Laumann: Pflegeversicherung stehen aus Coronazeit Millarden zu

Berlin – Vor dem Hintergrund der Finanznöte der Pflegeversicherung hat sich Nordrhein-Westfalens (NRW) Gesundheitsminister erneut für eine Erstattung von deren Pandemieausgaben ausgesprochen. „Der Pflegeversicherung stehen aus der Coronazeit zweifelsohne 5,6 Milliarden Euro zu“, sagte Karl-Josef Laumann (CDU) gestern bei einem Fachkongress zu 30 Jahren Pflegeversicherung in der Landesvertretung NRW in Berlin.
Den Krankenhäusern habe der Staat im Zusammenhang mit dem Virus alles finanziert, wie etwa Tests, betonte der CDU-Politiker. „Im Pflegeheim hat alles die Pflegeversicherung bezahlt.“ Dies bezeichnete Laumann als „irre“. Verfügte die Pflegeversicherung noch über diese Mittel, so wäre eine Beitragserhöhung in diesem Jahr kein Thema gewesen, folgerte der Minister.
In einem gemeinsamen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Ende 2024 hatten Laumann und der CSU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek bereits geschrieben, dass die vollständige Rückerstattung der pandemiebedingten Ausgaben die Finanzen der sozialen Pflegeversicherung kurzfristig stabilisieren würde. Sie dringen in dem Beitrag auf eine umfassende Reform der Pflegeversicherung.
Ein Rechtsgutachten im Auftrag der DAK-Gesundheit war im Herbst zu dem Schluss gekommen, dass die Rückzahlung von Coronahilfen an die Pflegeversicherung zwingend geboten sei. DAK-Vorstandschef Andreas Storm hatte vom Bund die kurzfristige Rückzahlung von knapp sechs Milliarden Euro gefordert.
In seiner Rede in Berlin würdigte Laumann die großen Fortschritte seit der Einführung der zum 1. Januar 1995 eingeführten Sozialversicherung, beispielsweise die entstandene Pflegeinfrastruktur und die große Zahl geschaffener sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze.
Dennoch sprach er sich dafür aus, das System nun auf den Prüfstand zu stellen und sich mehr auf die Wurzeln zu besinnen. Das Thema werde nach seiner Einschätzung eines der ersten für den künftigen Bundesgesundheitsminister sein.
Seit der Einführung habe sich die Zahl der Leistungsempfängerinnen und -empfänger mehr als verdreifacht, erinnerte Laumann. „Bei Einführung der Pflegeversicherung kamen auf einen Pflegefall 33 Beitragszahler, heute kommen auf einen Pflegebedürftigen nur noch elf Beitragszahler.“ Das seien gewaltige Verschiebungen in der Finanzierungssituation, und eine Trendumkehr sei nicht zu erwarten.
Als einen „Kardinalfehler“ kritisierte Laumann, dass die Gesetzgebung im Vergleich zu 1995 zu kompliziert geworden sei und zu sehr auf jeden möglichen Einzelfall eingehe. Außerdem hätten sich politische Debatten zu oft um die Pflege im Heim gedreht, obwohl tatsächlich „die Musik in der häuslichen Pflege" spiele, wie er mit Blick auf die große Mehrheit der dort versorgten Menschen sagte.
Vor dem Hintergrund rief der CDU-Politiker dazu auf, über zusätzliche Strukturen zur Ergänzung der häuslichen Pflege nachzudenken, die zum Beispiel dann zum Tragen kommen, wenn die Hauptpflegeperson erkrankt und schnell Ersatz gebraucht wird.
Zudem müssten in der Arbeitswelt Antworten zur Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gefunden werden. Hintergrund ist, dass berufstätige Pflegende in Anbetracht des demografischen Wandels in beiden Rollen benötigt werden.
Die Vereinbarkeit beider Funktionen sei das große zu lösende Thema, stimmten mehrere Expertinnen in einer anschließenden Podiumsdiskussion zu. Die Runde diskutierte unter anderem darüber, ob es für pflegebedürftige Angehörige in Zukunft Arbeitgeberangebote geben sollte, wie sie etwa für die Kindertagesbetreuung inzwischen relativ verbreitet sind.
Adelheid Kuhlmey vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité in Berlin betonte, dass in Deutschland auch mehr auf Prävention gesetzt werden müsse, um Pflegebedürftigkeit so gut wie möglich aufzuschieben.
Auch in hohem Alter gebe es noch Ansatzpunkte, um die Selbstständigkeit möglichst lange aufrecht zu erhalten. Die Fachleute regten außerdem an, diesbezüglich mehr auf regionale Angebote zu setzen, die beispielsweise auch Einsamkeit vorbeugen könnten.
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