Lauterbach will Schaden durch Maskenkäufe minimieren

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will drohende Milliardenrisiken für den Bund infolge von Maskenkäufen zu Beginn der Coronakrise möglichst gering halten. „Ich arbeite an einer Minimierung des Schadens“, sagte der SPD-Politiker heute nach einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestags.
Er glaube, dass ein maximaler Schaden von 2,3 Milliarden Euro abgewendet werden könne, machte er mit Blick auf den Streitwert aktueller Klageverfahren deutlich. Lauterbach sagte, dass der Bund nach einer juristischen Niederlage am Oberlandesgericht Köln eine Prüfung durch den Bundesgerichtshof begehre.
Er glaube, dass sich zum Schluss die Rechtsauffassung des Bundesgesundheitsministeriums durchsetzen werde. Er räumte aber ein, dass damals „ein sehr anfälliges Verfahren“ gewählt worden sei, weswegen es nun Auseinandersetzungen gebe. Der Minister sicherte erneut volle Transparenz zu.
Hintergrund sind Verträge zu Beginn der Pandemie 2020, als Masken knapp waren, aber dringend benötigt wurden. Um schneller Masken für das Gesundheitswesen zu bekommen, hatte das Ministerium, dem damals Jens Spahn (CDU) vorstand, mit dem Open-House-Verfahren ein besonderes Verfahren angewendet. Dabei kamen Lieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen Preisen zustande.
Vielfach verweigerte das Ressort später die Bezahlung und machte Qualitätsmängel geltend. Daraufhin klagten Lieferanten. Aus schwelenden Streitfällen sind noch in etwa 100 Fällen Klagen mit einem Streitwert von insgesamt 2,3 Milliarden Euro erhoben, wie das Ministerium mitgeteilt hatte.
Zuletzt hatten sich auch der Bundestag und der Haushaltsausschuss mit den Maskendeals befasst. Beide Male hatte Spahn sich dazu geäußert und seine Sicht auf die Dinge erläutert. Im Kern verteidigte er sein damaliges Vorgehen.
Die Abgeordneten nutzten heute die Gelegenheit für zahlreiche Nachfragen, unter anderem zu dem umstrittenen Open-House-Verfahren, zu Verträgen, einzelnen Lieferanten, zur möglichen Schadenhöhe, zur Vernichtung minderwertiger Masken und zu Vergleichen mit Unternehmen.
Lauterbach verwies in vielen Fällen auf die noch laufende Aufarbeitung und laufende Verfahren. Er zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass Deutschland auf mögliche künftige Pandemien besser vorbereitet sind wird. Mit den Antworten zeigten sich die Parlamentarier unterschiedlich zufrieden.
„Durch die Maskengeschäfte wurde Steuergeld regelrecht verbrannt und Bundesgesundheitsminister Lauterbach mauert, statt die transparente Aufklärung voranzutreiben“, sagte Ates Gürpinar, Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik, Gruppe Die Linke. „Viele Fragen der Abgeordneten konnte oder wollte er nicht beantworten. Dieser Umgang mit dem Parlament und dem Steuergeld, das dem BMG anvertraut wird, ist respektlos.“
Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte nach der Ausschusssitzung, man komme zu dem Eindruck, dass mit den bisherigen regulären parlamentarischen Instrumenten eine Aufklärung nicht in hinreichendem Maße erreicht werden konnte. „Man wird deshalb auch über einen Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre reden müssen.“ Dahmen wies unter anderem auf mehrere ungeklärte Fragen einer damaligen Auftragsvergabe an ein Logistikunternehmen hin.
Auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Kristine Lütke sagte, es blieben mehr Fragen offen, als Antworten gegeben worden seien – etwa bei der Beauftragung der Logistikfirma. Ein Untersuchungsausschuss „wäre eine Möglichkeit“, sagte Lütke. Sie bekräftigte aber zugleich die Forderung nach einer Enquetekommission des Bundestags, um „das Gesamtbild der Entscheidungen“ in der Pandemie intensiv aufzuarbeiten.
Lauterbach selbst sagte, er habe das angewandte Verfahren immer für falsch gehalten, auch in anderen Zusammenhängen. Auf der anderen Seite müsse man sehen, dass es damals eine Notlage gewesen sei. Nun gelte volle Transparenz, auch zur Rolle des Logistikers. „Das wird alles aufgeklärt.“
„Aus Sicht unserer Fraktion ist es ganz klar in unser aller Interesse, maximale Transparenz in die Vorgänge zu bringen und die im Raum stehenden Forderungen in möglichst großem Umfang zurückzuweisen“, erklärte Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, auf Nachfrage.
Es sei gut, dass Minister Lauterbach deutlich gemacht habe, dass man in einer ähnlichen Situation heute wesentlich besser vorbereitet wäre, da die Verfahrensabläufe zwischen Bund und Ländern besser aufeinander abgestimmt seien.
„Der Versuch von Teilen der Ampel, ein Scheintribunal abzuhalten, ist kläglich gescheitert“, sagte hingegen Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, im Nachgang der heutigen Sitzung. Schließlich seien es ausgerechnet die grünen Parteispitzen gewesen, die im Jahr 2020 „lauthals“ nach dem Vielfachen der üblichen Vorräte an Masken und Schutzausrüstung gerufen hätten.
„Ihnen konnte es bei der Beschaffung von Masken damals gar nicht schnell genug gehen“, so Sorge. Die heutige Sitzung im Gesundheitsausschuss habe für ihn bestätigt, dass in der Akutphase der Pandemie breite Einigkeit zwischen allen etablierten Parteien bestand hätte, dass Masken und anderes Schutzmaterial mit höchster Priorität hätten beschaffen werden müssen. Dabei sei das gesamte damalige Bundeskabinett eingebunden gewesen.
„In den aktuell laufenden Verfahren setzt das Bundesgesundheitsministerium laut eigener Aussage die bisherige Prozessstrategie weiter fort und sieht gute Aussichten für einen Erfolg. Dass Teile der Ampel ein Eigeninteresse an dieser Sondersitzung hatten, liegt auf der Hand. Sie liegt nicht zufällig in unmittelbarer Nähe zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu den Habeck-Akten“, so Sorge.
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