Politik

Linke mobilisiert für den Sprung ins Parlament

  • Montag, 20. Januar 2025
Jan van Aken (von links nach rechts), Bodo Ramelow, Heidi Reichinnek, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch/picture alliance, Sebastian Gollnow
Jan van Aken (von links nach rechts), Bodo Ramelow, Heidi Reichinnek, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch /picture alliance, Sebastian Gollnow

Berlin – Nach einem euphorischen Parteitag am Wochenende versucht die Linke, bis zum 23. Februar alle Kräfte für den erneuten Einzug in den Bundestag zu mobilisieren. Die Umfragewerte liegen unter fünf Prozent, die Ab­spaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht zehrt an der Linken.

Doch Parteichef Jan van Aken zeigte sich sicher, dass es klappt mit dem Wahlziel: „Die Linke ist wieder da, sie ist so lebendig wie schon lange nicht mehr.“

Die Delegierten wollten ihm bei dem Berliner Treffen in einem alten Postbahnhof gerne glauben. Immer wieder jubelten sie – nicht nur bei van Aken, sondern auch bei seiner Co-Chefin Ines Schwerdtner und der Abgeordneten Heidi Reichinnek, die mit van Aken das Spitzenduo zur Bundestagswahl bildet.

Mut macht sich die Partei auch, weil sie nach van Akens Worten in den vergangenen Monaten 17.000 Neueintritte verzeichnet hat. Die Linke habe nun wieder mehr als 60.000 Mitglieder, sagte der Vorsitzende. Immer wieder be­teuerte van Aken, was für gute Laune er habe.

Beim erneuten Einzug in den Bundestag helfen soll die „Mission Silberlocke“: Die langjährigen Linken-Politiker Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow steuern jeweils ein Direktmandat an.

Hoffnungen machen sich auch drei weitere Linke, darunter Parteichefin Schwerdtner. Zahlen über die Aus­sich­ten in den betroffenen Wahlkreisen hat die Partei aber nicht. Bartsch bemühte Zuversicht: Es werde gelingen. Keine Stimme für die Linke sei verschenkt.

Das verabschiedete Wahlprogramm setzt als Topthema einen bundesweiten Mietendeckel. „Wir werden ihn durch­setzen, weil die Menschen ihn brauchen“, sagte van Aken. Das beschlossene Wahlprogramm enthält auf mehr als 60 Seiten einen ganzen Katalog von Einzelforderun­gen, das gilt auch für Gesundheit und Pflege.

Die Linke drängt darin weiterhin auf eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die alle Men­schen einzahlen sollen. Es soll keine Beitragsbemessungsgrenze mehr geben, auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten sollten Beiträge gezahlt werden. Privatversicherte sollen in die gesetzliche Kran­kenversicherung einbezogen werden.

Darüber hinaus sollte es aus Sicht der Linken eine solidarische Pflegevollversicherung geben, die alle pflege­rischen Leistungen abdeckt. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien sollen keinen Eigenanteil zahlen.

Auf der Agenda stehen zudem flächendeckende Entlastungstarifverträge, eine bundesweite Offensive zur Rückan­werbung für Pflegekräfte und weitere Beschäftigten im Gesundheitswesen, eine Ausbildungsoffensive, allge­mein­verbindliche Tarifverträge und eine gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung. Die Linke schreibt, dass es „mindestens 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern“ braucht. Die Partei wendet sich auch gegen das Outsourcing, um Löhne zu drücken oder Tarifverträge zu umgehen.

Das Krankenhausreformgesetz der Ampelregierung nennt das Wahlprogramm „halbherzig“. Die Partei will, dass die notwendigen Betriebskosten der Krankenhäuser von den Krankenkassen vollständig finanziert werden, die Fall­pauschalen vollständig abgeschafft werden. „Dadurch sind Gewinne und Verluste weitgehend unmöglich. “

Private Konzerne dürften zwar weiter Krankenhäuser betreiben, aber ohne Gewinnmöglichkeit würden sie daran kein Interesse mehr haben, so die Linke. „Wir wollen private Krankenhäuser, die private Betreiber aufgeben wollen, in die öffentliche Hand überführen. Hierzu können Kommunen und Länder auf den Re-Kommunalisierungsfonds zugreifen.“

In der ambulanten Versorgung heißt es im Programm, Arztpraxen seien oft schlecht erreichbar und selten barrie­refrei. Die Terminvereinbarung sei kompliziert und die Wartezeit hänge vom Versichertenstatus ab. Die Linke will kommunale Versorgungszentren als Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung fördern.

Diese sollen zentrale Anlaufstelle für Patienten sein und die ambulante Versorgung mit akutstationären, notfall­medizinischen, psychotherapeutischen, (gemeinde-)pflegerischen und weiteren therapeutischen Behandlungen verbinden. Gesundheitsberufe wie Apotheker, Pflegekräfte, Therapeuten (Heilmittel), Hebam­men, medizinische Fachangestellte und Notfallsanitäter sollen stärker eigenverantwortlich behandeln und versorgen können.

Um die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern, plädieren die Linken für unbürokratische Kosten­er­statt­ungsverfahren. Dafür brauche es eine grundlegende Reform der Bedarfsplanung für vertrags­psycho­therapeutische Kassensitze, die sich nach dem realen Bedarf richtet. Die Partei spricht sich für gedeckelte Ausbildungskosten aus. Auch müsse die Finanzierung der Ausbildung durch die Weiterbildungsstätten gesetzlich geregelt werden.

Die Pharmaindustrie ist der Linken ein Dorn im Auge. Die Partei will „die Macht der Pharmaindustrie durch­brechen“. Das Programm setzt auf eine öffentliche Kontrolle über die Arzneimittelforschung. Preise müssen in der Europäischen Union einheitlich festgelegt werden. Geld geben soll es für die Forschung zu öffentlicher Gesundheit (Public Health) und die nicht kommerzielle klinische Forschung.

Die Linke tritt in der Suchtpolitik für ein Werbe- und Sponsoringverbot für Tabak, Alkohol, andere Drogen sowie Glücksspielangebote ein. Das soll von Aufklärungskampagnen zu Alkohol-, Drogen und Spielsucht begleitet werden.

Außerhalb von Gesundheit und Pflege wollen die Linken eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Grund­nahrungs­mittel, Bus, Bahn und Hygieneartikel. Güns­tigere Energie für Durchschnittsverbraucher soll per „Energie-Soli für Reiche“ finanziert werden.

Die Partei will sowohl eine Vermögenssteuer als auch eine Vermögensabgabe. Sie ist für höhere Einkom­mens­­­steuern für Gutverdiener und eine höhere Erbschaftssteuer. Rente, Kindergeld und Bürgergeld sollen verbessert, der Mindestlohn auf 15 Euro hochgesetzt werden. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland will die Linke verhindern. Die Forderung nach einem sofortigen Nato-Austritt in einem Änderungsantrag fand aber keine Mehrheit.

Einige Forderungen decken sich mit denen von SPD und Grünen, einzelne auch mit dem Programm der Wagen­knecht-Partei. Doch nur mit Druck der Linken würden SPD und Grüne soziale Versprechen auch wirk­lich angehen, meinte van Aken.

Co-Parteichefin Schwerdtner teilte in ihrer Rede vor allem nach rechts aus. Sie unterstellte der Union, diese werde nötigenfalls auch mit der AfD zusammenarbeiten. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat dies ausge­schlossen. Schwerdtner sagte jedoch, Merz wolle den Sozialstaat „kurz und klein schlagen“.

„Und ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass er es am Ende auch mit der AfD durchsetzen wird, ganz egal, was er vor der Wahl behauptet.“ Die Linken-Chefin nannte die AfD „im Kern eine faschistische Partei“.

Das alte Selbstverständnis der Linken als Ostpartei erwähnte Gysi. Er meinte, der Osten „war das Stiefkind aller bisherigen Bundesregierungen“ und schlug vor: „Es wird Zeit, dass sich eine Bundesregierung dafür mal ent­schuldigt. Das gäbe einen Schub in Richtung innere Einheit.“

may/dpa

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