Politik

Massiver Anstieg bei Import von medizinischem Cannabis

  • Donnerstag, 27. Februar 2025
/picture alliance, Jan Woitas
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Berlin – Der Import von medizinischem Cannabis nach Deutschland hat im Laufe des vergangenen Jahres massiv zugenommen. Allerdings wird ein großer Teil des importierten Cannabis mutmaßlich nicht für therapeutische oder wissenschaftliche Zwecke verwendet.

Die Menge stieg laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von 8,1 Tonnen im ersten Quartal des Jahres über 11,6 Tonnen im zweiten Quartal und 20,7 Tonnen im dritten Quartal auf 31,7 Tonnen im vierten Quartal. Damit hat sich die Importmenge im vierten gegenüber dem ersten Quartal fast vervierfacht.

Insgesamt wurden demnach im Jahr 2024 mehr als 72 Tonnen getrocknete Cannabisblüten für medizinische und wissenschaftliche Zwecke eingeführt. Im gesamten Vorjahr waren nach Zahlen des BfArM 32,5 Tonnen importiert worden, also weniger als halb so viel.

Zudem war 2023 keine massive Steigerung zu beobachten gewesen, die monatliche Importmenge variierte zwischen 7,6 Tonnen im zweiten und 8,5 Tonnen im vierten Quartal – lag damit also auf dem Niveau der Importmenge aus dem ersten Quartal 2024.

Das Cannabisgesetz (CanG), mit dem der Freizeitgebrauch der Pflanze unter Auflagen legalisiert wurde, trat zu Beginn des zweiten Quartals in Kraft. Ab da begannen die Importengen zu steigen.

In Deutschland wurden im gleichen Zeitraum nur 2,6 Tonnen Cannabis produziert. Es gelten nach wie vor die Auflagen der Ausschreibung, bei der das BfArM an drei Unternehmen den Zuschlag für vier Jahre vergeben hatte, für den deutschen Markt hierzulande zu produzieren.

Der größte Teil des im vergangenen Jahr importierten Cannabis wurde in Kanada produziert. 33 Tonnen lieferten die dortigen Hersteller. Es folgten Portugal mit mehr 17 Tonnen, Dänemark mit fast 7,4 Tonnen, Nordmazedonien mit 2,7 Tonnen und Spanien mit 2,2 Tonnen.

Gründe für den starken Anstieg nannte das BfArM nicht, verweist aber auf eine Einschätzung des Leiters der Bundesopiumstelle im BfArM, Peter Cremer-Schaeffer. Demnach ließen es die vorliegenden Daten bei alleiniger Betrachtung der Verordnungen auf Privatrezepten möglich erscheinen, „dass eine Versorgung mit Cannabisblüten erfolgt, die der Gesetzgeber so nicht bezweckt hat“.

Der Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, verweist dabei auf Online-Anbieter. Es sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Verordnungen nicht durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzten zu medizinischen Zwecken im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen verschrieben wurde, „sondern durch Online-Anbieter, die zum Teil aggressiv mit der einfachen Verschreibung von Medizinalcannabis auf Privatrezepten als privatärztliche Leistung werben“, sagte er.

Für die Verschreibung von Medizinalcannabis komme aus fachlicher Sicht nur ein relativ enger Kreis infrage, darunter Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose sowie bei der Palliativversorgung, sagte Beier.

„Wir erleben bei medizinischem Cannabis eine Explosion, die wir so nicht erwartet haben“, erklärte gestern auch der Leiter der Abteilung Arzneimittel und Medizinprodukte im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Thomas Müller.

Dieser Anstieg erfolge aber nicht zulasten der Krankenkassen. Natürlich gebe es einen Graubereich, in dem medizinisches Cannabis zum Freizeitgebrauch via Privatrezept, also für Selbstzahler, bezogen werde, sagte Müller. Wie man mit diesem umgehe, sei aber eine politische Entscheidung.

Beier ergänzte, es sei richtig und sinnvoll, dass die Versorgung mit Medizinalcannabis durch niedergelassene Ärzte für die klar umrissene Gruppe, für die eine medizinische Indikation bestehe, in der Vergangenheit entbürokratisiert worden sei.

Mit dem CanG war auch der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei Verschreibung durch Ärzte bestimmter Fachrichtungen gestrichen worden. Dies sei laut Beier sinnvoll, denn es habe die Versorgung der betroffenen Patienten, bei denen wirklich eine medizinische Indikation vorliege, unnötigerweise erschwert.

lau/dpa

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