Mehr Flexibilität und weniger Dokumentationsaufwand für Psychiatriepersonal

Berlin – Künftig sollen stationäre Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik ihr Personal noch flexibler einsetzen können, um bedarfsgerecht zu arbeiten und ohne die Mindestvorgaben zu unterschreiten. Zugleich soll es weniger Dokumentationsaufwand für sie geben bei gleichbleibender Versorgungsqualität. Das teilte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit, der gestern eine Anpassung der PPP-RL (Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie) bekanntgab.
„Mit den beschlossenen Änderungen kann das Personal deutlich einfacher als bisher stations- und settingübergreifend eingesetzt werden“, betonte Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung. Mit der Anpassung trage das Gremium den individuellen Behandlungskonzepten vieler Krankenhäuser besser Rechnung.
Gleichzeitig werde die berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung von fachfremden Mitarbeitenden gefördert, die mit einer anderen Qualifikation bereits in den Kliniken beschäftigt sind als jene Berufsgruppen, die von der PPP-RL genannt werden.
„Als G-BA reagieren wir so auf veränderte Behandlungssettings und den aktuellen Fachkräftemangel“, sagte Maag. Es bleibe jedoch in der professionellen Verantwortung der Kliniken, alles zu tun, um Personal aufzubauen und zu halten. Der Fachkräftemangel dürfe nicht als genereller Freibrief gelten.
„Unser Hauptkritikpunkt an der PPP-RL waren immer die starren, unflexiblen und kleinteiligen Personalvorgaben, die es den Kliniken erschweren, die Richtlinie einzuhalten. Durch die erzielte Flexibilisierung beim Personaleinsatz können die Kliniken die Vorgaben besser umsetzen“, erklärte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die die PPP-RL mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt hatte.
Besonders bedeutsam sind aus Sicht der DKG die Verbesserungen bei der Flexibilität des Personaleinsatzes, die den Kliniken mehr Spielraum beim Personaleinsatz bieten sowie die Nachweisführung erleichtern. So könne zum Beispiel zukünftig im Bereich der pflegerischen Aufgaben in größerem Umfang Assistenzpersonal eingesetzt werden, als dies bisher der Fall war. Für den Bereich der ärztlichen Aufgaben gebe es erstmals eine Öffnungsklausel zum Einsatz auch nicht ärztlichen Personals.
Kritisch bewertet die DKG allerdings, dass sich die psychiatrischen Krankenhäuser ab dem 1. Januar 2026 erheblichen Sanktionen bei Nichterfüllung der PPP-RL ausgesetzt sehen. „Für viele Kliniken ist es trotz aller Anstrengungen nur sehr schwer möglich, angesichts des Fachkräftemangels die zur Erfüllung der Richtlinie notwendigen Mitarbeiter zu rekrutieren“, betonte Gaß.
Die DKG habe deshalb im G-BA eine einjährige Verlängerung der Sanktionsfreiheit vorgeschlagen. „Diesem Antrag sind weder der GKV-Spitzenverband noch die drei unparteiischen Mitglieder gefolgt“, bedauerte der Vorstandsvorsitzende.
Dieser Kritik schließt sich die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) an. Auch die Fachgesellschaft hatte eine Fortsetzung der Übergangsfrist gefordert, um Strafzahlungen zu vermeiden.
„Wenn Kliniken diese Mindestvorgaben nicht erfüllen können, liegt dies meist an größeren Herausforderungen bei der Personalgewinnung. Sanktionszahlungen werden die Probleme nur noch verstärken - sie lösen sie nicht. Dieser Schritt wird die Kliniken empfindlich treffen“, sagte Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der DGPPN.
Der Fachkräftemangel sei existent und werde definitiv nicht als „genereller Freibrief“ der Kliniken angeführt. Statt Sanktionen sei es eher angeraten, alternative sektorenübergreifende und flexible Modelle zu implementieren, die den Kliniken dabei helfen können, das bestehende Personal bedarfsadaptiert effizienter einsetzen zu können, so die DGPPN-Präsidentin.
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Januar 2026 in Kraft.
Der G-BA legt im Auftrag des Gesetzgebers seit 2020 in der PPP-RL qualitätssichernde Maßnahmen für die stationäre psychiatrische, kinder- und jugendpsychiatrische und psychosomatische Versorgung fest. Mit personellen Mindestvorgaben solle eine möglichst gute Patientenversorgung abgesichert werden.
Da es sich um Mindestanforderungen handelt, können die Einrichtungen in den Budgetverhandlungen vor Ort darüber hinaus gehen und mehr Personal vorhalten, um etwa eine leitliniengerechte Behandlung sicherzustellen oder personelle Ausfallzeiten auszugleichen.
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