Lauterbach rechtfertigt Beibehalten von Corona-Risikostufe 2022

Berlin – In der Coronapandemie ist die Risikobewertung auf Anordnung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Anfang 2022 nicht herabgestuft worden – was der Minister auch noch rückblickend gerechtfertigt sieht.
Wie die Süddeutsche Zeitung nach einer gemeinsamen Recherche mit WDR und NDR berichtete, wollte das Robert-Koch-Institut (RKI) zu dem Zeitpunkt die Risikobewertung von „sehr hoch“ auf „hoch“ herunterstufen.
Der Minister habe dem RKI jedoch nach dem Medienbericht mitgeteilt, dass eine Herabstufung der Risikobewertung „politisch nicht gewünscht“ sei – obwohl das RKI und ihr damaliger Präsident Lothar Wieler dies zu dem Zeitpunkt gewollt hätten. Am 25. Februar hieß es laut Bericht, die „Reduzierung des Risikos von sehr hoch auf hoch wurde vom BMG abgelehnt.“
Lauterbach schrieb gestern Abend auf der Plattform X: „Hätten wir im Februar 2022 die Risikostufe bereits herabgesetzt, als zum Teil noch Hunderte Menschen am Tag an COVID gestorben sind, wäre das ein Fehler gewesen“. Daher hätten das RKI und das Gesundheitsministerium (BMG) die Herabstufung damals zu Recht verschoben.
Der Bundesgesundheitsminister gerät wegen seines Agierens in der Coronakrise unter verschärfte Attacken des früheren Koalitionspartners FDP. „Der Rücktritt ist unvermeidlich, wenn es bei Karl Lauterbach noch irgendetwas wie politischen Restanstand geben sollte“, sagte der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki. FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann forderte ebenfalls Lauterbachs sofortigen Rücktritt und die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag zur Coronapandemie. „Daran führt kein Weg mehr vorbei.“
Der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR sagte Lauterbach, das RKI sei eine nachgeordnete Behörde, über die er die Fachaufsicht habe. „Fachaufsicht bedeutet nicht Abnicken. Wenn ich das einfach unterzeichnet hätte, vielen Dank für die Nachricht, dass Sie jetzt runterstufen wollen, dann wäre die Fachaufsicht nicht gut gelaufen.“ Eine politische Beeinflussung „durch sachfremde Überlegungen“ sei hingegen nicht vorgekommen.
Kubicki warf Lauterbach vor, er habe die Öffentlichkeit belogen, als er in der Pandemie erklärte, das RKI könne völlig frei auf wissenschaftlicher Grundlage entscheiden. „Auch die RKI-Wochenberichte, die die Corona-Risikoeinstufung beinhalteten, haben eine Unabhängigkeit des Institutes vorgegaukelt, die faktisch nicht bestand.“ Nichts habe dort auf direkte Einwirkung aus dem Ministerbüro hingedeutet. „Das RKI diente als wissenschaftliche Kulisse für das sehr egoistische Streben des SPD-Ministers.“
Eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik im Bundestag ist in dieser Wahlperiode nicht zustande gekommen. Der FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann sagte, seine Fraktion habe vor zwei Jahren noch gedacht, dass eine Enquete-Kommission zur sachlichen Aufarbeitung das beste Mittel wäre, um das Land widerstandsfähiger für die nächste Pandemie zu machen. Union, SPD und Grüne hätten das aber nicht gewollt. Die SPD und Lauterbach wollten „alles verhindern, damit nicht ans Licht kommt, wie der Minister in vollkommener Selbstherrlichkeit sich über alle Fakten und Expertenmeinungen hinwegsetzt.“
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