Länder wollen Meldepflichten für Krankenhäuser aus Medizinforschungsgesetz streichen

Berlin – Das Medizinforschungsgesetz (MFG) hat den Bundesrat passiert. Allerdings sprach sich die Länderkammer dafür aus, die mit dem Gesetz eingeführten neuen Meldepflichten für Krankenhäuser schnellstmöglich wieder abzuschaffen.
Kritik an seinem Gesetz erhielt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Bundesratssitzung ausschließlich von Parteigenossen. Lauterbach sei mit dem Versprechen angetreten, Bürokratie abzubauen – davon sei jedoch nicht viel zu sehen, erklärte der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD).
Das MFG habe unzweifelhaft gute Ansätze zur Stärkung des Pharmastandorts. „Allerdings sind kurz vor der Sommerpause Regelungen in das Gesetz aufgenommen worden, die nicht wirklich mit den ursprünglichen Zielen dieses Gesetzes zu tun haben und eher in das noch zu beschließende Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gehören, die aber vor allem anstelle eines Abbaus von Bürokratie eine weitere, ganz erhebliche Anforderung für Krankenhäuser neu definieren und mit sich bringen“, kritisierte er.
Das Gesetz sieht vor, dass Krankenhäuser zusätzlich zu den Datenlieferungen nach Paragraf 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) künftig vierteljährlich detailliert die Zuordnung des ärztlichen Personals zu den einzelnen Leistungsgruppen übermitteln sollen.
Um dies zu erfüllen, müssten tägliche und nahezu minutengenaue Aufzeichnungen aller in den Kliniken arbeitenden Medizinerinnen und Mediziner zu ihren jeweiligen Tätigkeiten erfolgen, erklärte Philippi. Nur so werde eine genaue Zuordnung zu den Leistungsgruppen überhaupt möglich.
„Hiermit würde man in den Zeiten eines immer bedrohlicher wirkenden Fachkräftemangels weitere Personalkapazitäten für rein bürokratische Tätigkeiten binden und damit von der Patientenversorgung wegnehmen“, wandte er ein. „Das kann nicht ernsthaft gewollt sein.“ Zudem sei aus dem KHVVG-Entwurf „überhaupt keine Sinnhaftigkeit einer quartalsweisen Meldung dieser Daten ableitbar“.
Philippi appellierte, dass es wieder mehr Vertrauen in die Arbeit der Menschen in den Kliniken brauche. „Mehr Vertrauen bedeutet weniger Komplexität.“ Es könne nicht sein, dass schon jetzt mehr als ein Drittel der Arbeitszeit des ärztlichen und pflegerischen Personals für Meldungen an die unterschiedlichsten Stellen im Bürokratiedschungel des Gesundheitswesens aufgewendet werde.
„Die Ärztinnen, Ärzte und Pflegenden in den Krankenhäusern wehren sich deshalb nachdrücklich gegen diese neue, sinnlose Bürokratie, und dies aus meiner Sicht auch vollkommen zurecht“, sagte er. „Die überbordende Kontrollbürokratie, von der Patientinnen und Patienten nicht wirklich profitieren, muss ganz dringend zurückgefahren werden. Stattdessen wird sie mit diesem Gesetz durch die Hintertür weiter aufgebaut.“
Anstatt Bürokratie abzubauen, würden mit der Regelung „weitere, unfassbar aufwendige und zudem völlig unnötige“ Aufzeichnungs- und Meldepflichten für Krankenhäuser eingeführt. „Das muss unter allen Umständen verhindert werden.“
Er empfehle deshalb dringend, die Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses. Darin fordert der Bundesrat die Bundesregierung mit Nachdruck dazu auf, „kurzfristig im Zuge eines weiteren Gesetzgebungsverfahrens dafür Sorge zu tragen“, dass die besagte Regelung wieder aufgehoben wird.
Weitere Kritik erhielt Lauterbach aus Rheinland-Pfalz. Zwar leiste das Gesetz einen „ganz zentralen Beitrag“ zur Stärkung der Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland und erleichtere den schnellen Zugang von Patientinnen und Patienten zu neuen Therapien, erklärte Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD).
Allerdings hätten die Länder bereits im Gesetzgebungsverfahren ihre Bedenken bezüglich der Einrichtung einer Spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren (SEKbV) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), also einer Bundesethikkommission, geäußert.
„Ich glaube, bei aller Kompetenz, die wir dieser Kommission zuordnen können, droht doch die Schaffung neuer und paralleler Strukturen, die wir womöglich an dieser Stelle gar nicht brauchen“, betonte Schweitzer. „Das scheint dem Grundgedanken des Gesetzes der Vereinfachung und Entbürokratisierung entgegenzustehen.“
Der Bundestag hatte das Gesetz bereits vor der Sommerpause verabschiedet. Es war nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat, allerdings handelt es sich um ein Einspruchsgesetz. Mit ihm setze die Bundesregierung wesentliche Ziele ihrer Pharmastrategie in die Tat um, erklärte Lauterbach heute.
„Wir geben Forschenden und Unternehmen die nötige Planungssicherheit, entbürokratisieren und beschleunigen die Verfahren und stärken die Versorgung der Patientinnen und Patienten, gerade auch mit innovativen Arzneimitteln. Damit stärken wir den Forschungsstandort Deutschland“, sagte er.
Die neu geschaffenen regulatorischen Möglichkeiten würden nun zügig umgesetzt. Dazu plane das BMG neben der Einrichtung der Bundesethikkommission unter anderem, Standardvertragsklauseln für die Verträge zwischen Sponsoren und Einrichtungen klinischer Arzneimittel- und Medizinprodukteforschung zu erstellen.
Auch die strahlenschutzrechtlichen Anzeige- und Genehmigungsverfahren sollen vollständig novelliert, entbürokratisiert und beschleunigt werden, wodurch der Aufwand für Forschende und Behörden gleichermaßen reduziert werde.
Ein weiteres zentrales Vorhaben des Gesetzes ist die Vereinfachung und Beschleunigung klinischer Prüfungen, unter anderem durch die Verkürzung der Bearbeitungszeiten bei mononationalen klinischen Prüfungen und die Ermöglichung dezentraler klinischer Prüfungen.
Zudem enthält das Gesetz noch zwei weitere Regelungen, die im parlamentarischen Verfahren viel Kritik erhielten. So sollen die sogenannten Leitplanken zur Preissenkung im Verfahren nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) ausgesetzt werden können, wenn ein pharmazeutisches Unternehmen nachweisen kann, dass mindestens fünf Prozent der Probanden an der klinischen Studie zum jeweiligen Arzneimittel in Deutschland teilgenommen haben.
Noch umstrittener, auch innerhalb der Regierungskoalition, ist die Einführung vertraulicher Erstattungspreise. Bis zum 30. Juni 2028 sollen Hersteller demnach die Möglichkeit erhalten, die mit dem GKV-Spitzenverband ausverhandelten Erstattungspreise für ein Arzneimittel vertraulich zu halten.
Das soll die Spielräume in den Erstattungsbetragsverhandlungen erhöhen, indem es die Zwänge aus der Referenzmarktwirkung des deutschen Pharmamarktes für andere Märkte verringert. Im Gegenzug müssen die Unternehmen allerdings einen neunprozentigen Preisnachlass gewähren.
Kritiker befürchten, dass damit aufgrund der komplexen Rückerstattungsmechanismen ein erheblicher bürokratischer Aufwand aufseiten der GKV, aber auch der Unternehmen selbst, entstehe, dem keine entsprechenden Einsparungen gegenüberstehen.
Aus ärztlicher sowie Kassensicht wurde seit Beginn des parlamentarischen Verfahrens darauf verwiesen, dass vertrauliche Erstattungspreise die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots behindern. Aus Sicht des pharmazeutischen Großhandels wiederum führt die Regelung zu Unsicherheiten bei der Berechnung von Zu- und Abschlägen.
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