einmal 0,07 Prozent aller Arzneimittelverordnun­gen auf Orphan Drugs entfallen, aber mehr als zwölf Prozent der GKV-Arzneimittelausgaben.

Dabei stelle sich zunehmend die Frage nach der Evidenz. Die Methoden der Nutzenbewertung nach dem Arznei­mittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) würden „nicht mehr zu den Wirkstoffen passen“, sagte Hecken. „Wir ha­ben den Trend, dass wir immer öfter in evidenzfreie Zonen kommen.“

Zustimmung erhielt er von Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband. Es gebe eine „Evidenzerosion“. Die Transparenz in der Preisbildung, die das AMNOG gebracht habe, setze sich nicht in einer Preissteuerung um, kritisierte sie.

Zudem sei diese Transparenz gerade beim großen Kostenblock Orphan Drugs durch die niedrigeren Anforderun­gen in der Nutzenbewertung stark eingeschränkt. Das sei nachvollziehbar angesichts der kleineren Patienten­popula­tionen, wegen der klassische zweiarmige randomisierte kontrollierte Studien meist nicht durchführbar seien.

Allerdings sei es auch eine politische Entscheidung gewesen, durch dieses Verfahren den Marktzugang zu erleichtern und so die Entwicklung von Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen zu fördern. Diese Förderung müsste allerdings direkt, also aus Steuergeldern geschehen, nicht durch Intransparenz in der Preisbildung.

Den Befund einer „Evidenzerosion“ wies wiederum Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Industrie­verbands Pharma Deutschland, zurück. Vielmehr sei das AMNOG aus der Zeit gefallen – die wissenschaftliche Evidenz habe sich schneller entwickelt als die AMNOG-Methodik.

Einigkeit herrschte bei den dreien darüber, dass neue Datengrundlagen, die unter anderem durch das Gesund­heitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und den Aufbau des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) möglich würden, eine entscheidende Rolle bei der notwendigen Weiterentwicklung des AMNOG spielen müssen.

Haas erneuerte dabei ihre Forderung, dass auch die ärztliche Dokumentation künftig stärker standardisiert und langfristig so automatisiert wie möglich Eingang in die Sekundärdatennutzung finden müsse. „Es wird entschei­dend für diese Datengrundlage sein, wie leicht sie entsteht.“

Hecken wiederum plädierte dafür, Vergütung und Marktzugang künftig restriktiver zu handhaben. „Wenn ich mir die Vielzahl der -mabs (monoklonale Antikörper, Anm.d.Red.) anschaue, frage ich mich, ob 100 Prozent Marktzu­gang so viel besser sind als zum Beispiel die 50 Prozent in den Niederlanden“, sagte er.

Zudem gebe es im jetzigen System keine Möglichkeit der Preiskorrektur. Genau das brauche es aber angesichts der zuvor diskutierten Fragen zur Evidenz. Dabei könne man sich an Japan orientieren.

Hecken schlägt ein kollektives Kohortenmodell vor, das dem japanischen ähnelt. Dabei würde auf Basis der Zu­lassungsstudien ein Interimspreis festgelegt. Daraufhin würde über mehrere Jahre anhand der Behandlungser­geb­nisse eine Erfolgsmessung in Kohorten durchgeführt, auf deren Grundlage der Erstattungsbetrag dann dyna­misch angepasst wird.

Das bringe Rechtssicherheit und Transparenz durch feste Regeln, Kosteneffizient durch datenbasierte Anpassun­gen und verringere sogar den administrativen Aufwand im Vergleich zu anderen Modellen. Allerdings seien auch dabei Herausforderungen zu meistern – wie die Sicherstellung der Datenqualität und -verfügbarkeit, insbeson­dere bei Registerdaten, die Verknüpfung von ambulanten und stationären Daten für eine umfassende Erfolgs­messung sowie das langfristige Monitoring von Behandlungsergebnissen.

lau

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