Politik

Menschen mit Behinderung sollten als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werden

  • Montag, 27. Januar 2025
Mahnmal T4, Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie-Morde, Tiergartenstraße 4 in Berlin /picture alliance, imageBROKER, Schoening
Mahnmal T4, Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie-Morde, Tiergartenstraße 4 in Berlin /picture alliance, imageBROKER, Schoening

Berlin – Menschen mit Behinderungen sollten vom Bundestag im Zusammenhang mit den „Euthanasie“-Morden und Zwangs­sterilisationen offiziell als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt werden. Dieser Aufruf sieht ein interfraktionellen Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP vor. Der Bundestag will sich am kommenden Donnerstag damit befassen, wie der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, betonte.

Demnach sollten – im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel – auch die Förde­rung der Forschung über Abläufe und Dimensionen der „Euthanasie“-Verbrechen sowie eine Zentralisierung und Gesamtanalyse der in diversen Archiven existierenden Akten beschlossen werden. Thema ist zudem, dass Gedenkstätten nachhaltig unterstützt werden.

Fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs müssten diese Opfer endlich als Verfolgte des men­schen­­verachtenden NS-Regimes anerkannt werden, hieß es heute von der Bundespsychotherapeuten­kammer (BPtK).

Es sei „richtig und längst überfällig“, dass am Donnerstag die letzte und abschließende Beratung des frak­tions­übergreifenden Antrags zum Gedenken der Opfer der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisationen im Bundestag stattfinde, sagte der Berichterstatter für die Belange von Menschen mit Behinderungen der CDU/­CSU-Bundes­tagsfraktion im Gesundheitsausschuss und ehemalige Behindertenbeauftragte der Bundes­regie­rung, Hubert Hüppe (CDU).

Er bezeichnete die Beteiligung von Ärzten, Pflegepersonal und Einrichtungen der Behindertenhilfe an der „Ver­nichtung lebensunwerten Lebens“ als „erschreckend“. „Viele dieser Täter, insbesondere Mediziner, die Menschen mit Behinderungen und Kranke für medizinische Experimente missbrauchten, erfuhren entweder keine oder nur sehr milde Konsequenzen“, sagte Hüppe.

Erschütternd sei zudem, dass nicht wenige von ihnen nach der Zeit des Nationalsozialismus weiterhin hätten Karriere machen können und sogar staatliche Ehrungen empfangen hätten. Dazu komme, dass die massen­hafte Ermordung von behinderten und kranken Menschen bis heute kaum aufgearbeitet worden sei.

Anlässlich des heutigen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus soll übermorgen eine öffentliche Kranzniederlegung am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde an der Tiergartenstraße 4 stattfinden.

Im Zuge der sogenannten „Aktion T4“ wurden mehr als 70.000 Morde an Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten während der nationalsozialistischen Diktatur verübt. „T4“ ist benannt nach der Adresse der damaligen „Zentraldienststelle T4“ an der Tiergartenstraße 4, wo sich heute der Gedenk- und Informa­tions­ort befindet.

Diese Dienststelle war vom nationalsozialistischen Regime mit der Durchführung der Ermordungen von Men­schen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten beauftragt worden. Durchgeführt wurden die Ermor­dungen von Ärzten und Pflegekräften.

Insgesamt wurden in Einrichtungen des Deutschen Reichs 200.000 Menschen in verdeckten Aktionen ermordet. Europaweit wird von 300.000 Tötungen ausgegangen. Hinzu kommen 400.000 Opfer von Zwangs­sterilisie­run­gen. Heute jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, an dem allen Opfern des Holocaust gedacht wird, zum 80. Mal.

Anm.d.Red.: Der Vorspann wurde am 31.1. präzisiert. Es konnte der Eindruck entstehen, dass die Anerkennung im Bundestag erfolgen soll. Es geht aber um einen Aufruf an das Parlament, dies zu tun. Die Beratung im Bundestag fand dann auch am Mittwoch, nicht wie angekündigt am Donnerstag statt.

may/EB

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