Kanzleramtschef drückt zu hohe Erwartungen an Pflegeleistungen

Berlin – Angesichts der Debatte um gestiegene Eigenanteile für Pflegeheime hat Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) daran erinnert, dass die Pflegeversicherung nur ein „Teilleistungssystem“ ist und dazu aufgerufen, die Kosten der Pflege zu begrenzen.
„Die Pflegeversicherung ist in den 1990er-Jahren als Teilleistungssystem eingeführt worden. Deswegen darf man mit der Pflegeversicherung nicht die Erwartung verbinden, dass alle denkbaren Kosten für die Pflege abgedeckt sind“, sagte Frei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei „nach wie vor notwendig, auch privat für den Pflegefall vorzusorgen“, betonte der Kanzleramtschef.
Durch den demografischen Wandel würden immer mehr Menschen pflegebedürftig und das Verhältnis der Beitragszahler zu den Pflegebedürftigen habe sich bereits deutlich verschlechtert, betonte Frei. Das bedeute, dass das Defizit der Pflegeversicherung unzweifelhaft weiter steigen werde.
„Es führt daher kein Weg daran vorbei, die Kosten der Pflege – wo dies möglich ist – zu begrenzen.“ Kaum jemand habe eine Rente, mit der er 3.000 Euro für einen Pflegeheimplatz bezahlen könne, fügte Frei hinzu.
Die Höhe der Eigenbeteiligung für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen ist im laufenden Jahr weiter gestiegen, zeigt eine gestern veröffentlichten Datenauswertung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Demnach lag der Betrag, den Betroffene aus eigener Tasche bezahlen müssen, zum 1. Juli 2025 um 8,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Den Angaben zufolge müssen Pflegebedürftige inzwischen in Pflegeheimen im ersten Aufenthaltsjahr im Bundesdurchschnitt 3.108 Euro monatlich zahlen. Zum 1. Juli 2024 waren es noch 2.871 Euro pro Monat gewesen. Als Gründe für die Kostensteigerung nannte der vdek steigende Personal- und Lebenshaltungskosten.
Angesichts steigender Pflegekosten hat der Deutsche Pflegerat (DPR) Klarheit bei der Kostenaufteilung gefordert. Geklärt werden müsse, welche Kosten Bund und Länder sowie die Kassen übernehmen, sagte die Präsidentin des Pflegerats, Christine Vogler, dem RND. Bei Kosten von mehr als 3.000 Euro für stationäre Langzeitpflege im ersten Jahr müsse zudem überlegt werden, was man Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen noch zumuten könne.
Vogler verwies auf die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe und ihren Auftrag, eine Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile zu erarbeiten. „Doch das allein reicht nicht. Die Länder stehen gesetzlich in der Verantwortung, die Investitionskosten zu übernehmen, nicht die Pflegebedürftigen“, sagte sie. Auch sei beispielsweise nicht klar, warum Heimbewohner für medizinische Behandlungspflege zahlen, während diese in der ambulanten Pflege von den Kassen getragen wird.
Der Verband der Ersatzkassen forderte von der Bundesregierung eine Klärung der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Versicherungsgemeinschaft. „Wir brauchen eine Klarheit in der Zuordnung der Zuständigkeiten“, sagte Verbandschefin Ulrike Elsner heute im ZDF-Morgenmagazin. Es müsse geklärt werden, was Aufgabe der Versicherungsgemeinschaft und was Aufgabe der staatlichen Institutionen sei.
Beispielsweise gehe es darum, „dass Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige auch über staatliche Institutionen“ gezahlt werden müssten, ergänzte Elsner. Darüber hinaus müsse überprüft werden, ob das „System der Pflege, der Pflegegrade, der Zuordnungen der Leistungen gut austariert“ sei oder ob auch dort „in die eine oder andere Richtung“ umgesteuert werden müsse.
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) arbeitet derzeit an Vorschlägen für eine Reform der Pflegeversicherung. Hintergrund sind erhebliche Defizite der Pflegekassen.
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