Politik

Krankenhäuser warnen vor Infarkt des Systems

  • Freitag, 15. Juli 2022
/picture alliance, Andre Lucas
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Düsseldorf – Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), Ingo Morell, warnt vor einem „riskanten Qualitätsverlust“ im Gesundheitssystem. Wegen Unterfinanzierung lebten die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen (NRW) „schon seit vielen Jahren auf Kosten der eigenen Substanz“, sagte er.

„Die Folgen einer solchen Entwicklung bekommen wir gerade beim Zustand baufälliger Autobahnbrücken zu spüren, die Verkehrsadern zum Infarkt bringen.“ Damit es in den Krankenhäusern nicht so weit kommt, müsse sich die neue Landesregierung ihrer Verantwortung stellen.

In ihrem Koalitionsvertrag versprechen CDU und Grüne: „Wir werden in den kommenden fünf Jahren erhebli­che finanzielle Anstrengungen unternehmen, damit in allen Krankenhäusern die notwendigen Investitionen für Personal und Ausstattung erfolgen können.“

Das vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und dem Institute für Health Care Business in Essen erstellte jüngste Investitionsbarometer NRW hatte den Investitionsstau in den Kliniken des bevölkerungs­reichs­ten Bundeslandes auf 13,8 Milliarden Euro beziffert.

Die neue Regierung hat aus Sicht der KGNW mit ihrem ersten Haushalt für 2023 gleich vier drängende The­men gleichzeitig anzugehen: die Umsetzung der neuen Krankenhausplanung, die Erhöhung der Investitions­förderung sowie Digitalisierung und Klimaschutz.

Morell begrüßte den im Koalitionsvertrag avisierten Klimaschutzfonds, weil die Kliniken bei den notwendigen Anpassungsmaßnahmen „aus eigener Kraft nicht weit kämen“. Der Sozialverband VdK hatte in dieser Woche gefordert, auch die Pflegeheime einzubeziehen.

Laut einem Gutachten des Wuppertal Instituts für die KGNW liegt der deutsche Gesundheitssektor mit einem Anteil von 5,2 Prozent am bundesweiten CO2-Ausstoß nur wenig hinter der Stahlindustrie (fast sechs Prozent). Einen großen Teil davon verursachen demnach Krankenhäuser.

Das Institute for Health Care Business hatte errechnet, dass allein in den NRW-Kliniken Investitionen von 7,1 Milliarden Euro – verteilt auf sieben Jahre – nötig wären, um bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Allein 6,3 Milliarden seien für die energetische Sanierung von Fassaden, Fenstern und Dächern erforderlich.

Für die neue Krankenhausplanung würden jetzt dringend konkrete Finanzierungszusagen benötigt, betonte Morell. „Nur mit einem belastbaren und ausreichenden Budget können die Kliniken sich auf die erforderlichen Strukturveränderungen einlassen.“

Überall dort, wo Eingriffe in bestehende Strukturen zusätzliche Kosten verursachten, müsse das Land als Ur­he­ber des Plans dafür geradestehen. Die KGNW geht davon aus, dass dafür allein in dieser Legislaturperiode bis 2027 rund zwei Milliarden Euro notwendig sein werden.

Darüber hinaus muss die Bundesregierung aus Sicht der Krankenhausgesellschaft gesetzliche Rahmenbedin­gungen für eine bessere Verzahnung von ambulantem Angebot und stationärer Versorgung schaffen, um „ei­nen echten Mehrwert für die Patientenversorgung“ zu heben. Zur nachhaltigen Finanzierung der Digitalisie­rung in den Kliniken schlägt die KGNW einen zweiprozentigen Aufschlag auf Krankenhausrechnungen vor.

„Eine führende Rolle“ nehme NRW bereits mit dem „virtuellen Krankenhaus“ ein. Inzwischen gehören dem Netzwerk, das über Telemedizin seit gut zwei Jahren einen Austausch von Expertenwissen ermöglicht, nach Angaben der KGNW mehr als 150 Krankenhäuser in NRW an.

dpa

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