Krankenhausreform: Fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung könnte Kliniken entlasten

Berlin – Krankenhäuser benötigen eine fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung für die Bereiche, die für den Klinikbetrieb unbedingt notwendig sind. Das forderten drei Klinikgeschäftsführer heute bei einem parlamentarischen Frühstück, veranstaltet vom katholischen Krankenhausverband (kkvd) und der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner (CSU).
Für den Vorsitzenden der Geschäftsführung des Stiftungsklinikums Proselis, André Sonnentag, gehörten zu diesen Bereichen etwa die Heizzentrale, der Empfang aber auch die Berücksichtigung der geforderten Anzahl von Fachärztinnen und -ärzten für die jeweilige Spezialisierungen.
Martin Bosch, Geschäftsführer des JoHo-Verbunds mit Standorten in Wiesbaden und Rüdesheim, ergänzte, dass auch Bereiche wie die Notaufnahme, Labor, Röntgen, der OP-Bereich und etwa chirurgische und internistische Bereitschaften unabhängig von Fallzahlen finanziert werden müssten.
Es brauche aber eine Obergrenze, damit Krankenkassen nicht argumentieren könnten, dass unrealistisch viele Fälle an den Kliniken behandelt werden müssten. Vor allem für Krankenhäuser auf dem Land brauche es eine fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung, forderte Bosch.
Wie viel Geld für einen entsprechenden Basispersonalsatz oder eine Basisgrundausstattung benötigt werde, könnte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (IneK) ausrechnen, erklärte auch kkvd-Geschäftsführerin, Bernadette Rümmelin. Sie nannte die bisherige Regelung der geplanten Vorhaltefinanzierung „praxisuntauglich und weltfremd“.
Die Krankenhausreform sieht die Einführung von 65 Leistungsgruppen vor, die bundesweit einheitliche Qualitäts- und Ausstattungskriterien festlegen sollen. In den Jahren 2025 und 2026 sollen die Bundesländer im Rahmen ihrer Krankenhausplanung den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen.
Zudem soll an die Leistungsgruppen eine Vorhaltefinanzierung von 60 Prozent der gesamten Betriebskosten geknüpft werden. Der Rest soll weiterhin über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert werden.
Die Landesbehörden sollen in den künftigen Krankenhausplänen sogenannte Planfallzahlen für jede Leistungsgruppe, die jedes Krankenhaus erbringt, vorgeben. Wenn die Länder dies nicht tun, sollen für die Auszahlung der Vorhaltefinanzierung die Ist-Fallzahlen des vorangegangenen Jahres gelten.
Diese Regelung im Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) ist den Kliniken in Dorn im Auge. Vor einigen Tagen hatten sich auch einige Verbände im Gesundheitswesen in einer gemeinsamen Erklärung gegen diese geplante Regelung ausgesprochen und stattdessen den Fokus auf die Ermittlung der jeweiligen Bedarfe gelegt.
Kliniken betreiben Wettrüsten vor der Krankenhausreform
Der Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen, Ansgar Veer, warnte davor, dass die geplanten Regelungen für die Krankenhäuser deshalb keine Entökonomisierung bedeuteten, stattdessen würde sich das „Hamsterrad“ künftig schneller drehen. Mit der neuen Finanzierungssystematik müsste sein Haus künftig das doppelte leisten, um ein Prozent Unterdeckung auszugleichen, erläuterte Veer.
Problematisch sei zudem, dass die Kliniken derzeit eine Art Wettrüsten betreiben würden, berichteten Zeulner und Bosch. So würden Krankenhäuser versuchen, vor Beginn der Krankenhausreform mehr ärztliches Personal einzustellen, um bei der anstehenden Verteilung von Leistungsgruppen besser aufgestellt zu sein.
Die Krankenhausreform führe deshalb nicht zu einer Entökonomisierung, sondern eher zu einem „Survival of the Fittest“, erklärte die CSU-Politikerin Zeulner. Sie bemängelte zudem, dass das mehr als 200 Seiten lange Gesetz in der geplanten zweistündigen Sachverständigenanhörung, die für den 25. September angesetzt ist, nicht ausreichend diskutiert werden könne.
Auf die Frage, ob Krankenhäuser nicht weniger Fälle behandeln würden, wenn es eine komplett fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung geben würde, entgegnete Bosch, dass dies passieren könne. Für die Basisversorgung und elektive Eingriffe bräuchte man die unabhängige Vorhaltefinanzierung nicht unbedingt, räumte er ein.
Hier funktionierten die DRG gut, sagte Bosch. Vor allem aber bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie in der Notfallversorgung seien die DRG hingegen nicht geeignet und eine entsprechende Vorhaltefinanzierung werde benötigt.
Fokus auf NRW hätte Zeit gespart
Die drei Klinikgeschäftsführer sprachen sich zudem für die Fokussierung auf die 60 somatischen Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) aus. Wenn man sich auf diese konzentriert hätte, hätte man auch die dringend benötigte Auswirkungsanalyse bereits machen können, sagte Bosch.
Stattdessen sei viel Zeit damit verbracht worden, die weiteren fünf Leistungsgruppen zu definieren und umzusetzen, kritisierte er. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass es Probleme bei der Umsetzung mancher Zusatzleistungsgruppen gebe.
Die Krankenhausplanung in NRW tue zwar vielen Kliniken weh, räumte der Klinikgeschäftsführer Bosch ein, jedoch funktioniere das Konzept. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium sei zudem für Kliniken ansprechbar und habe ein offenes Ohr für Fragen oder Überlegungen, was den Krankenhäusern beispielsweise in der Übergangsphase helfen könnte, erklärte Bosch.
Hinsichtlich der Leistungsgruppen sorgen sich Sonnentag und Bosch, dass die darin vorgesehenen Anforderungen vor allem große Kliniken und Unikliniken erfüllen könnten. „Das NRW-Modell ist erprobt und funktioniert, wir müssen aber aufpassen, dass wir keine überfordernden Strukturvorgaben haben“, sagte Bosch.
Für die Behandlung von traumatischen Verletzungen der Hüfte fordere der Medizinische Dienst etwa die Möglichkeit der Physiotherapie am Wochenende. Aus diesen Gründen sei es fast gescheitert, dass die Krankenhäuser des JoHo-Verbunds diese Versorgung erbringen dürften, sagte Bosch. Dies zeige die Notwendigkeit die Details in den Strukturvorgaben genau zu überprüfen, so Bosch.
Der Klinikgeschäftsführer Veer forderte zudem eine mehrdimensionale Auswirkungsanalyse. Dafür reiche es nicht aus, lediglich die Leistungsgruppen den Krankenhäusern zuzuordnen, sondern man müsse überprüfen, wie sich die Personalzuteilung an den Krankenhäusern auf die Versorgung oder auch Notfallversorgung auswirke.
Auch die Erreichbarkeit sowie der errechnete Bedarf spiele eine wichtige Rolle, so Veer. Er warf zudem die Frage auf, ob Patientinnen und Patienten künftig nicht die Wahlfreiheit haben sollten, auch zwei Standorte mit einer benötigten Leistungsgruppe in 30 beziehungsweise 45 Pkw-Minuten erreichen zu können.
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