Lauterbach: Mittel für bis 2028 geplante Long-COVID-Projekte verfügbar

Berlin – Trotz der wahrscheinlich vorläufigen Haushaltsführung ab Januar 2025 sind nach Angaben von Bundesgesundheitsminister weitere, bis 2028 geplante Forschungsvorhaben zu Long COVID gesichert. Karl Lauterbach (SPD) bezog sich heute zum Auftakt des Long-COVID-Kongresses in Berlin auf zwei von seinem Ministerium aufgelegte Forschungsprojekte zu bedarfsgerechter Versorgung von Erwachsenen beziehungsweise Kindern und Jugendlichen.
Das Volumen liege bei 80 beziehungsweise 50 Millionen Euro, hinzu kämen 20 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds. „Ich habe mit dem Bundesfinanzminister Jörg Kukies vereinbart, [...] dass alle Projekte ohne Einschränkungen so ausfinanziert sein werden, wie wir das zugesagt haben“, sagte Lauterbach bei der Veranstaltung des Ärzte- und Ärztinnenverbands Long COVID und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).
Die Mittel sollen demnach von 2024 bis 2028 zur Verfügung stehen. Viele Bescheide zu den 30 geplanten Erwachsenenvorhaben seien bereits ergangen oder ergingen in diesen Tagen. In Bezug auf die Kinderprojekte stünden die Entscheidungen und Bewilligungen der Mittel bevor, sagte der Minister – und ergänzte, er wünsche sich eigentlich, noch mehr tun zu können.
Mit Blick auf eine insbesondere von Betroffenen erwartete Liste mit Medikamenten für den Off-Label-Einsatz bei Long COVID sagte Lauterbach, er rechne damit, dass sie in den nächsten Woche komme. Er wolle sich dafür stark machen, eine solche Liste auch für ME/CFS allgemein zu erhalten. An der Liste arbeitet eine Expertengruppe seit vergangenem Jahr.
Noch immer sei die Versorgungsstruktur für Betroffene „keineswegs optimal“, sagte Lauterbach. Es gebe etwa zu wenige Spezialzentren und überlaufene Ambulanzen an Universitätskliniken, für behandelnde Ärzte sei zudem der Mangel an standardisierten Therapieoptionen eine Schwierigkeit.
Long-COVID-Patienten seien in der heute teils vorherrschenden „Fließbandmedizin“ beim Hausarzt oft schwer zu behandeln, sagte Lauterbach und betonte, keine Kollegenschelte betreiben zu wollen. Es handle sich um eine politisch verursachte Schwäche im Vergütungs- und Versorgungssystem.
„Wir sind nicht, wo wir sein könnten", bilanzierte Lauterbach. Die Wissenslücken zu der Erkrankung seien noch groß, die Vernetzung gering. Man stehe am Anfang der Arbeit. Es gebe bereits Hunderttausende Betroffene, aber die Zahl könne noch weiter steigen.
Während am Anfang der Pandemie noch fünf bis zehn Prozent der COVID-19-Patientin Long COVID entwickelt hätten, könne man mittlerweile noch von einem Anteil von etwa zwei Prozent ausgehen, so Lauterbach. Bei zehn Millionen SARS-CoV-2-Infektionen pro Jahr kämen so jährlich etwa 200.000 Long-COVID-Betroffene hinzu.
Der Minister bezeichnete Long COVID daher als eine „Art Volkskrankheit“, die nach bisherigem Kenntnisstand nicht wieder verschwinden werde. Eine Heilung sei bisher nicht möglich.
Gleichzeitig trage wegen Risikofaktoren wie Übergewicht und latenten Viruserkrankungen eine breite Gruppe in der Bevölkerung ein Risiko, an Long COVID zu erkranken, machte Lauterbach deutlich. „Das ist auch der Grund, warum ich fest davon ausgehe, dass diese Erkrankung uns über die nächsten Jahre sehr viel beschäftigen wird“, sagte er.
Als „Elefanten im Raum“ beschrieb der Minister zu befürchtende Langfristschäden bei Menschen, die mehrere Long-COVID-Phasen durchmachten beziehungsweise sich kumulativ infizierten: etwa ein erhöhtes Risiko für das Auftreten bestimmter Formen von Demenz. Auch von einem langfristig ansteigenden Diabetesrisiko durch wiederholte Coronainfektionen müsse man ausgehen.
„Der Misserfolg von BC007 muss uns noch einmal vor Augen führen, wie schwer es ist, tatsächlich hier voranzukommen“, sagte Lauterbach mit Blick auf das Mittel, in das viele Betroffene hohe Erwartungen gesetzt hatten. Kürzlich hatte der Hersteller Berlin Cures jedoch mitgeteilt, dass in einer Phase-2-Studie keine Evidenz für eine Überlegenheit von BC007 im Vergleich zu einem Placebo habe gezeigt werden können.
Lauterbach verteidigte in Berlin erneut Deutschlands Vorgehen in der frühen Phase der Pandemie. Man sei verglichen mit anderen Ländern eher vorsichtig gewesen. Auch wenn die Schulen in Deutschland teils zu lange geschlossen geblieben seien: Insbesondere die Schicksale von Kindern mit Long COVID seien schwer und er wage nicht, sich die Folgen vorzustellen, wenn man eine schnellere Durchseuchung von Kindern erlaubt hätte, sagte der SPD-Politiker.
Long COVID sei zudem ein „riesiges Problem“ für die Wirtschaft, betonte der Minister. Menschen in der mittleren Lebensphase würden dadurch nachdrücklich und schwer in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt.
Es gelte, intensiv zu forschen. Auch die Runden Tische zu Long COVID sollen Lauterbach zufolge fortgeführt werden. Dabei wolle man stärker partizipativ arbeiten, sich also etwa Rückmeldungen aus der Community einholen.
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