Politik

Koalition unter Handlungsdruck wegen drohender Beitragssatzsteigerungen

  • Montag, 14. April 2025
/Butch, stock.adobe.com
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Berlin – CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mahnt angesichts drohender Beitragssteigerung eine Reform der Sozialversicherung an. Kassen, Verbände und Wirtschaftsexperten zeigen sich angesichts der Inhalte des Koalitionsvertrages skeptisch.

„Gerade in dem Bereich Sozialversicherung müssen Reformen kommen. Das kann nicht so weitergehen“, sagte er im „Bericht aus Berlin“ der ARD. Die Beitragssätze müssten sich eigentlich zurück in Richtung 40 Prozent und nicht Richtung 45 Prozent entwickeln.

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD vorgenommen, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung langfristig zu stabilisieren. Allerdings soll erst einmal eine Expertenkommission eingesetzt werden. Grundlagen für eine Pflegereform soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeiten.

Schnelle Reformen sind damit kaum zu erwarten. Linnemann verteidigte das Vorgehen. Man müsse der Regierung auch mal 100 Tage Zeit geben und die Chance auf Verbesserung, betonte er.

Beitrags-Tsunami vorprogrammiert

Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnt wegen des Koalitionsvertrags vor kräftig steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung spätestens zum Jahreswechsel. „Wenn nicht nachgelegt wird, dann ist mit diesem Koalitionsvertrag ein Beitrags-Tsunami vorprogrammiert“, sagte Storm der Augsburger Allgemeinen von heute.

In der Pflegeversicherung drohe bereits in diesem Jahr ein Beitragsanstieg, in der gesetzlichen Krankenversicherung spätestens zum Jahreswechsel eine „massive Erhöhung“ des Zusatzbeitrags, um mindestens einen halben Beitragssatzpunkt.

„In Verbindung mit steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen bewegen wir uns dann in Richtung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrags von 43 Prozent“, sagte er der Zeitung. „Das bedeutet nicht nur eine Zumutung für versicherte Beschäftigte, Rentner und Arbeitgeber, das ist auch Gift für die Konjunktur.“

Storm kritisierte, dass Union und SPD die Beitragszahler weiterhin mit versicherungsfremden Milliardenkosten für die Versorgung der Bürgergeldempfänger belasteten. „Alle in den Entwürfen genannten konkreten Maßnahmen, die das Ziel stabiler Sozialversicherungsbeiträge kurzfristig hätten sicherstellen können, sind aus dem finalen Koalitionsvertrag gestrichen worden“, bemängelte er.

In den Entwürfen seien je zehn Milliarden Euro für die Jahre 2025 und 2026 für Zahlungen zur Versorgung der Bürgergeldempfänger sowie neun Milliarden Euro an die Pflegekassen vorgesehen gewesen. Diese „dringend nötigen Mittel“ seien in der Endfassung des Koalitionsvertrags ersatzlos gestrichen worden. Storm forderte Nachbesserungen.

Der Sozialverband VdK mahnt zur Eile und warnt davor, Leistungen zu streichen. Es gäbe angesichts der drohenden Beitragssteigerungen bei der Stabilisierung der Sozialversicherungen keine Zeit zu verlieren. Dabei sei noch vollkommen unklar, wie die Koalition plane, die Finanzsituation zu verbessern.

Der VdK warne davor, durch Leistungskürzungen bei der Ausgabenseite zu sparen. Das würde auf Kosten der Versicherten und ihrer Versorgung gehen und wäre deshalb nicht zu akzeptieren.

Zudem zeigt sich der Verband enttäuscht darüber, dass die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus den Sozialversicherungen durch Steuermittel nicht im Koalitionsvertrag steht. Im Papier der Sondierungsgruppe habe sich dieses Vorhaben noch gefunden.

„Das hätte der gesetzlichen Krankenversicherung knapp neun Milliarden Euro gebracht. Dass es dieser Plan nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat, ist aus Sicht des VdK ein großer Fehler“, schreibt der Verband.

Wirtschaftswissenschaftler erwartet Finanzprobleme

Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht auf Beitrags- und Steuerzahler weitere Belastungen zukommen. „Die neue Koalition steuert in ernsthafte Finanzierungsschwierigkeiten hinein“, sagte IW-Steuer- und Sozialexperte Jochen Pimpertz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Bereits heute seien die Sozialabgaben für Beschäftigte und Arbeitgeber auf inzwischen 42,3 Prozent des Einkommens gestiegen. Pimpertz verwies auf eine Erhebung des Forschungsinstituts IGES, das einen Anstieg auf knapp 46 Prozent für die nächsten Jahre vorhersagt.

Ein Grund seien vor allem die steigenden Gesundheitskosten. Der Ausgabenschub sei auch größer als in der Vergangenheit angenommen, da der Gesetzgeber die Krankenkassen nach Corona verpflichtet habe, ihre Finanzreserven zur Stabilisierung des Beitragssatzes abzuschmelzen. Ein Puffer, um einen fortlaufenden Anstieg des Beitragssatzes abzufedern, fehle nun.

Bei Union und SPD vermisst Pimpertz „eine grundlegende Weichenstellung“, wie mit den absehbar wachsenden Finanzproblemen umgegangen werden solle. Es mangele vor allem an mehr Wettbewerbselementen im Sozialbereich. 

dpa/afp/lau

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