Politik

Intensivmediziner plädieren für „Coronabetrieb“ der Krankenhäuser und begrüßen Lockdown

  • Donnerstag, 29. Oktober 2020
Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens. /picture alliance, Annegret Hilse, Reuters-Pool
Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens. /picture alliance, Annegret Hilse, Reuters-Pool

Berlin – Man befinde im Coronapandemieverlauf an einem „kritischen Punkt“, deshalb sei es notwendig, die Personaluntergrenzen sowie verschiebbare Eingriffe und Behandlun­gen auszusetzen und finanzielle Kompensationen für Krankenhäuser bereitzustellen. Dies betonte heute Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Aufgrund der „explodierenden“ Infektionszahlen seien die gestern von Bund und Ländern beschlossenen Maß­nahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie folgerichtig, so Janssens. Zwar halte das stabile ambulante System in Deutschland viele Patienten aus den Krankenhäusern fern, allerdings sei trotzdem mit einem weiteren Anstieg der Auf­nah­men von COVID-19-Patienten auf Intensivstationen zu rechnen.

Der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Stefan Kluge, warnte vor einem „Verdrängungswettbewerb“ bei den Krankenhausbetten. Erwartbar würden sowohl die Infektionszahlen als auch die Anzahl der stationären Pa­tien­ten in den kommenden Wochen noch steigen, da die neuen Beschlüsse zur Eindämm­ung erst zeitverzögert wirken.

Norbert Suttorp, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité, bezeichnete die gestrigen Bund-Länder-Beschlüsse in diesem Zusammenhang als „richtig“ und „überfällig“.

Dem schloss sich Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing, an. Um einen „Stresstest“ des Gesundheitssystems zu vermeiden, stelle der ab der kommenden Woche bis Ende November befristet geltende Lockdown ein „sehr sinnvolles“ Mittel dar.

Ohne die „Notbremsung“ wäre die medizinische Versorgung „in wenigen Wochen an die Wand gefahren“. Bereits der erste Lockdown habe Schlimmeres verhindert – deshalb sei in der aktuellen Lage die zweite „Verschnaufpause“ nicht infrage zu stellen.

Er gab darüber hinaus zu bedenken, dass es auch bei jüngeren COVID-19-Patienten viele Fälle von langfristigen Folgeschäden nach einer Infektion gebe. Man habe noch kein klares Bild, was genau dies für die Patienten und die Gesellschaft bedeute.

Noch seien die Intensivstationen nicht überlastet, betonte Kluge. Da aber viele gemelde­te Betten aufgrund des Fachkräftemangels unter aktuellen Bedingungen – parallele Re­gelversorgung und COVID-19-Versorgung – „nicht bepflegbar“ seien, müsse man in den Krankenhäusern möglichst schnell wieder auf den „Coronabetrieb“ umschalten. Hierfür seien die entsprechenden politischen Regelungen notwendig.

Mit Stand von heute werden in deutschen Krankenhäusern laut DIVI bereits 1.696 COVID-19-Patienten intensivmedizinisch betreut – Tendenz steigend. Im Sommer lag diese Zahl etwa bei 230 bis 250 Fällen. Die Zahl der registrierten Coronaneuinfektionen in Deutsch­land hat mit 16.774 Fällen binnen eines Tages heute erneut einen Höchstwert erreicht.

aha

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