Politik

Knapp 61.000 Dosen Mpox-Impfstoff in Bundesländern auf Lager

  • Freitag, 23. August 2024
/picture alliance, dpa, Sven Hoppe
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Berlin – Die deutschen Bundesländer haben aus einer zentralen Beschaffung des Bundes von 2022 noch 60.840 Mpox-Impfstoffdosen auf Lager. Ob davon etwas an afrikanische Länder mit aktuellen Mpox-Ausbrü­chen abgegeben wird, ist derzeit aber noch unklar. Das hat eine Abfrage des Deutschen Ärzteblattes bei den 16 Gesundheitsministerien der Länder ergeben.

Auf Spenden beziehungsweise Gespräche darüber mit dem Bund dringen demnach nur zwei Länder. Mehrere der Gesundheitsbehörden stufen die Vorräte des Präparats Jynneos für ihr Land derzeit als nicht verkehrsfähig ein. Grundsätzlich verwies eine Reihe an Bundesländern auf die Zuständigkeit und Entscheidungshoheit des Bundes, der die Impfstoffe beschafft habe.

Der Grund für die Einschätzung mancher Bundesländer, dass Jynneos nicht verkehrsfähig ist: In der Europäi­schen Union (EU) ist inzwischen der Impfstoff Imvanex desselben Herstellers gegen Mpox zugelassen und regulär verfügbar (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian-Nordic, MVA-BN).

„Die Lagerbestände des Impfstoffes Jynneos können daher derzeit nicht aufgebraucht werden, da der Impf­stoff Imvanex zur Verfügung steht“, teilte zum Beispiel das sächsische Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt mit. Die Ausnahmeregelung, nach der Jynneos beschafft worden worden war, sei vor diesem Hintergrund nicht mehr „einschlägig“, hieß es aus aus dem Thüringer Gesundheitsminis­terium. Haltbar sind die Jynneos-Vorräte nach Auskunft der Bundesländer noch bis Ende Mai 2025.

Minimale Unterschiede zwischen den Impfstoffen

Imvanex war in der EU zunächst gegen Pocken zugelassen und erhielt im Sommer 2022 eine zusätzliche Zulassung gegen Mpox. „Da der Impfstoff nicht verfügbar war, wurde bis Sommer 2023 ausschließlich der Impfstoff Jynneos für die Impfung gegen Mpox verwendet“, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Webseite.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beschaffte damals zur Eindämmung des Infektionsgeschehens den in den USA bereits gegen Mpox zugelassenen Impfstoff Jynneos, der aber bis heute keine EU-Zulassung hat. Basis dafür sei § 79 Absatz 4a Arzneimittelgesetz (AMG) gewesen, teilte ein Sprecher mit.

Nach RKI-Angaben sind die beiden Impfstoffe „bis auf geringe Unterschiede beim Herstellungsverfahren und den Qualitätsspezifikationen“ identisch. Daher können mit Jynneos begonnene Impfserien auch mit Imvanex fort­gesetzt werden.

Nur wenige signalisieren Spendenbereitschaft

Der überwiegende Großteil der Bundesländer reagierte auf die Frage nach einer möglichen Spende oder einem Verkauf der Impfdosen an betroffene afrikanische Länder mit einem Verweis auf den Bund, der dies zu entscheiden habe. Unter anderem Berlin berichtete, es sei nicht bekannt, ob der Bund eine Ab- oder Weiter­gabe plane.

Anders antworteten indes Schleswig-Holstein und Niedersachsen. „Eine Abgabe des Impfstoffes wird derzeit durch den Bund als Eigentümer der Dosen geprüft“, teilte das niedersächsische Gesundheitsministerium mit. „Niedersachsen begrüßt diese Prüfung und spricht sich ausdrücklich dafür aus, das vertretbare Maximum an Vakzinen unbürokratisch und kostenfrei zur Verfügung zu stellen.“

Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) hatte sich bereits vor rund einer Woche für schnelle und umfangreiche Lieferungen von Impfstoffen ausgesprochen und sich mit Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) ausgetauscht, wie ein Sprecher mitteilte.

Das Gesundheitsministerium von Schleswig-Holstein erklärte: „Hierzu findet ein Austausch mit dem Bund statt.“ Man habe den Bund kürzlich zu dieser Frage kontaktiert.

Das BMG hatte dem Deutschen Ärzteblatt zur Frage möglicher Impfstoffspenden vor einigen Tagen mitgeteilt, man prüfe, ob und welche Hilfen geleistet werden könnten. Bislang liege aber kein konkretes Hilfeersuchen seitens der Empfängerländer vor. „Weder die Staaten, noch die zu impfenden Zielgruppe, noch ein Impfschema oder die Logistikfragen (Gebinde-Arten, Nadeln, u.ä.) sind bislang geklärt.“

Die Sozialbehörde Hamburg nannte weitere mögliche Hürden: Der Impfstoff müsse bei minus 20 Grad trans­portiert werden, dadurch gebe es gerade bei kleinen Mengen logistische Herausforderungen. Ob das Vakzin in Afrika eingesetzt werden könne, müsse auch vor dem Hintergrund von Zulassungsfragen geprüft werden.

Der zentrale BMG-Bestand an Jynneos beläuft sich auf etwa 117.000 Dosen, er sei im ersten Halbjahr 2024 an das Bundesverteidigungsministerium abgegeben worden, hieß es.

Unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im Zuge der Ausrufung einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite vergangene Woche zu Impfstoffspenden für die betroffenen Regionen auf­gerufen.

Es dauere wahrscheinlich mehrere Monate bis neue Mpox-Impfstoffdosen hergestellt seien, sobald eine kon­krete Nachfrage aus einem Land vorliege, schrieb Sania Nishtar von der Impfallianz Gavi in einem Kommentar in Lancet (DOI: 10.1016/S0140-6736(24)01706-9). In der Zwischenzeit seien Impfstoffspenden aus den Vor­räten von Ländern mit hohem Einkommen der Ansatz mit der größten unmittelbaren Wirkung.

Jynneos für den Fall der Fälle behalten

Weitere Bundesländer erklärten, die noch eingelagerten Jynneos-Impfdosen behalten zu wollen. „Eine Abgabe an andere Länder ist derzeit nicht geplant, da es sich um eine relativ kleine Menge an Impfstoff handelt, die im Land vorgehalten werden soll“, teilte Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerium mit.

Brandenburg teilte mit: „Der Impfstoffbestand des Landes wird weiter vorgehalten, um auf eventuelle, lokale Ausbrüche im Rahmen der Postexpositionsprophylaxe zu reagieren.“

Teils wird Jynneos nach wie vor als aktuell einsetzbar betrachtet. Da sich das Vakzin im Herstellungsprozess nur unwesentlich von Imvanex unterscheide, sei es „in Deutschland und damit auch in Rheinland-Pfalz ver­kehrsfähig mit Blick auf seine ordnungsgemäße Zulassung in den USA und Kanada“, hieß es vom dortigen Gesundheitsministerium. Auch Mecklenburg-Vorpommern erachtet den Einsatz von Jynneos als „zulässig und zielführend“.

In Hamburg wurde Jynneos weiter verimpft, wie eine Sprecherin mitteilte. Das hänge mit einer noch ausste­hen­den Vergütungsvereinbarung zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung und etwas höhe­ren Lieferkosten zusammen, die gegebenenfalls von Patienten ausgelegt werden müssten. Die Sozialbehörde habe eine unkomplizierte Versorgung vulnerabler Gruppen daher noch nicht als erfüllt gesehen.

Berlin, das Jynneos derzeit als nicht verkehrsfähig einstuft, erläuterte, der Impfstoff werde „bis auf Weiteres vorgehalten“, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten bei einem möglicherweise eintretenden Mangel weiterhin sicherzustellen. „Dieser müsste zunächst vom BMG festgestellt werden.“

Zu den unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Länder erläuterte das BMG: Sofern noch Jynneos-Impfdo­sen in den Beständen vorhanden seien, könnten die Länder diese „unter Beachtung des Verfalldatums und der Lagerungsbedingungen“ dann noch in Verkehr bringen, wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung der Be­völkerung erforderlich sei.

Die Entscheidung, ob diese Voraussetzung nach dem Imvanex-Markteintritt noch gegeben sei, obliege den Landesbehörden und hänge beispielsweise von dem jeweiligen regionalen Infektionsgeschehen und den am Markt zur Verfügung stehenden Impfdosen ab. Zu der Frage machten nicht alle Bundesländer Angaben.

Mpox-Impfungen waren ab 2022 regional unterschiedlich nachgefragt

Das Mpox-Impfmonitoring des RKI zum Ausbruch ab 2022 hatte gezeigt, dass dieses Impfangebot je nach Bundesland unterschiedlich stark in Anspruch genommen wurde. Im Zeitraum von Juni 2022 bis Januar 2024 wurde ein Großteil der gemeldeten Mpox-Impfungen in Berlin verabreicht, vor dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen und Hamburg.

Während Berlin mehr als 33.000 solche Impfungen meldete, waren es in manchen Flächenländern im gesam­ten Zeitraum weniger als 300. So etwa in Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland und Sachsen-Anhalt. Bay­ern meldete laut Bericht keine Zahlen.

Der Umfang der aktuellen Bestände von Jynneos in den Ländern ist sehr uneinheitlich: Nordrhein-Westfalen (mehr als 15.000 Dosen) und Bayern (mehr als 12.000) gehören in der Ärzteblatt-Auswertung zu den Ländern mit den größten Reserven, andere Länder wie Brandenburg und Bremen verfügen nach eigenen Angaben nur noch über einige Hundert Dosen.

Vorerst keine weitere Impfstoffbeschaffung

Weitere Mpox-Impfstoffosen sind in Anbetracht der Entwicklung in den Ausbruchsregionen bisher weder auf Bundes- noch Länderebene beschafft worden. „Die Bundesregierung hat keine zusätzlichen Impfstoffdosen aktuell bestellt“, teilte ein BMG-Sprecher mit.

Mehrere der Bundesländer betonten die Verfügbarkeit von Imvanex und verwiesen auf die gegenwärtige Risikoeinschätzung des RKI. „Die verfügbaren Impfstoffe sind derzeit vor diesem Hintergrund ausreichend“, hieß es etwa aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch Baden-Württemberg betonte, es gebe bezüglich Imvanex keine Hinweise auf Versorgungsengpässe in Deutschland.

Lediglich das Gesundheitsministerium Niedersachsen erklärte, die Lage dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden. „Die stark von Mpox betroffenen zentralafrikanischen Länder brauchen dringend Unter­stützung, um Mpox einzudämmen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Daher sollte die Bundesre­gierung eine weitere Beschaffung prüfen mit dem Ziel, die Impfstoffe zügig in die betroffenen Regionen zu verbringen.“

Die Europäische Kommission teilte auf Anfrage mit, mit dem Hersteller Bavarian Nordic bestehe ein bis No­vember 2024 gültiger Vertrag über eine Lieferung von bis zu zwei Millionen Dosen Imvanex. Der bestehende Rahmenvertrag lasse Spenden von Mitgliedsländern auch an Länder außerhalb der EU zu.

Parallel würden auch sogenannte rescEU-Lagerbestände mit Imvanex vorgehalten, die als letztes Mittel ein­gesetzt werden könnten, sollten die Kapazitäten in Mitgliedsstaaten erschöpft sein.

Ein Sprecher der EU-Kommission verwies zudem auf die bereits Mitte August getroffene Vereinbarung zwi­schen der Kommission, dem Impfstoffhersteller und den afrikanischen Centers for Disease Prevention and Control, dass rund 215.000 Dosen an afrikanische Länder mit Bedarf gespendet werden.

ggr

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