KBV-Chef Gassen will wiederholte Lockdowns vermeiden

Berlin – Wiederholte Lockdowns stellen aus Sicht von Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), „kein tragfähiges Konzept“ im weiteren Umgang mit der Coronapandemie dar. Deshalb seien zusätzliche Wege gefragt – schließlich stünden SARS-CoV-2-Impfstoffe vollumfänglich wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 zur Verfügung.
Im Interview mit dem TV-Sender Phoenix verwies Gassen vorgestern auf das kürzlich vorgestellte Konzeptpapier, welches neben der KBV von Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Bonn, sowie Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Abteilung Arbovirologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, erarbeitet wurde.
Er hoffe zwar auf einen Erfolg des nun beschlossenen und angelaufenen Lockdowns. Llar sei aber, dass man darüber hinaus die hohe Infektionsdynamik anders reduzieren müsse. Einen weiteren Lockdown hielten Menschen und Wirtschaft nicht aus, so Gassen.
Der KBV-Chef erinnerte diesbezüglich an die Kernelemente des Papiers: Die konsequente, aber großteils eigenverantwortliche Einschränkung von Kontakten ohne Vorsichtsmaßnahmen (Hygiene, Abstand, Maske) sowie der verbesserte Schutz von Risikogruppen.
Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, kündigte heute gemeinsam mit Gassen an, dass in der vergangenen Woche veröffentlichte Positionspapier durch einen breiten Dialog um weitere konkrete Maßnahmen für eine nachhaltige Alltagsgestaltung zu erweitern. „Wir laden Berufsverbände und Fachgesellschaften ein, sich weiter intensiv an der Diskussion zu beteiligen“, führte Hofmeister aus.
„Richtig und zielorientiert“, nannte Gassen in diesem Zusammenhang die jüngste Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dieser will 290 Millionen Schutzmasken aus Bundesbeständen an Pflegeheime und ambulante Pflegedienste liefern lassen. „Vulnerable Gruppen müssen besonders geschützt werden. Dazu gehören sowohl Pflegekräfte als auch Pflegebedürftige. Deshalb ist diese Maßnahme sehr zu begrüßen“, ergänzte Hofmeister.
Auch der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) plädiert dafür, verstärkt den Schutz der Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt zu stellen, für die ein hohes Risiko schwerer Krankheitsverläufe besteht.
Da langfristig bei fortgesetzter Coronapandemie allein ein „grob gestrickter Lockdown nicht das Mittel der Wahl“ sei, solle ein Runder Tisch von Wissenschaft, ärztlichen Verbänden und Gesundheitspolitik differenziertere Konzepte für eine Langfriststrategie erarbeiten. Dies müsse umgehend in Angriff genommen werden, weil zu befürchten sei, dass der derzeitige partielle Lockdown bei weiter steigenden Infektionszahlen nicht ausreichen wird.
Die Vorsitzenden der KV Baden-Württemberg, Norbert Metke und Johannes Fechner, haben heute nachdrücklich die Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung zur Eindämmung der Coronapandemie begrüßt.
Die fehlende Eigenverantwortung bestimmter Kreise der Gesellschaft sei mitverantwortlich für die derzeitige Entwicklung. „Wie die Anschnallpflicht im PKW und das Alkoholverbot am Steuer werden es auch in Zeiten einer tödlichen Bedrohung durch eine Pandemie Verbote sein, die diejenigen zur Vernunft bringen, die sich willentlich und vorsätzlich über wirksame Schutzmaßnahmen hinwegsetzen“, so die KV-Vorsitzenden.
Die Aufforderung auf mehr Eigenverantwortung als Gebote zu setzen, halte man in der derzeitigen Pandemiephase für nicht ausreichend. „Nur eingeschränktes Verständnis“ könne man zudem für die die Menschen im Lande verwirrenden Äußerungen ärztlicher Spitzenvertreter auf Bundesebene aufbringen – eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse zum Nutzen der AHA-Regeln dürften nicht relativiert werden.
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