Krankenkassen bereiten sich beim Transformationsfonds auf Klage-Szenarien vor

Berlin – Die Krankenkassen und ihre Verbände bereiten sich derzeit intensiv auf eine Verfassungsklage gegen die Finanzierung des Transformationsfonds durch Gelder aus dem Gesundheitsfonds vor. Derzeit wird an verschiedenen Stellen geprüft, wie eine Klage aussehen kann.
„Es finden viele Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Richtern aus der Sozialgerichtsbarkeit statt, es werden Gutachten beauftragt und aus meiner Sicht sind die Erfolgsaussichten einer Klage zur Verfassungswidrigkeit der Finanzierung des Fonds sehr gut“, sagte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes, heute vor Journalisten in Berlin.
„Es hat sich aus den Gesprächen gezeigt: In der Sozialgerichtsbarkeit gibt es eine weitüberwiegende Meinung, dass die Regierung mit dem, was sie hier fabriziert, einen Formenmissbrauch betreibt, der verfassungsrechtlich nicht nur bedenklich, sondern schlicht verfassungswidrig ist.“
Zur Erinnerung: Mit dem Transformationsfonds im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) soll der Umbau der Krankenhauslandschaft in den kommenden zehn Jahren finanziert werden. Dafür sollen jährlich fünf Milliarden Euro ausgegeben werden, die zur Hälfte aus den Beitragsgeldern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert werden. Die andere Hälfte finanziert das jeweilige Bundesland. Der Bund selbst gibt keine Steuergelder hinzu.
Verwaltet wird der Fonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Auch die Private Krankenversicherung (PKV) soll sich an der Finanzierung beteiligen. Die Finanzierung hatte schon im Gesetzgebungsverfahren für deutliche Kritik gesorgt. Inzwischen liegt die Ausgestaltung des Transformationsfonds in Form einer Rechtsverordnung vor, die der Bundesrat Mitte Februar beschließen soll.
Für die möglichen Klagen gegen den Fonds gibt es aus Sicht von Knieps drei Szenarien: So könne der GKV-Spitzenverband gegen den Transformationsfonds klagen, sobald er beispielsweise einen Bescheid bekomme, die Gelder für den Fonds bei den Krankenkassen einzusammeln. Auch für andere Teile der technischen Abwicklung werde es Rechtsakte geben, gegen die geklagt werden könne, so Knieps.
Auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes erklärte der GKV-Spitzenverband: „Wir befinden uns in der Prüfung der Angelegenheit“. Bereits seit Sommer des vergangenen Jahres ist dies ein Thema auf den öffentlichen Sitzungen des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes.
Dort wurde ein Gutachten von Dagmar Felix aus Hamburg präsentiert, das auch während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens in die politische Debatte eingebracht worden war. Nach Aussage von Knieps wird im Auftrag des Verbandes derzeit an einem weiteren Gutachten gearbeitet.
Krankenkassen keine Grundrechtsträger
Zweites Klage-Szenario sei die Klage einer Krankenkasse, die aber aus juristischen Gründen nicht bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kommen könnte. „Juristisch ist dies ein komplexes Gebiet, weil Krankenkassen keine Grundrechtsträger sind. Anders als Kommunen, die sich gegen Eingriffe gegen ihr Selbstverwaltungsrecht bis nach Karlsruhe wehren können“, so Knieps.
Der dritte Weg ist die Klage einzelner Versicherter oder Arbeitgeber. Hier wird nach Aussage von Knieps gerade von Einzelgewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Klagen geprüft, wie einzelne Versicherte oder Arbeitgeber dann vorgehen könnten. „Dieser Weg hat in den Kreisen unserer Selbstverwaltung eine hohe Sympathie“, so Knieps. Dem Vernehmen nach haben sich bereits einige dafür bereit erklärt.
Auch bei anderen Krankenkassen steht das Thema auf der Agenda, wenn auch mit anderen Handlungsempfehlungen an die Politik: „Die drei vorliegende Gutachten machen deutlich, dass die jetzt vorgesehene Regelung verfassungsrechtlich nicht haltbar ist“, erklärte beispielsweise DAK-Chef Andreas Storm vor wenigen Tagen. Würde nun aber gegen die finanzielle Ausgestaltung geklagt werden, dauere das aus seiner Sicht Jahre.
„Wenn erst 2029 oder 2030 festgestellt werden würde, dass die GKV jahrelang zu hohe Beiträge für den Fonds einnehmen musste, hilft es nicht.“ Daher sein Appell: „Nach der Bundestagswahl muss eine Korrektur kommen, dass die Finanzierung des Fonds, den man brauchen wird, nicht über die GKV laufen wird“, so Storm. Dies sei ein „Fehler, den man aber korrigieren kann“.
So pessimistisch schätzt Knieps vom BKK-Dachverband die Lage nicht ein: „Herr Storm ist optimistischer im Zutrauen in die nächste Regierung als ich und pessimistischer als ich, was die Möglichkeiten der Gerichtsbarkeiten angeht.“ Hier gebe das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn der erste Bescheid vorliege. Es könne auch binnen Monaten in Karlsruhe verhandelt werden.
Kopfschütteln über Justizministerium und Innenministerium
Aus den Gesprächen von Knieps mit Sozialrechtlern gehe hervor, dass man in den Kreisen fassungslos sei, dass das Bundesjustizministerium oder das Bundesinnenministerium an den Stellen des Gesetzestextes nicht eingegriffen hätte, so Knieps. „Der Unmut darüber, dass in der Exekutive das Grundgesetz außer Gebrauch ist, er ist bei Sozialrechtlern beträchtlich.“
Aus der SPD kommen – nun im Wahlkampf – Stimmen, man müsse nach der Wahl Änderungen bei der Finanzierung der Krankenhausreform angehen. „Ich kann den Unmut der Krankenkassen verstehen, dass sie den 50 Milliarden Euro schweren Transformationsfonds zusammen mit den Ländern zur Hälfte stemmen sollen“, sagte die Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese (SPD), dem Krankenkassenmagazin G+G. „Solch einen großen Prozess muss der Bund mit eigenem Geld begleiten“, so Drese weiter. Eine Veränderung der Regelung gehöre „gleich zu Beginn erneut auf die Tagesordnung“, so die Ministerin.
Auch drei Gutachten, die schon während der Gesetzesberatung veröffentlicht worden waren, zeigen deutlich, dass die geplante Finanzierung verfassungswidrig wäre: So hatte der GKV-Spitzenverband die Hamburger Professorin Dagmar Felix mit einem Gutachten beauftragt, die auch Mitglied in der Regierungskommission Krankenhaus war.
Ihr Fazit: Für gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind Steuermittel nötig, nicht Sozialversicherungsbeiträge nötig. Denn diese sind „nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes streng zweckgebunden und dürfen nicht zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushaltes verwendet werden. Das Geld, das aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen werde, diene nicht zur Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen gemäß dem Sozialgesetzbuch V, so Felix weiter.
Auch der Bundesrechnungshof prüfte in einem Bericht von Mitte Mai 2024 das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz und kommt zu dem Schluss, dass eine Finanzierung durch die GKV „fraglich“ sei. Denn: „Die Legitimation der Beitragsbelastung beschränkt sich auf die Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung. Sie erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der Sozialversicherung“, heißt es in der Bewertung des Bundesrechnungshofes.
„Denn die Länder sind zuständig für die Bereitstellung und investive Finanzierung der Krankenhausstrukturen. Ihre Entlastung bei gleichzeitiger wesensfremder Belastung der GKV ist auch angesichts der seit Jahren anwachsenden, erheblichen Lücke zwischen notwendigen und tatsächlichen Investitionen der Länder in ihre Krankenhausstrukturen kaum verständlich.“
Auch die Beteiligung der privaten Krankenversicherer an der Finanzierung des Fonds wurden einem Gutachten im Auftrag des PKV-Verbandes deutlich kritisiert. Denn auch die im Gesetz festgehaltene freiwillige Beteilung sei „verfassungswidrig“, schreibt Gregor Thüsing von der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in seinem Gutachten.
„Die Finanzierungspflicht für den Transformationsfonds darf nicht auf die PKV ausgeweitet werden, da die verfassungsrechtlichen Vorgaben für Sonderabgaben mit Finanzierungswirkung offensichtlich nicht erfüllt wären.“ Auch er zweifelt an, dass die GKV für den Fonds herangezogen werden kann.
KBV weist auf Rechtsfehler hin
Unzufrieden mit dem Transformationsfonds, der ein wichtiger Baustein der Krankenhausreform ist, ist auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). „Es steht außer Frage, dass der Transformationsfonds eindeutig gegen europäisches Recht verstößt“, sagten die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.
Aus ihrer Sicht plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) durch die Finanzierung von Infrastrukturkosten allein für den stationären Sektor staatliche Beihilfen für Krankenhäuser, was die Wettbewerbsnachteile für den ambulanten Bereich verschärfen würde.
„Es ist aus unserer Sicht von grundlegender Bedeutung, dass alle Teilnehmer des Gesundheitswesens faire, gerechte und gleiche Rahmenbedingungen haben“, hieß es aus der KBV. „Leider hat der viel zitierte Wettbewerb der ‚gleich langen Spieße‘ noch nie stattgefunden – auch der Transformationsfonds ist unbestritten zum Nachteil der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Ungleich bleibt ungleich.“
Die KBV-Spitze betonte, milliardenschwere Krankenhaussubventionen sollten mit den Beitragsgeldern der gesetzlich Versicherten gestemmt werden. Das sei „nicht nur eine klare Wettbewerbsverzerrung“. Einem juristischen Gutachten zufolge verstoße dies auch gegen das Beihilfenrecht der Europäischen Union.
„Deshalb haben wir im Juni vergangenen Jahres eine entsprechende Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Es ist unumgänglich, sektorenübergreifende Einrichtungen komplett von der Förderung aus dem Transformationsfonds auszuschließen, um die gebotene beihilferechtliche Neutralität zu wahren.“ Die KBV kündigte an, den Fall erneut bei der EU-Kommission vorzubringen.
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